Bundesrat erweitert Verhandlungsmandat für ein Energieabkommen mit der EU

Bern, 12.05.2010 - Seit 2007 verhandeln die Schweiz und die EU über ein bilaterales Abkommen im Strombereich. Das schweizerische Verhandlungsmandat soll nun an die aktuellen Rechtsentwicklungen in der EU, unter anderem an das dritte europäische Energiebinnenmarktpaket, angepasst und ausgeweitet werden. Neu wird ein eigenständiges und erweiterbares Energie-Abkommen angestrebt, das zunächst auf den Strombereich und die erneuerbaren Energien begrenzt wäre und in späteren Verhandlungen auf weitere Themen wie Energieeffizienz oder Energieinfrastrukturen ausgedehnt werden könnte. Der Bundesrat hat heute den Entwurf des revidierten Verhandlungsmandats zuhanden der Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments und der Kantone verabschiedet.

Seit die Schweiz und die EU über ein Abkommen im Strombereich verhandeln, hat die EU die Ziele für ihre Energiemärkte neu definiert und die dafür erforderlichen Massnahmen und Kompetenzen stark ausgebaut. So hat sie im vergangenen Jahr ihr Energie- und Klimapaket (20% weniger Energieverbrauch, 20% weniger CO2-Emissionen, 20% Anteil der erneuerbaren Energien) sowie das dritte Massnahmenpaket zum EU-Energiebinnenmarkt verabschiedet. Diese neuen Regelungen werden vom bisherigen Verhandlungsmandat der Schweiz nicht erfasst, bilden aber die Grundlage für die weiteren Verhandlungen mit der EU. Der Bundesrat hat deshalb entschieden, das Mandat in diesen für die Schweiz wichtigen Bereichen der neuen Ausgangslage anzupassen.

Der Bundesrat strebt an, gleichzeitig auch die Reichweite des angestrebten Abkommens auszudehnen. Es soll sich nicht mehr nur auf den Strombereich, sondern auf den gesamten Energiebereich beziehen können. Angesichts der dynamischen Entwicklungen des Energiebereichs in der EU und mit dem Ziel, die Schweiz optimal in der zukünftigen Architektur Energie-Europas zu positionieren, soll ein eigenständiges und ausbaubares Energieabkommen angestrebt werden. Im Rahmen von zusätzlichen Verhandlungen kann dieses später auf weitere energierelevante Bereiche ausgedehnt werden.

Erste Priorität liegt im Strombereich

Zahlreiche Bestimmungen des dritten Energiebinnenmarktpakets werden Anfang März 2011 Geltung erlangen. Unter anderem nehmen die neu geschaffenen EU-Organisationen ab diesem Zeitpunkt formell ihre Arbeit auf. Vom Zustandekommen eines Abkommens im Strombereich hängt für die Schweiz nicht nur eine tragfähige Lösung für die langfristigen Stromimportverträge mit Frankreich ab, sondern auch der Zugang zu diesen Organisationen, die den Aus- und Neubau des europäischen Übertragungsnetzes massgeblich mitbestimmen werden:

  • ACER (Agency for the Cooperation of Energy Regulators): Die neue europäische Agentur der nationalen Energie-Regulatoren (in der Schweiz: Elektrizitätskommission ElCom) erhält wichtige Kompetenzen, z.B. beim grenzüberschreitenden Stromhandel. Gemäss dem dritten Energiebinnenmarktpaket ist ein bilaterales Abkommen Voraussetzung für die Mitgliedschaft der ElCom bei ACER.
  • ENTSO-E (European Network of Transmission System Operators for Electricity): Die nationalen Übertragungsnetzbetreiber (in der Schweiz: swissgrid) werden unter der Schirmherrschaft der EU in der neuen Organisation ENTSO-E zusammengeschlossen. ENTSO-E wird sich unter Aufsicht von ACER auch mit dem strategischen Netzausbau in der EU beschäftigen. Ohne Abkommen ist es ungewiss, ob und wie swissgrid bei ENTSO-E aktiv mitwirken kann.
  • Regionale Initiativen: Mit einem Abkommen strebt die Schweiz auch die gleichberechtigte Zugehörigkeit sowie die Möglichkeit zur Mitarbeit bei der Weiterentwicklung der so genannten „Regionalen Initiativen" an, die als Zwischenschritt zum vollumfänglichen europäischen Binnenmarkt für Energie eingerichtet worden sind.

Das erweiterte Mandat schafft zudem die Möglichkeit, die Richtlinie zur Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen (RES-Richtlinie) in das geplante Abkommen einzubeziehen. Dadurch könnte die europaweite Anerkennung der Schweizer Herkunftsnachweise für erneuerbaren Strom gesichert und auf diese Weise neue Geschäftsfelder für Schweizer Stromunternehmen eröffnet werden. Eine Übernahme der RES-Richtlinie würde jedoch voraussetzen, dass sich die Schweiz - wie die EU-Länder - ein Ziel für die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien bis 2020 setzt, das angemessen und wirtschaftlich tragbar sein muss. Zur Erreichung dieses Ziels könnte sie dank des Abkommens mit anderen EU-Ländern zusammenarbeiten und die erneuerbaren Energien dort nutzen, wo sie die grösste Leistung erbringen und kosteneffizient realisierbar sind.

Abklärungen für Erweiterung des Abkommens

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen im Strombereich soll das Energieabkommen im Rahmen neuer Verhandlungen erweitert werden können. Mögliche Erweiterungen betreffen beispielsweise die Energieeffizienz (Harmonisierung der Verbrauchsvorschriften für Elektrogeräte), die Beteiligung der Schweiz am Strategieplan für Energietechnologien (SET-Plan) und am Energieinfrastrukturpaket der EU oder die Integration der Schweiz in die Krisenbewältigungsmechanismen der EU bei der Gasversorgung.

Der heute vom Bundesrat verabschiedete Entwurf des revidierten Verhandlungsmandats wird nun den aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments und den Kantonen zur Konsultation vorgelegt. Der Bundesrat wird voraussichtlich noch vor der Sommerpause über die definitiven neuen Eckwerte des Mandats befinden.

Infokasten
Das Verhandlungsmandat für ein Abkommen im Strombereich wurde vom Bundesrat am 17. Mai 2006 verabschiedet und am 2. Mai 2007 ergänzt. Gesetzliche Basis für die Verhandlungen waren bis 2009 das Stromversorgungsgesetz auf Schweizer Seite und das zweite Energiebinnenmarktpaket auf EU Seite. Die bisherigen drei Verhandlungsrunden fanden am 8. November 2007 in Brüssel, am 8. Juli 2008 in Zürich und am 10. Juli 2009 in Brüssel statt. Dazwischen trafen sich die Experten bei zahlreichen Sitzungen der technischen Arbeitsgruppen.
Ziel dieser Verhandlungen war bisher eine Harmonisierung des Schweizer und des EU-Strommarktes. Unter dem Eindruck des Blackouts vom September 2003 in Italien hatte die Europäische Kommission der Schweiz vorgeschlagen, den Stromtransit vertraglich zu regeln. Hauptanliegen beider Seiten ist die Versorgungssicherheit im liberalisierten Umfeld. Mit dem Abkommen sollte vor allem der Netzzugang für den grenzüberschreitenden Stromverkehr und der Handel mit Strom aus erneuerbaren Energien geregelt, die Sicherheitsstandards für die Transitnetze harmonisiert sowie eine Lösung für die bestehenden langfristigen Stromimportverträge festgelegt werden.


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