Bundesrat verabschiedet kernenergiepolitisches Paket

Bern, 06.03.2000 - Der Bundesrat hat den Vernehmlassungsentwurf zum Kernenergiegesetz (KEG) verabschiedet. Der Entwurf enthält Vorschläge zur Betriebsdauer der bestehenden Kernkraftwerke, ein Verbot der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente und Vorschriften zur Entsorgung der radioaktiven Abfälle sowie deren Finanzierung. Er sieht für neue Kernkraftwerke das fakultative Referendum vor. Gleichzeitig hat der Bundesrat die Verordnung über den Entsorgungsfonds für Kernkraftwerke verabschiedet. Mit der Schaffung dieses Fonds soll noch vor dem neuen KEG die Finanzierung der Entsorgung radioaktiver Abfälle besser sichergestellt werden. Als Folge der Verzögerungen beim KEG beantragt der Bundesrat dem Parlament die Verlängerung des Bundesbeschlusses zum Atomgesetz. Für das Zentrale Zwischenlager für radioaktive Abfälle in Würenlingen (ZZL) hat der Bundesrat mit einer Änderung der Kernenergiehaftpflichtverordnung die Prämie für die Bundesdeckung festgelegt. Schliesslich erteilte er die Betriebsbewilligung für die Abfallbehandlungsanlage im ZZL.

  1. KEG: Vernehmlassung eröffnet

Im Atomgesetz von 1959 und im Bundesbeschluss zum Atomgesetz von 1978 sind viele heute aktuelle Fragen nicht geregelt. Der Bundesbeschluss ist bis Ende 2000 befristet. Im September 2000 läuft das Kernenergie-Moratorium in der Bundesverfassung aus. Ende September 1999 sind zwei neue Volksinitiativen eingereicht worden, die den Ausstieg aus der Kernenergie bzw. ein weiteres Moratorium verlangen.

Die Revisionsarbeiten am Atomgesetz dauern seit Mitte der 70er Jahre. Sie wurden mehrmals zurückgestellt, insbesondere wegen Volksinitiativen und wegen Tschernobyl. Von 1996 bis 1999 fanden verschiedene Dialog-Runden statt, die auch einen Weg aus der teilweise festgefahrenen Situation in der Kernenergiepolitik hätten aufzeigen sollen. Dabei konnte in mehreren wesentlichen Fragen keine Einigung erzielt werden. Anfang Februar 2000 machte schliesslich eine Expertengruppe Empfehlungen zur Konzeption der Entsorgung radioaktiver Abfälle.

Der Vernehmlassungsentwurf enthält Vorschläge zu den wichtigsten Fragen um die Kernenergie:

  • Zur Befristung des Betriebs der bestehenden Kernkraftwerke werden zwei Varianten zur Diskussion gestellt: Befristung, wobei die konkrete Frist aufgrund der Vernehmlassung noch festzulegen wäre, und keine Befristung. Für eine Befristung sprechen vorwiegend energiepolitische Gründe. Dagegen spricht, dass es aus heutiger Sicht schwierig ist, Sicherheitskriterien für das Festlegen einer Frist zu finden. Die Frage der Verfassungsmässigkeit der Befristung wird während der Vernehmlassung geprüft.
  • Die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente bzw. die damit zusammenhängenden Ausfuhren sollen nicht mehr erlaubt sein. Die bestehenden Verträge können innerhalb eines gesetzlich definierten Rahmens noch erfüllt werden.
  • Lufttransporte plutoniumhaltiger Kernmaterialien sollen in Zukunft verboten sein.
  • Das Konzept der Entsorgung basiert auf den Empfehlungen der Expertengruppe Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle (EKRA). Um den Forderungen nach Überwachung und erleichterter Rückholbarkeit der Abfälle zu entsprechen, wird das Konzept der geologischen Tiefenlagerung vorgeschlagen. Falls die Abfälle nicht zurückgeholt werden, kann das Tiefenlager nach einer längeren Beobachtungsphase in ein geologisches Endlager überführt werden.
  • Für die Finanzierung der Stilllegungs- und der Entsorgungskosten lehnt sich der Vernehmlassungsentwurf an die Stilllegungsfondsverordnung und an die Verordnung über den Entsorgungsfonds für Kernkraftwerke an. Zusätzlich soll auch beim Entsorgungsfonds eine solidarhaftungsähnliche Nachschusspflicht der anderen Betreibergesellschaften eingeführt werden, wie sie beim Stilllegungsfonds gilt. Diese Nachschusspflicht wird auf die wirtschaftliche Tragbarkeit beschränkt; nötigenfalls beschliesst die Bundesversammlung über eine Bundesbeteiligung an den nicht gedeckten Kosten.
  • Für neue Kernanlagen ist weiterhin eine Rahmenbewilligung erforderlich. Gegen deren Erteilung kann künftig das Referendum ergriffen werden. Die Bewilligungsverfahren werden koordiniert. Gegen Verfügungen und Bewilligungsentscheiden können Betroffene Beschwerde an eine verwaltungsunabhängige Gerichtsbehörde erheben.
  • Zur Stilllegung von Kernanlagen legt der Vernehmlassungsentwurf Grundsätze fest und regelt die einzelnen Stilllegungsschritte.

