Tiefenlager für radioaktive Abfälle: Bundesrat Moritz Leuenberger unterstreicht in Berlin Mitwirkungsrecht für deutsche Regionen

Bern, 27.05.2009 - Bundesrat Moritz Leuenberger hat heute vor Parlamentariern des deutschen Bundestags in Berlin erläutert, wie die Schweiz mögliche Standorte für ein Tiefenlager für nukleare Abfälle bestimmt. Sie wende ein transparentes, offenes Auswahlverfahren mit klaren Kriterien an, betonte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Die an die Schweiz grenzenden deutschen Bundesländer hätten im Auswahlverfahren das gleiche Mitwirkungsrecht wie die Regionen in der Schweiz. Die Initiative für den Auftritt Leuenbergers war vom deutschen Umweltminister Sigmar Gabriel ausgegangen.

Vor dem Umweltausschuss in Berlin sagte Bundesrat Leuenberger, die Schweizer Versuche, einen Standort für ein Endlager für radioaktive Abfälle zu finden, seien bisher ohne konkretes Resultat gewesen. Die Fragen der Bevölkerung nach Alternativen und klaren Entscheidkriterien seien zu oft unbeantwortet geblieben. Dies habe dazu geführt, dass die Bürgerinnen und Bürger eines Kantons, in welchem ein Endlager vorgesehen war (Wellenberg im Kanton Nidwalden), in einer Volksabstimmung Nein sagten. Diese Erfahrungen hätten ein Umdenken bewirkt. Als Folge davon wurde ein neues Vorgehen festgelegt. Nur ein transparenter Prozess mit zuvor klar definierten, verbindlichen Kriterien unter Einbezug der Betroffenen ermögliche echte Fortschritte in der Entsorgungsfrage, betonte Leuenberger. Er wolle nun Schritt für Schritt und im Dialog mit allen Betroffenen vorwärts gehen und zähle dabei auf den Willen und die Bereitschaft zur konstruktiven Mitarbeit. Der Schweizer Umwelt- und Energieminister hielt gegenüber den Mitgliedern des Umweltausschusses fest, dass es ethisch und moralisch nicht zu verantworten sei, die vorhandenen radioaktiven Abfälle den nächsten Generationen zu überlassen, ohne selber Lösungen zumindest vorzubereiten.

Der Bundesrat (Regierung) hat das neue Auswahlverfahren im April 2008 im so genannten „Sachplan geologische Tiefenlager" verabschiedet. Dieser legt die Ziele, Verfahren und Kriterien, nach denen das Auswahlverfahren durchgeführt wird, verbindlich fest. Er misst dabei der Zusammenarbeit mit den betroffenen Kantonen, Gemeinden und dem an die Standortregionen angrenzenden Deutschland einen besonders grossen Stellenwert zu. Deutschland ist denn auch im „Ausschuss der Kantone" vertreten, der die Durchführung des gesamten Auswahlverfahrens eng begleitet und zuhanden des Bundesrats und der Bundesverwaltung Empfehlungen abgibt. Damit ermöglicht die Schweiz die Mitwirkung der betroffenen deutschen Bundesländer, die zwar nicht unmittelbar an einen geologischen Standort grenzen, aber von einem Tiefenlager auf Schweizer Boden dennoch betroffen wären.

Standortsuche in drei Etappen: Erste Entscheide 2011 erwartet

Seit Ende 2008 sind die potenziellen Standortgebiete für ein Tiefenlager bekannt. Sie wurden von der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) nach den im Sachplan verlangten geologischen Kriterien festgelegt. Die Bundesverwaltung hat die Bevölkerung in diesen Regionen über das weitere Vorgehen informiert. Sie tat dies auf Einladung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) auch in den betroffenen Regionen in Deutschland.

Die weitere Standortsuche erfolgt nun in drei Etappen und wird rund zehn Jahre dauern. Jede Etappe wird mit einem breiten Anhörungsverfahren begleitet, in dem auch die Nachbarstaaten einbezogen werden. Am Ende entscheidet der Bundesrat über den Standort.

