BFE veröffentlicht vier energiewirtschaftliche Studien

Bern, 17.05.2002 - Das Forschungsprogramm Energiewirtschaftliche Grundlagen (EWG) des Bundesamtes für Energie (BFE) hat vier weitere Untersuchungen veröffentlicht. Zwei Studien befassen sich mit der Möglichkeit des Ersatzes der Kernenergie durch importierten Windstrom. Die beiden anderen mit einem möglichen Ausbau der obligatorischen Kernenergie-Haftpflichtversicherung. Die von den Autoren angewandte innovative Methodik stösst in vier Koreferaten auf Kritik. Die Höhe der Deckungssumme für Nuklearrisiken bleibt weiterhin eine durch die Politik zu lösende Frage.

„CO2-neutraler Ersatz der Atomenergie – Inputs zu forcierter Windenergienutzung“ und „Ersatz der Kernenergie durch importierten Windstrom?“ 1

Gegenstand der beiden Untersuchungen war die Frage eines möglichen Ersatzes der bestehenden Kernkraftwerke durch Strombezüge im europäischen Ausland, namentlich aus Windenergie. Zu klären waren besonders die Beschaffungsmöglichkeiten, die Kosten und die Auswirkungen auf die Stromnetze.

Gemäss den Untersuchungen reicht das technische Windenergiepotenzial insgesamt – onshore und offshore – aus, um mehr als den aktuellen Strombedarf in Europa zu decken. Für die Nutzung dieses Potenzials gibt es jedoch Unsicherheiten, wie die noch fehlenden Erfahrungen mit Offshore-Windparks und die zum Teil noch ungeklärten Möglichkeiten und Kosten der zusätzlichen Reservekapazitäten, die mit zunehmender Windenergienutzung an Bedeutung gewinnen werden. Insgesamt kann für das Jahr 2020 mit Gesamtkosten für Windenergieimporte von rund 8 - 9 Rp./kWh (Infras) oder von 9 bis 12 Rp./kWh (Prognos) gerechnet werden.

Der Ersatz der bestehenden schweizerischen Kernkraftwerke nach 40-jähriger Betriebsdauer durch importierten Windstrom scheint technisch und mit wirtschaftlich vertretbaren Mehrkosten möglich. Falls eine der hängigen Atominitiativen angenommen würde, wäre der Windstromimport eine viel versprechende Alternative, neben verstärkten Anstrengungen zur rationellen Stromverwendung und zur Nutzung einheimischer erneuerbarer Energien im Rahmen des Programms EnergieSchweiz. Zur Durchsetzung einer solchen Strategie wären jedoch staatliche Massnahmen nötig, z.B. ein international harmonisierter Zertifikatehandel mit verpflichtenden Lieferquoten. Zum Teil gibt es, wie bei anderen Zukunftstechnologien, noch grosse Unsicherheiten, insbesondere bezüglich der Entwicklung der Marktpreise für Strom aus erneuerbaren Energien oder der Kooperationsbereitschaft der europäischen Staaten. Unsicher sind auch die technische Entwicklung sowie die Kostensenkungsmöglichkeiten der Windenergie und der sie ergänzenden und konkurrierenden Techniken.

„Verbesserte Deckung des Nuklearrisikos zu welchen Bedingungen?“ 2

Nach dem Kernenergiehaftpflichtgesetz haftet der Inhaber einer Kernanlage unbeschränkt. Die obligatorische Haftpflichtversicherung deckt Nuklearschäden bis zu einer Milliarde Franken. Seit dem 1. Januar 2001 wird dieser Betrag ausschliesslich vom Schweizer Pool für die Versicherung von Nuklearrisiken gedeckt. Der Bund versichert die ausserordentlichen Risiken, die von den privaten Versicherern ausgeschlossen werden dürfen, ebenfalls bis zu einer Milliarde Franken. Dabei handelt es sich um Schäden aus ausserordentlichen Naturvorgängen und kriegerischen Ereignissen sowie um Ansprüche aus Spätschäden.

Die Autoren untersuchten die Bedingungen eines Ausbaus der obligatorischen Kernenergie-Haftpflichtversicherung in der Schweiz. Sie beurteilen die Kosten einer Erhöhung der Pflichtversicherungslimite als tragbar. Gemäss den Autoren ist die Versicherungsdeckung beim privaten Nuklearversicherungspool, zumindest in der kurzen und mittleren Sicht, immer noch günstiger erhältlich als an den internationalen Kapitalmärkten.

„Marginale Zahlungsbereitschaft für eine erhöhte Internalisierung des Risikos von Kernkraftwerken“ 3

Ziel der Untersuchung ist es herauszufinden, wie viel die schweizerischen Stimmbürger über den Strompreis zusätzlich zu zahlen bereit sind für eine erhöhte finanzielle Sicherheit bei einem schweren nuklearen Unfall. Zur Ermittlung dieser marginalen Zahlungsbereitschaft haben die Autoren das neue „Stated Choice“-Verfahren angewandt. Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass eine Erhöhung der Versicherungsdeckung von einer auf vier Milliarden Franken von einer Mehrheit der Stimmbürger akzeptiert würde.

Die Koreferenten äussern sich kritisch zu den in den beiden Untersuchungen angewendeten Methoden und Annahmen. Unter anderem wird geltend gemacht, dass die gewählte Schadensdichtefunktion (Zuordnung der Grösse von Schäden und deren Wahrscheinlichkeit) für die Festlegung der Versicherungsprämien ungeeignet ist, die Risiken mittels Haftpflichtprämien kaum beeinflusst werden können und die externen Kosten der anderen Stromproduktionsarten nicht berücksichtigt werden.

Die Unsicherheit der Ergebnisse u.a. auf Grund der wissenschaftlichen Novität der Untersuchungen sowie die Koreferate zeigen, dass viele Fragen offen sind. Die Höhe der Deckungssumme für Nuklearrisiken wird eine durch die Politik zu lösende Frage bleiben.

 

1 CO2-neutraler Ersatz der Atomenergie – Inputs zu forcierter Windenergienutzung und Ersatz der Kernenergie durch importierten Windstrom? Stefan Kessler, Rolf Iten, INFRAS, Zürich, und Konrad Hacker, Prognos AG, Basel, 64 Seiten, zu bestellen bei Frau Beatrice Meier, BFE, Tel. 031 322 56 48.

2 Verbesserte Deckung des Nuklearrisikos zu welchen Bedingungen? Prof. Dr. Peter Zweifel und Roland Umbricht, Sozialökonomisches Institut der Universität Zürich, mit Koreferaten von Ulrich Schmocker et.al., Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen HSK, und Prof. Dr. Olav Hohmeyer, Universität Flensburg, 114 Seiten, Bestellnummer 805.890 d bei BBL, Vertrieb Publikationen, 3003 Bern, abrufbar unter www.ewg-bfe.ch

3 Marginale Zahlungsbereitschaft für eine erhöhte Internalisierung des Risikos von Kernkraftwerken Prof. Peter Zweifel und Yves Schneider, Sozialökonomisches Institut der Universität Zürich, sowie Massimo Filippini, CEPE ETH Zürich, mit Koreferaten von Prof. Silvio Borner, Universität Basel, und Dr. Stefan Hirschberg, Paul Scherrer Institut, zu bestellen bei Frau Beatrice Meier, BFE, Tel. 031 322 56 48.


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