Anklage im Fall Hells Angels

Bern, 30.12.2010 - In der Strafsache „Hells Angels“ kommt die Bundesanwaltschaft (BA) aufgrund der Aktenlage zum Schluss, dass sich einzelne Mitglieder des Motorradclubs strafbar gemacht haben und dass die mutmasslichen Straftaten gerichtlich zu beurteilen sind. Die BA erhebt beim Bundesstrafgericht Anklage gegen fünf Exponenten des Hells Angels MC Zürich wegen schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, einer versuchten Erpressung, einer versuchten Freiheitsberaubung und Entführung sowie vorgenommener Vorbereitungen für einen Raubüberfall.

Grundlage für die Anklage bilden eine rege betriebene, arbeitsteilige und mitunter professionelle Geschäftstätigkeit mit Marihuana sowie der fachmännische Betrieb einer Indoor-Aufzuchtanlage bis zu deren Entdeckung durch die Kantonspolizei St. Gallen im September 2003. Mit der Verarbeitung von Hanfpflanzen zu Betäubungsmitteln im bis zu dreistelligen Kilobereich und deren Verkauf wurde bis Februar 2004 ein teilweise beträchtlicher Gewinn erzielt.

Weiter gelangen eine versuchte Erpressung von Schutzgeldern im Milieu bzw. Sexgewerbe und der Versuch einer Entführung zur Anklage. Von März bis April 2003 übte der Hauptangeklagte Druck auf einen Bordellbesitzer aus, um von diesem Schutzgeld zu erlangen. Dabei schob er gefährliche Hintermänner vor, für die er eine halbe Million Franken einforderte. Der Bedrohte hielt dem Druck aber am Ende stand und zahlte die geforderte Summe nicht. Im zweiten Fall ging es darum, zwei gestohlene Harley Davidson Motorräder wiederzuerlangen. Der vermeintliche Dieb oder eventuelle Transporteur der Motorräder sollte unter einem Vorwand zu einem Treffpunkt gelockt, nötigenfalls abtransportiert und eingesperrt werden. Da sich die gesuchte Person im September 2003 nicht am Treffpunkt einfand und auch nicht erreichbar war, konnte die Tat nicht vollendet werden.

Gegenstand der Anklage sind auch die Vorkehrungen im Zusammenhang mit einem geplanten bewaffneten Raubüberfall auf einen Geldtransporter. Vorgesehen war, im Dezember 2003 einen ungepanzerten Transporter im Raume Zürich zu überfallen. Für die Ausführung der Tat wurde ein Mitglied eines französischen Hells Angels-Chapters beigezogen. Als der Mann sich aber nach seiner Einreise in die Schweiz durch die Polizei beschattet fühlte, wurde das Vorhaben kurzfristig abgebrochen.

In Bezug auf weitere mögliche Straftaten sowie weitere neun, vermutlich daran beteiligte Personen entfällt die Anklageerhebung. Dieser Verfahrensteil wird mangels einer rechts- bzw. anklagegenügenden Beweislage oder aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung eingestellt. Ausserdem ist mit dem vorzeitigen Ableben eines mutmasslichen Hauptbeteiligten der Strafanspruch des Staates erloschen und das Verfahren wird in Bezug auf diese Person ebenfalls eingestellt. Ein Franzose und ein Italiener, die sich zurzeit nicht in der Schweiz aufhalten, werden sich gegebenenfalls in ihren Heimatländern für die ihnen zur Last gelegten Taten verantworten müssen.

Der ursprüngliche Ermittlungsansatz, wonach es sich bei den Hells Angels - oder zumindest einer Kerngruppe innerhalb der Vereinigung - um eine kriminelle Organisation handle, konnte nicht erhärtet werden. Das Verfahren wird deshalb in Bezug auf den Vorwurf der Beteiligung an bzw. Unterstützung einer kriminellen Organisation (Art. 260ter StGB) mangels rechts- bzw. anklagegenügenden Nachweises eingestellt.

Die Einleitung des gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens erfolgte am 29. Januar 2003 gestützt auf einen Antrag der Bundeskriminalpolizei. Die Strafuntersuchung konzentrierte sich auch auf die Frage des Vorliegens einer kriminellen Organisation. Nachdem sich der Verdacht strafbarer Handlungen zunehmend verdichtet hatte, wurden am 28. April 2004 an zahlreichen Orten Hausdurchsuchungen durchgeführt und mehrere Verhaftungen vorgenommen. Die grossangelegte Polizeiaktion hat für ein beträchtliches mediales Aufsehen gesorgt. Aufgrund der knapp ein Jahr später vorliegenden, konkreten und belastenden Ermittlungsergebnisse gelangte die BA zur Auffassung, dass es die zu jenem Zeitpunkt bestehenden Verdachtsgründe weiterzuverfolgen galt. Entsprechend beantragte die BA am 31. März 2005 die Eröffnung der Voruntersuchung gegen insgesamt 17 Personen wegen des Verdachts der Beteiligung an bzw. Unterstützung einer kriminellen Organisation sowie einer Mehrzahl weiterer Straftaten.
Am 6. Mai 2010, also rund 5 Jahre später, schloss der Eidgenössische Untersuchungsrichter die Voruntersuchung ab. Die BA hat seither den Schlussbericht geprüft, hat fünf Anklageschriften redigiert und bezüglich anderer Delikte und Personen 15 Einstellungsverfügungen ausgearbeitet.

Die BA erachtet die Verdachtslage als genügend, um gegen fünf Personen Anklage zu erheben wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 1 und 2 Betäubungsmittelgesetz, BetmG), versuchter Erpressung (Art.156 des Schweizerischen Strafgesetzbuches; StGB), versuchter Freiheitsberaubung und Entführung, eventuell der strafbaren Vorbereitungshandlungen dazu (Art. 183 evt. i.V.m. Art. 260bis StGB) sowie wegen strafbaren Vorbereitungshandlungen für einen bewaffneten Raubüberfall (Art. 140 StGB i.V.m. Art. 260bis StGB) bzw. Gehilfenschaft dazu.

Für die Angeklagten gilt bis zur gerichtlichen Beurteilung die Unschuldsvermutung. Mit Einreichung der Anklageschrift geht die Zuständigkeit für die Information der Medien auf das Bundesstrafgericht in Bellinzona über.


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