In der laufenden ersten Etappe ist das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) daran, die von der Nagra vorgeschlagenen Standortgebiete nach sicherheitstechnischen Kriterien zu prüfen. Daran beteiligt sind auch die Eidgenössische Kommission für nukleare Sicherheit, die Kommission für nukleare Entsorgung sowie eine vom „Ausschuss der Kantone" einzusetzende „Expertengruppe Sicherheit". Nach Vorliegen aller behördlichen Gutachten zur Sicherheit, Geologie und Raumplanung und einem Gesamtbeurteilungsbericht zu den vorgeschlagenen Standortregionen werden diese in eine dreimonatige Anhörung bei Kantonen, Nachbarstaaten, Parteien, Organisationen und der Bevölkerung geschickt. Danach - voraussichtlich 2011 - entscheidet der Bundesrat, welche Standorte in den Sachplan aufgenommen und in der zweiten und dritten Etappe vertieft untersucht werden sollen.

Mitwirkungsmöglichkeiten von Deutschland bei der Standortsuche für geologische Tiefenlager in der Schweiz

Der Einbezug Deutschlands bei der Standortsuche wird im „Konzeptteil Sachplan geologische Tiefenlager" beschrieben (http://www.bfe.admin.ch/radioaktiveabfaelle/01277/01306/index.html?lang=de&dossier_id=02151).

Demnach werden das zuständige deutsche Bundesministerium (BMU) sowie die benachbarten Bundesländer und Landkreise regelmässig über den Stand des Verfahrens und das weitere Vorgehen informiert. Bevor der Bundesrat die Entscheide fällt, die in drei Etappen zu Standorten für geologische Tiefenlager führen, wird jeweils ein breites Anhörungsverfahren durchgeführt, bei dem die betroffenen deutschen Bundesländer, Landkreise und Gemeinden die gleichen Möglichkeiten zur Mitwirkung geniessen wie die betroffenen Schweizer Kantone und Gemeinden.

Da einige der vorgeschlagenen Standortgebiete direkt an Deutschland angrenzen, wurden als weitere Elemente der Mitwirkung politische Gremien und Fachgruppen eingesetzt, in welchen das BMU, Baden-Württemberg und die angrenzenden Landkreise vertreten sind und ihre Interessen und Anliegen in das Auswahlverfahren einbringen können. Es sind dies insbesondere:

- Der Ausschuss der Kantone. Dieser setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Regierungen der Standortkantone und von Deutschland sowie Schweizer Behörden zusammen. Der Ausschuss stellt ihre Zusammenarbeit sicher, begleitet den Bund bei der Durchführung des Auswahlverfahrens und gibt Empfehlungen ab.

- Die Arbeitsgruppe Raumplanung setzt sich aus Expertinnen und Experten des Bundes, der Standortkantone, der Bundesrepublik Deutschland sowie der Entsorgungspflichtigen zusammen und berät die federführende Bundesbehörde bei Sachfragen.

- Die Arbeitsgruppe Information und Kommunikation setzt sich zusammen aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Standortkantone und der Standortgebiete. Weiter sind Deutschland und die Entsorgungspflichtigen darin vertreten. Die Arbeitsgruppe plant und koordiniert die Informations- und Kommunikationstätigkeiten im Zusammenhang mit dem Auswahlverfahren.

- Das Technische Forum Sicherheit setzt sich aus Expertinnen und Experten des Bundes, der Standortkantone und Standortgebiete, der Bundesrepublik Deutschland sowie der Entsorgungspflichtigen zusammen. Das Forum diskutiert und beantwortet technische und wissenschaftliche Fragen zu Sicherheit und Geologie.

Ab Etappe 2 des Standortauswahlverfahrens können betroffene deutsche Gemeinden zudem im Rahmen der so genannten „regionalen Partizipation" gleichberechtigt wie die betroffenen Schweizer Gemeinden mitwirken. Die regionale Partizipation stellt sicher, dass die Interessen, Bedürfnisse sowie Werte einer Standortregion im Sachplanverfahren berücksichtigt werden. Dabei werden die Gemeinden, Organisationen und die breite Bevölkerung mit einbezogen.


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