Nach Auswertung der Vernehmlassung wird die Botschaft zum KEG auszuarbeiten sein. Der KEG-Entwurf soll als materieller Gegenvorschlag zu den beiden neuen Volksinitiativen ("Strom ohne Atom" und "MoratoriumPlus") dienen. Der Bundesrat wird Anfang 2001 die entsprechende Botschaft ans Parlament verabschieden. Die Revision des Kernenergiehaftpflichtgesetzes wird anschliessend an die Totalrevision des Atomgesetzes erfolgen.

1. Verordnung über den Entsorgungsfonds für Kernkraftwerke verabschiedet

Die Finanzierung der Stilllegung der Kernkraftwerke und der Entsorgung der radioaktiven Abfälle war bisher unterschiedlich geregelt. Seit 1984 werden die Kosten für die Stilllegung durch den Stilllegungsfonds sichergestellt. Dieser Fonds wird durch jährliche Beiträge der Kernkraftwerkbetreiber gespiesen. Eine entsprechende Regelung fehlte für die Entsorgungskosten. Im Juni 1999 sandte deshalb der Bundesrat einen Vorentwurf für eine Verordnung über den Entsorgungsfonds für Kernkraftwerke in die Vernehmlassung. Die Errichtung eines Fonds fand bei den meisten Vernehmlassern Unterstützung. Im Übrigen gingen die Meinungen der Vernehmlasser stark auseinander. Umstritten waren insbesondere die Wahl des Fondsmodells, d.h. welche Entsorgungskosten durch den Fonds abgedeckt werden sollen, ferner die für die Berechnung der Beiträge anzunehmende Betriebsdauer, die Nachschusspflicht und die Übergangsfrist für die Äufnung des Fonds aus den bestehenden Rückstellungen der Kernkraftwerkbetreiber.

Gemäss der vom Bundesrat verabschiedeten Verordnung soll für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle eine mit dem Stilllegungsfonds vergleichbare Regelung eingeführt werden. Nach der Verordnung werden sämtliche Entsorgungskosten, die nach Betriebsende der jeweiligen Kernkraftwerke entstehen, durch den Entsorgungsfonds sichergestellt. Die vor Betriebsende anfallenden Entsorgungskosten sind von den Kernkraftwerkbetreibern wie bis anhin direkt zu bezahlen. Die Betreiber werden verpflichtet, jährliche Beiträge an den Fonds zu leisten, so dass nach einem 40-jährigen Betrieb die erforderlichen finanziellen Mittel im Fonds vorhanden sind. Ab 1. Januar 2001 haben die Betreiber ihre für die Entsorgungskosten getätigten Rückstellungen in den Fonds einzubringen und Beiträge in den Fonds zu bezahlen.

2. Verlängerung des Bundesbeschlusses zum Atomgesetz beantragt (Botschaft zum Bundesgesetz über die Änderung des Bundesbeschlusses zum Atomgesetz)

Der Bundesbeschluss ist bis Ende 2000 befristet. Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass bis zu diesem Zeitpunkt das neue KEG in Kraft gesetzt werden kann. Verschiedene Umstände führten aber immer wieder zu Verzögerungen. Ein neues KEG dürfte frühestens im Jahre 2002 in Kraft treten. Die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses zum Atomgesetz soll ohne inhaltliche Änderungen um zehn Jahre, d.h. bis Ende 2010, verlängert werden.

3. Änderung der Kernenergiehaftpflichtverordnung (KHV)

Der Bundesrat hat mit einer Änderung der KHV die Versicherungsprämie der Zwischenlager Würenlingen AG (ZWILAG) für die Bundesdeckung festgelegt. Diese Versicherung ist für die Differenz zwischen der privat versicherten (700 Mio. Fr.) und der gesetzlich vorgeschriebenen Deckungssumme (1 Mia. Fr.) abzuschliessen. Die Bundesversicherung deckt zudem diejenigen Risiken, die von den privaten Versicherern ausgeschlossen werden dürfen. Dies sind einerseits Schäden aus ausserordentlichen Naturvorgängen und kriegerischen Ereignissen und anderseits Ansprüche aus Spätschäden.

4. Erteilung der Betriebsbewilligung für die Abfallbehandlungsanlagen des Zentralen Zwischenlagers für radioaktive Abfälle in Würenlingen

Der Bundesrat hat für das ZZL die Betriebsbewilligung für die Abfallbehandlungsanlagen (Konditionierungs- sowie Verbrennungs- und Schmelzanlage) erteilt. Anlässlich des durchgeführten öffentlichen Verfahrens wurden keine Einwendungen vorgebracht, welche die Begutachtung durch die Sicherheitsbehörden entkräftet oder eine Ergänzung der Begutachtung erfordert hätten. Die nötigen Sicherheitsmassnahmen zum Schutz von Menschen und Gütern sind getroffen.



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