Tanktourismus: Grenzgänger tanken 10% des Schweizer Benzinabsatzes

Bern, 22.06.2010 - Rund 390 Millionen Liter Benzin oder 10% des Absatzvolumens im Inland und 70 Millionen Liter Diesel wurden 2008 in der Schweiz von Tanktouristen aus unseren Nachbarländern getankt, drei Viertel davon in einer Entfernung von nur 10 Kilometern zur Grenze. Der Bund profitierte dadurch von Mehreinnahmen durch Mineralöl- und Mehrwertsteuer von über 340 Millionen Franken. Durch eine Erhöhung des Benzinpreises um 20 Rappen pro Liter, beispielsweise durch die Erhöhung der Mineralölsteuer, würde der Tanktourismus um fast die Hälfte einbrechen. Dies zeigt eine heute veröffentlichte Studie des Bundesamtes für Energie und der Erdöl-Vereinigung.

Obwohl das Phänomen des Tanktourismus seit langem bekannt ist, fehlte bisher eine gute und umfassende Datenbasis dazu. Diese wird nun in der heute vom Bundesamt für Energie (BFE) und der Erdöl-Vereinigung (EV) veröffentlichten Studie „Tanktourismus" bereitgestellt. Autoren der Studie sind das Büro INFRAS in Bern und das CEPE (Centre für Energy Policies and Economics) an der ETH Zürich.

Von Interesse sind insbesondere die Auswirkungen von Preiserhöhungen oder -senkungen auf den Treibstoffabsatz und damit indirekt auf die Steuereinnahmen eines Staates. Weiter hat der Tanktourismus Auswirkungen auf die nationalen Treibhausgas-Inventare, die auf den nationalen Absatzzahlen der Energieträger basieren. So bringt der Tanktourismus der Schweiz zwar höheren Einnahmen (Mineralöl- und Mehrwertsteuer), doch gleichzeitig auch höhere CO2-Emissionen, da ihr die CO2-Emissionen des von den Tanktouristen gekauften Treibstoffs angelastet werden. Im Jahr 2008 wurden durch Tanktourismus 386 Millionen Liter Benzin (2,33 kg CO2/l) und rund 70 Millionen Liter Diesel (2,66 kg CO2/l) abgesetzt. Das entspricht einer Menge von über einer Million Tonnen CO2.

Meist verbinden Tanktouristen verschiedene Fahrtzwecke miteinander, indem sie beispielsweise auf dem Arbeitsweg (Grenzpendler), auf dem Weg in die Ferien oder auf der Einkaufstour tanken. Weniger häufig wird die Grenze ausschliesslich zum Tanken überquert. Tanktourismus findet im Übrigen praktisch nur in einer Entfernung bis 30 km ab der Grenze statt, rund drei Viertel davon sogar innerhalb von nur 10 km. An Tankstellen in unmittelbarer Grenznähe beträgt der Anteil ausländischer Kunden bis zu 90%. An etwas weiter entfernten Standorten (5-7 km) sind es immerhin noch rund 60%. Massgebende Treiber des Tanktourismus sind die Preisdifferenzen zwischen der Schweiz und dem Ausland sowie die Distanz zur Grenze.

Benzin bis 50 Rappen pro Liter billiger als im Ausland

Zwar ist die Schweiz kein ausgeprägtes Treibstoff-Tiefpreisland wie z.B. Luxemburg, Polen oder Tschechien. Dennoch war Benzin in der Schweiz in den letzten Jahren immer günstiger als in den Nachbarländern. Die Preisdifferenz zwischen dem Ausland und der Schweiz hat beim Benzin von 15-20 Rappen pro Liter (Rp./l) im Jahr 2001 auf rund 45-50 Rp./l im Jahr 2008 zugenommen. Anders beim Diesel: Vor 2003 war Diesel in der Schweiz teurer (und die Schweizer sind zum Tanken ins Ausland gefahren), danach je nach Land oft etwas günstiger als im benachbarten Ausland. Ursache für die wachsende Preisdifferenz beim Benzin und die Trendwende beim Diesel war vor allem der Verlauf des Wechselkurses zwischen Schweizer Franken und Euro: Wechselkursbereinigt wären die Preisdifferenzen seit 2003 nämlich praktisch konstant geblieben.

