Georgische „Diebe im Gesetz“ vor Schweizer Gericht

Bern, 30.01.2012 - Die Bundesanwaltschaft (BA) befasst sich seit 2009 mit dem organisierten Verbrechen aus Georgien und dem Phänomen der „Vory v Zakone“ („Diebe im Gesetz“). In einem ersten Schritt klagt die BA vier mutmassliche Exponenten der transnational tätigen kriminellen Organisation beim Bundesstrafgericht in Bellinzona an. Die kriminelle Aktivität der Organisation bleibt weiterhin Gegenstand einer Strafuntersuchung in der Schweiz.

Die vier Männer befinden sich in Haft und die BA wirft ihnen vor, Mitglieder der kriminellen Organisation „Vory v Zakone" („Diebe im Gesetz") zu sein, die ihre Wurzeln im Raum der ehemaligen Sowjetunion, so insbesondere in Georgien hat und im Laufe der letzten 20 Jahre in Westeuropa Fuss fasste und ihre Tentakel bis in die Schweiz ausstreckte.

Um in die Gemeinschaft der „Diebe im Gesetz" aufgenommen zu werden, gelten strenge Regeln. Auch die Gemeinschaft selbst ist streng reguliert und verfügt über einen hierarchischen Aufbau. Sie schottet sich gegenüber der normalen Gesellschaft stark ab. Die „Diebe im Gesetz" zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie eine eigene Sprache sprechen, Hierarchien und Funktionen in Form von Tätowierungen auf dem Körper tragen und über eine Gemeinschaftskasse - den so genannten Obschak - verfügen, in welchen ein Teil der mittels kriminellen Aktivitäten erworbenen Gelder einbezahlt wird.

Laut Anklage der BA gehören die beschuldigten Personen einem Zweig der Organisation an, der im europäischen Raum operierte. Die Chefetage der Organisation für Europa war in Spanien angesiedelt. Die dortigen Exponenten der Organisation lenkten die kriminellen Aktivitäten - hauptsächlich Diebstahl, Einbruch und Hehlerei -, beaufsichtigten die in den einzelnen westeuropäischen Ländern für die Organisation tätigen Personen und verwalteten den Obschak.

Nach gleichem Muster waren die „Diebe im Gesetz" in der Schweiz organisiert. Das Landesgebiet wurde in vier Regionen mit jeweils einem Regionalverantwortlichen aufgeteilt: die Romandie mit Schwerpunkt Genf und Waadt, die Region Zentralschweiz rund um Bern sowie Ostschweiz mit Zentrum Zürich und das Tessin. Die Regionalchefs hatten die Aufgabe, die Diebestouren der Mitglieder zu überwachen und die aus den Verbrechen stammenden Beiträge für die Regionalkasse einzusammeln. Hierarchisch übergeordnet war der Chef der Organisation in der Schweiz, welcher wiederum Rechenschaft nach Spanien ablegen musste.

Die BA geht davon aus, dass die beschuldigten Personen, jede auf einer anderen Hierarchiestufe, führende Rollen in der Organisation wahrnehmen. Angeklagt werden der Chef der Organisation in der Schweiz sowie sein mutmasslicher Bruder, selbst ein ranghohes Organisationsmitglied, der dem Chef Schweiz mit Rat und Tat zur Verfügung stand. Letzterer wurde in Frankreich verhaftet und im vergangenen Jahr an die Schweiz ausgeliefert. Weiter kommen der Chef der Region Tessin vor Gericht sowie ein Mann, der auf der ausführenden Ebene eingesetzt wurde und dem Chef Schweiz bei jeder Gelegenheit zudiente.

Vor rund drei Jahren wurden die Georgier-Banden, die in praktisch jedem Kanton v.a. durch Einbruch- und Ladendiebstahl aufgefallen waren, zum Thema für die BA. Im April 2009 eröffnete die Bundesanwaltschaft eine Strafuntersuchung gegen mehrere Personen aus den Oststaaten, vorwiegend georgischer und russischer Herkunft. Die BA konzentrierte sich auf die kriminelle Organisation als Ganzes, ihre Strukturen, Funktionsweisen, deren Finanzierung und Verhaltensregeln. Im März 2010 führten die von dieser kriminellen Organisation betroffenen Länder (Spanien, Deutschland, Österreich, Frankreich und Schweiz) eine international koordinierte Polizeiaktion durch. Mit der Verhaftung der führenden Köpfe dieser Organisation wurde dem georgischen organisierten Verbrechen im europäischen Raum einen herber Schlag versetzt.

Während in Genf bereits in gleichem Sachzusammenhang Verurteilungen vorausgegangen sind (10 Personen wurden am 22.10.2010 zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt), müssen sich jetzt die von der BA beschuldigten Personen vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten. Die BA erhebt Anklage hauptsächlich wegen Verdachts auf Beteiligung an bzw. Unterstützung einer kriminellen Organisation (Art. 260ter des Schweizerischen Strafgesetzbuches; StGB) wegen Verdachts der qualifizierten Geldwäscherei (Art. 305bis Ziff. 2 lit. a StGB) und des bandenmässigen und gewerbsmässigen Einbruchdiebstahls (Art. 139 Ziff. 2 und 3 StGB).

Für die beschuldigten Personen gilt bis zur gerichtlichen Beurteilung die Unschuldsvermutung. Mit Einreichung der Anklageschrift ist für die Information der Medien das Bundesstrafgericht in Bellinzona zuständig.

Die Untersuchungen der BA rund um diesen Sachverhaltskomplex gehen weiter. Die Strafuntersuchung betrifft weitere 30 Personen, die der schweizerischen Strafverfolgung unterliegen. Über deren Fortgang bzw. Abschluss wird zu gegebener Zeit orientiert.


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