Antworten auf offene Fragen zur geologischen Tiefenlagerung

Bern, 09.10.2002 - Die Entsorgung radioaktiver Abfälle erfordert eine Verbesserung der rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen. Zu diesem Schluss kommt der zweite Bericht der Expertengruppe «Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle (EKRA)», der im Auftrag des UVEK erstellt wurde. Während sich die erste Studie mit den technischen Aspekten der Tiefenlagerung beschäftigte, empfiehlt die EKRA nun klarere Organisations- und Finanzierungsstrukturen sowie die Bildung eines «Entsorgungsrats».

Im Jahr 2000 hatte die EKRA das Konzept der Kontrollierten Geologischen Langzeitlagerung präsentiert. Dieses sei das einzig zuverlässige Verfahren, um die Sicherheit über lange Zeiträume zu gewährleisten. Verschiedene Vorschläge wurden in der Folge umgesetzt. Das neue Konzept der geologischen Tiefenlagerung wurde auch im Entwurf zum Kernenergiegesetz (KEG) aufgenommen. Verschiedene technische und institutionelle Fragen blieben indessen offen. Das Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) beauftragte daher die EKRA mit einem Zusatzbericht.

Nach dem ablehnenden Volksentscheid zum Wellenberg steht nun die Differenzbereinigung des KEG im Parlament an. Ein zentraler Punkt ist das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen, das heisst die Frage ob, und wenn ja welche Kompetenzen die Kantone im Kernenergiebereich in Zukunft haben sollen. Die EKRA empfiehlt hier, die Kompetenzen ausschliesslich auf Bundesebene zu verankern. Den politischen Entscheid fällt indessen das Parlament.

Aus der Sicht des UVEK sind für das weitere Vorgehen folgende Aspekte wichtig:

  • Am Konzept der geologische Tiefenlagerung soll festgehalten werden. Dies bedeutet aktive und passive Sicherheit, Überwachung, Kontrolle, Rückholbarkeit während längerer Zeit. 
  • Zur Verbesserung von Dialog und Einbezug der Betroffenen schlägt die EKRA die Bildung eines sogenannten „Entsorgungsrats“ vor. Diese Idee wird weiterverfolgt.

Kurzfassung EKRA-Bericht

Im Bericht äussert sich die EKRA zur Rechtslage, zum Entsorgungsprogramm, zu Dialog und Partizipation, zur Forschung, zur Organisation der Entsorgung und zu deren Finanzierung. Da die geologische Endlagerung das einzige zuverlässige Verfahren ist, um die Sicherheit über sehr lange Zeiträume zu gewährleisten, hat die EKRA in ihrem ersten Bericht das Konzept der kontrollierten Geologischen Langzeitlagerung entwickelt. Die rasche Verbringung der radioaktiven Abfälle in ein Lager verbessert zudem die Sicherheit von Mensch und Umwelt. Trotzdem kommen Lagerprojekte in der Schweiz nur langsam voran. Die EKRA ortet dafür folgende Defizite:

Struktur und Zuständigkeiten: Die organisatorischen Strukturen im Bereich der nuklearen Entsorgung sind schwer überschaubar. Eine Klärung der Strukturen und Zuständigkeiten durch den Bund würde einen wichtigen Beitrag zu mehr Transparenz und Akzeptanz leisten und damit die Umsetzung der Programme fördern. Vorteilhaft würde sich zudem auswirken, wenn die verschiedenen Aufgaben und Tätigkeiten vermehrt koordiniert würden.

Rechtslage: Standortuntersuchungen sowie der Bau von Abfalllagern machen neben
Bundesbewilligungen auch Bewilligungen durch den Standortkanton und die Standortgemeinde erforderlich. Geeignete Projekte können dadurch erheblich verzögert und letztlich verunmöglicht werden. Die Entsorgung der radioaktiven Abfälle muss deshalb auf nationaler Ebene gelöst werden.

Dialog und Partizipation: Die Entsorgung ist konfliktträchtig. Eine Voraussetzung für tragfähige Lösungen stellt der gesellschaftliche Dialog dar. Konflikte müssen entflochten und versachlicht werden, eine differenzierte Argumentation wird damit möglich. Zur Förderung von Dialog und Partizipation schlägt die EKRA die Schaffung eines beratenden "Entsorgungsrats" vor.

Entsorgungsprogramm, Inventar und Qualitätssicherung: Lagerprojekte kommen in der Schweiz nur langsam voran. Es fehlt ein übergeordnetes Qualitätsmanagement-System. Die Umsetzung wird durch geringe politische Unterstützung, zurückhaltendes Handeln der zuständigen Bundesstellen und Akzeptanzprobleme von Nagra und GNW erschwert.

Forschung: Die Forschung zur Entsorgung radioaktiver Abfälle hängt heute wesentlich von den Verursachern der Abfälle ab. Unabhängige (Grundlagen-)Forschung an den Hochschulen fehlt weitgehend; das Ausbildungsangebot auf dem Gebiet der nuklearen Entsorgung ist gering. Es besteht auch Bedarf an Forschung zur Umsetzung der geologischen Tiefenlagerung.

Finanzierung: Die Ausgaben für die laufenden Entsorgungskosten richten sich nach einem von den Betreibern bestimmten Budget. Welche finanziellen Mittel nach der Ausserbetriebnahme der Kernkraftwerke für die Beobachtung eines geologischen Tiefenlagers in den Entsorgungsfonds einzubezahlen sind, ist noch offen. Zudem stellt sich die Frage, wie eine Rückholung der Abfälle aus Sicherheitsgründen zu finanzieren ist.

Empfehlungen der EKRA

Aus ihrer Untersuchung leitet die EKRA unter anderen folgende Empfehlungen ab:

  • Die Kompetenzen für die geologische Tiefenlagerung sollten ausschliesslich auf
    Bundesebene verankert werden.
  • Der Bund legt verbindliche zeitliche Zielvorgaben für die Inbetriebnahme der geologischen Tiefenlager fest und baut eine Programmkontrolle auf.
  • Die Bewilligungs- und Sicherheitsbehörden werden personell und finanziell gestärkt, um ihre umfangreichen Aufgaben den Anforderungen entsprechend wahrnehmen zu können.
  • Die Entsorgungsorganisationen formulieren ein an die Zielvorgaben gebundenes
    Umsetzungsprogramm.
  • Budget, Finanzplan und Arbeitsprogramm der Nagra werden von einer von deren
    Geschäftsleitung unabhängigen Kontrollstelle überprüft.
  • Für alle sicherheitsrelevanten Aktivitäten wird ein Konzept für ein übergeordnetes
    Qualitätsmanagement-System vorgelegt.
  • Für die Einsetzung eines Entsorgungsrats werden Grundlagen ausgearbeitet, wobei Erfahrungen aus dem In- und Ausland einzubeziehen sind.
  • Eine interdisziplinäre, unabhängige Grundlagenforschung Entsorgung und ein spezifisches Forschungsprogramm zur Umsetzung der geologischen Tiefenlagerung werden in die Wege geleitet und deren Finanzierung sichergestellt.
  • Die finanzrelevanten Rahmenbedingungen für die Umsetzung der geologischen
    Tiefenlagerung (z.B. Zeitdauer der Überwachung, bautechnische Aspekte) werden
    festgelegt.
  • Bei der Revision des Kernenergiehaftpflichtgesetzes ist für den Fall einer Rückholung der
    Abfälle aus Sicherheitsgründen eine Versicherungslösung zu prüfen.


Herausgeber

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
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