OECD-Bericht 2006 zur Wirtschaftslage der Schweiz

Bern, 06.01.2006 - Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat ihren Bericht über die Lage der schweizerischen Wirtschaft im Jahr 2006 veröffentlicht. Nach Auffassung der OECD bleibt die Schweiz ein wohlhabendes Land, auch wenn sie seit einigen Jahren ein deutlich unter dem OECD-Durchschnitt liegendes Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens aufweist. Die Experten der OECD führen dies hauptsächlich auf einen schleppenden Produktivitätszuwachs zurück. In der Sicht der OECD steht die Schweiz zwei Hauptaufgaben gegenüber: Steigerung der Wachstumsleistung und Verbesserung der Kontrolle über die öffentlichen Ausgaben.

Die Folgerungen des letzten Berichtes der OECD zur Wirtschaft und zur Wirtschaftspolitik der Schweiz wurden von Jean-Daniel Gerber, Staatssekretär für Wirtschaft, anlässlich der Jahrespressekonferenz des seco vorgestellt und kommentiert.


Im Abschnitt zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung (Kapitel 1) hebt die OECD die Abschwächung der Exporte gegen Ende 2004 hervor. Zusammen mit der Erhöhung der Ölpreise hat die Abschwächung zu einem erneuten konjunkturellen Dämpfer in der Schweizer Wirtschaft geführt. Wenn diese Schwäche nicht in eine Rezession übergegangen ist, liegt dies gemäss den Urteil der OECD auch an der Fortführung einer flexiblen Geldpolitik seitens der Nationalbank. Die Arbeitslosenrate hielt sich seit 2003 stabil bei rund 4 %, was im internationalen Vergleich niedrig ist. Nach der OECD dürfte sich der wirtschaftliche Aufschwung weiter festigen.


Im Teil, der den Strukturreformen gewidmet ist (Kapitel 4), betont die OECD die Notwendigkeit, dank eines besseren Funktionierens der Produktmärkte und dank eines intensivierten Wettbewerbs in den geschützten Sektoren die Produktivität zu steigern. Die Massnahmen des Wachstumspakets des Bundesrates, die in dieser Richtung wirkend, finden eine günstige Aufnahme. Gemäss OECD ist es wichtig, die Gesamtheit der vorgeschlagenen Massnahmen zu verwirklichen, so insbesondere die Revision des Binnenmarktgesetzes und die Reformen im Elektrizitäts- und Landwirtschaftsbereich. In anderen Bereichen wie der Telekommunikation sind nach der Meinung der Experten der OECD die Reformen zu beschleunigen, und es sind durch Zulassung EU-konformer Produkte technische Importhemmnisse abzubauen (Cassis-de-Dijon-Prinzip). Weiter sollten die Mittel der Wettbewerbsbehörde aufgestockt und die politische Unabhängigkeit ihrer Mitglieder gewährleistet werden.


Im Abschnitt, der sich dem Funktionieren des Arbeitsmarktes annimmt (Kapitel 6), schätzt die OECD, dass trotz eines sehr hohen Beschäftigungsgrades das Angebot an Arbeitskräften noch angehoben werden könnte. Als geeignete Schritte sieht sie den Abbau steuerlicher Negativanreize für die Erwerbstätigkeit von Müttern, den Ausbau von frühen Einschulungsmöglichkeiten und Kleinkinderbetreuungseinrichtungen, die bessere Integration von Invaliden mittels Reform der Invalidenversicherung und die Beseitigung von Negativanreizen für die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer.


Bei der Prüfung der Nachhaltigkeit in den öffentlichen Haushalten (Kapitel 2) hebt die OECD die Notwendigkeit hervor, den Anstieg der staatlichen und obligatorischen Sozialausgaben zu bremsen, vor allem über Reformen bei der Krankenversicherung, der Invalidenversicherung und den Altersrenten. Nach den Experten würden solche Reformen es gestatten, dem vor allem im letzten Jahrzehnt eingetretenen Anstieg der Belastung durch Steuern und Sozialabgaben einen Riegel zu schieben. Die steuerlichen Abgaben sind seit 1990 um rund 4 Prozentpunkte und die Zwangsabgaben an private Versicherungseinrichtungen um 2 Prozentpunkte des BIP gestiegen. Zusammen ergibt dies einen der höchsten Anstiege im OECD-Vergleich.  


Um diesem Anstieg der obligatorischen Sozialausgaben zu begegnen (Kapitel 3), empfiehlt die OECD die Pläne zur Reform der Invalidenversicherung, die auf eine verstärkte Früherkennung und Hilfestellung für Betroffene bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zielen, rasch umzusetzen. Um die Krankenkosten besser in den Griff zu bekommen, erachten die Experten der OECD eine tiefgreifende Reform des Gesundheitswesens als nötig; es könnte auf ein Massnahmenpaket zurückgegriffen werden, das die Leistungserbringer einem erhöhten Wettbewerb aussetzt und die Methoden zur Leistungsvergütung verbessert. Um die Finanzierung der Basisrente auch über 2020 hinaus zu sichern, wird schliesslich angesichts der zu erwartenden weiteren Erhöhung der Lebenserwartung unter anderem eine Anhebung der durchschnittlichen Zahl an Erwerbsjahren als nötig erachtet.


Das Spezialkapitel im Bericht 2006 ist der Innovation gewidmet (Kapitel 5). Positiv gewürdigt wird die Spitzenposition der Schweiz im Bereich der wissensintensiven marktorientierten Dienstleistungen, die zahlreiche Personen mit wissenschaftlicher oder technischer Ausbildung anziehen. Die OECD tritt für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Innovation ein,  insbesondere durch Stärkung des Wettbewerbs, durch administrative Entlastung, und durch eine Reform des Konkursrechts. Während die Wahrung der Standortattraktivität der Schweiz für multinationale Gesellschaften wichtig bleibt, hält die OECD dafür, dass auch die Steigerung der Innovationsfähigkeit der KMU und die Beseitigung von Wachstumshemmnissen bei diesen Firmen eine wirtschaftspolitische Priorität darstellen sollten. Die Bedingungen für Unternehmertum müssen unter diesem Gesichtspunkt verbessert und die Kluft zwischen Grundlagenforschung und dem Markt weiter verringert werden. Unvermindert weitergeführt werden sollten die Bemühungen zur Reform des Universitätssystems und zur weiteren Anhebung des durchschnittlichen Bildungsniveaus.


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