Im April 2009, zum Zeitpunkt des Verfassens der vorliegenden Studie, lag das Schweizer Preisniveau für Benzin und Diesel im Mittelfeld der europäischen Länder. Österreich wies ein vergleichbares Benzin-Preisniveau auf, während es in Deutschland, Frankreich und Italien rund 40-45 Rp./l höher lag. Diesel war zur selben Zeit in Österreich klar günstiger als in der Schweiz und in der Schweiz wiederum deutlich günstiger als in Italien und marginal günstiger als in Frankreich und in Deutschland.

Tanktourismus erreicht bedeutendes Ausmass

Weil viele Deutsche im Ausland tanken, „verliert" Deutschland 5-8% des inländischen Treibstoffabsatzes und dadurch rund 2,4 Milliarden Euro (inkl. Umsatzsteuern) an Staatseinnahmen. In Österreich ist es umgekehrt: Der Tanktourismus beträgt rund 23% beim Benzin und 32% beim Diesel und beschert dem österreichischen Staat entsprechende grosse Mehreinnahmen.

In der Schweiz hat der Tanktourismus in den letzten Jahren stark zugelegt. Beim Benzin hat er von 260 Millionen Litern im Jahr 2001 auf 386 Millionen Liter im Jahr 2008 zugenommen. Das entspricht einem Anteil von rund 10% des gesamten inländischen Benzinabsatzes. Die steuerlichen Mehreinnahmen für die Schweiz beliefen sich auf 286 Millionen Franken für die Mineralölsteuer und 52 Millionen Franken für die Mehrwertsteuer. In der gleichen Zeitspanne stieg der Tanktourismus beim Diesel von -70 Millionen Liter auf rund +70 Millionen Liter an. Das sind 4,2% des inländischen Dieselabsatzes im Jahr 2008.

Deutliche Auswirkung von Preiserhöhungen

Die Studie zeigt, dass eine Erhöhung des Schweizer Benzinpreises um rund 20 Rp./l, beispielsweise durch die Erhöhung der Mineralölsteuer, zu einer Abnahme des Tanktourismus um 45% (entspricht 174 Millionen Liter Benzin oder 400'000 Tonnen CO2) führen würde. Der Anteil des Tanktourismus am inländischen Benzinabsatz würde dadurch von 10% auf 5,5% einbrechen. Bei einer Erhöhung der Dieselpreise um 5 Rp./l würde der Tanktourismus um 62% abnehmen (entspricht 43 Millionen Liter Diesel oder 115‘000 Tonnen CO2) und der Anteil am inländischen Dieselabsatz von heute 4,2% auf 1,6% sinken.

Negative Auswirkungen des Tanktourismus bekämpfen

Massnahmen zur Bekämpfung der negativen Auswirkungen des Tanktourismus werden vor allem in Ländern mit hohen Treibstoffpreisen wie Deutschland, Italien oder Frankreich diskutiert oder eingeführt. So erhalten die Bewohner von grenznahen italienischen Gemeinden verbilligten Treibstoff an italienischen Tankstellen. Und Schweizer Transporteure dürfen gemäss Mineralölsteuerverordnung in ihren Lastwagen bei der Rückkehr in die Schweiz maximal 400 Liter Treibstoff mitführen. Auf EU-Ebene besteht die Absicht, die Mineralölsteuersätze in ihren Mitgliedstaaten zu harmonisieren und die Mindeststeuersätze stufenweise anzuheben.

Tanktourismus, Schlussbericht vom 6. Mai 2010, Mario Keller, Philipp Wüthrich (INFRAS), Massimo Filippini, Silvia Banfi, Fabian Heimsch (Center for Energy Policies and Economics CEPE) im Auftrag von Bundesamt für Energie BFE und Schweizerische Erdölvereinigung.


Adresse für Rückfragen

Lukas Gutzwiller, Bundesamt für Energie, Sektion Energiepolitik, 076 462 31 07


Dokumente


Herausgeber

Bundesamt für Energie
http://www.bfe.admin.ch

https://www.admin.ch/content/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-33842.html