Komplexe Vorschriften, Verfahren sowie zahlreiche Einsprachen verzögern Projekte zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien

Bern, 20.09.2013 - Oft verzögert sich der Bau von Kraftwerken und Anlagen zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. In Erfüllung der Motion 09.3726 und des Postulats 11.3419 hat der Bundesrat heute einen Bericht gutgeheissen, der die Hauptgründe für diese Verzögerungen aufzeigt.

Mit dem Bericht "Verzögerungen von Projekten zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien" (Bundesamt für Energie, August 2013) werden die Motion "Erneuerbare Energien. Beschleunigung der Bewilligungsverfahren" der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (UREK-N, 09.3726) sowie das Postulat "Inventar über verhinderte Kraftwerkprojekte für Strom aus erneuerbarer Energie" der Fraktion der BDP (11.3419) erfüllt.

Der Bericht bietet eine aktuelle Momentaufnahme zu den derzeit blockierten Kraftwerkprojekten. Dazu wurde im Januar 2013 eine Umfrage bei den Projektanten durchgeführt, die ihre Projekte trotz eines positiven KEV-Bescheids (KEV = Kostendeckende Einspeisevergütung) bis Ende 2012 noch nicht realisiert hatten. Die Umfrage richtete sich an 1‘223 Projekte, davon konnten für 570 Projekte vollständige Interviews realisiert werden.

Verzögerungsgrund: Gesetzliche Vorschriften

Die Vielzahl einzuhaltender Vorschriften können bei allen Technologien zu Verzögerungen führen, da deren Einhaltung zeitaufwändig sichergestellt und kontrolliert werden muss. Biomasseprojekte kämpfen zudem damit, dass gesetzliche Vorschriften zu Umweltschutz, Energie, Gesundheitsschutz und Landwirtschaft oft nicht kohärent sind. Vom Präzisierungsgrad der Vorschriften (offene Formulierungen) seitens Bund und Kantone sind mit Ausnahme der Wasserkraft ebenfalls alle Technologien betroffen. Heute fehlen detaillierte Vorschriften für den Bau von Wind-, Geothermie-, Biomasse- und Photovoltaikprojekten. Dies kann zu langen Bearbeitungsdauern bei den Behörden führen. Auch kantonal unterschiedliche gesetzliche Vorschriften erschweren die Arbeit der Projektanten, vor allem wenn sie in mehreren Kantonen oder Gemeinden Projekte planen.

Verzögerungsgrund: Verfahren und Behörden

Verzögerungen aufgrund der Bewilligungsverfahren ergeben sich vor allem bei Windenergieprojekten. So können beispielsweise die Planungsinhalte nicht einfach angepasst werden, was jedoch wichtig wäre, wenn die vorgesehene Technologie aufgrund des langen Bewilligungsverfahrens veraltet ist. In solchen Fällen muss das Verfahren neu eröffnet werden. Verzögernd wirkt auch, dass Nutzungsplanänderungen und Baugesuch gestaffelt eingereicht werden müssen und sich so mehrfache Einsprachemöglichkeiten bieten. Auch das Fehlen eines Eintrags im kantonalen Richtplan kann zu Beschwerden führen. Zu Verzögerungen führt auch eine fehlende behördeninterne Verfahrensplanung. Sind Kompetenzverteilung und Koordination zwischen den Behörden von Kantonen und Gemeinden nicht klar geregelt, kommt es zu Verzögerungen im Verfahrensablauf.

Behördenauflagen können vor allem Photovoltaik- und Biomasseprojekte verzögern. Bei der Photovoltaik geht es dabei vor allem um Denkmal- und Ortsbildschutz, bei der Biomasse um den Umgang mit neuen gesetzlichen Regelungen.

Mangelnde Ressourcen bei den Behörden verzögern hauptsächlich Wasserkraftprojekte. Die Zahl der Gesuche vor allem in den Bereichen Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, was zu einer Überbeanspruchung der Behörden und damit zu zeitlichen Verzögerungen führt.

Verzögerungsgrund: Projektanten

Insbesondere bei Wasser- und Windkraftprojekten können sich die Verfahren aufgrund zu wenig ausgearbeiteter oder unvollständiger Gesuchunterlagen verzögern. Gerade für kleinere Wasserkraft-, aber auch für Biomasseprojekte scheint dies eine wesentliche Herausforderung zu sein. Grund dafür ist die zunehmende Komplexität der Regelungen.

Verzögerungsgrund: Einsprachen

Fast gegen jedes dritte Biomasseprojekt wurden Beschwerden oder Einsprachen eingereicht, am häufigsten von betroffenen Anwohner/innen aber auch von Behörden oder der Nachbargemeinde. Als Gründe werden beispielsweise Lärm- und Geruchsemissionen oder die Nichteinhaltung der Bauordnung aufgeführt.

Gegen jedes fünfte Wasserkraftprojekt wurden Beschwerden oder Einsprachen eingereicht, am häufigsten von einspracheberechtigten Organisationen aber auch von direkt betroffenen Anwohner/innen und Behörden. Als Gründe werden beispielsweise Widerspruch zu öffentlichem Interesse, Konzessionsfragen, Zonenplanänderungen, Umweltauswirkungen (Restwasser, Hochwasser etc.) oder Wasserrechtsfragen genannt.

Bei den Windenergieprojekten wurden gegen fast jedes zweite Projekt Beschwerden oder Einsprachen eingereicht, am häufigsten von einspracheberechtigten Organisationen sowie von direkt betroffenen Anwohner/innen und Behörden. Als Gründe werden beispielsweise geplante Richtplananpassungen, Lärmemissionen oder negativen Auswirkungen auf Biodiversität und Fledermausaktivitäten aufgeführt.

Bei den Photovoltaikprojekten sieht es anders aus: Nur gegen jedes zwanzigste Projekt gab es Beschwerden oder Einsprachen, am häufigsten von betroffenen Anwohner/innen aber auch von Behörden, von einspracheberechtigten Organisationen oder seitens des Denkmalschutzes. Als Gründe werden beispielsweise Ästhetik, Denkmalschutz, Zonenordnung oder das Nichteinhalten der Bauordnung erwähnt.

Fazit

Zur Beschleunigung des Zubaus von Kraftwerken und Anlagen zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien können aus Sicht der befragten Projektanten folgende Faktoren beitragen:

  1. Möglichst einheitliche, einfache, nachvollziehbare und klare Regeln sowie die Koordination und die Konzentration der Bewilligungsverfahren durch die Kantone. Ideal wäre eine einzige Ansprechstelle (Leitbehörde) für das gesamte Verfahren, die dieses aktiv und speditiv abwickelt.
  2. Personelle Engpässe bei kantonalen Fachstellen aufgrund der stark gestiegenen Anzahl der Gesuche sind zu beseitigen. Zudem müssen sich die zuständigen Behörden die notwendigen Fachkompetenzen für neue Technologien möglichst rasch aneignen.
  3. Die Qualität der Projekteingaben muss seitens der Projektanten verbessert werden. Dazu beitragen können klare Regeln und eine einzige, unterstützende Ansprechstelle.
  4. Um die Zahl von Einsprachen oder Beschwerden zu verringern, sollten die Kantone konzentrierte Entscheidungsverfahren einführen. Auf Stufe Bund können entsprechende Gesetzesänderungen sowie Präzisierungen und die Erarbeitung von Mustervorschriften und Qualitätsstandards dazu beitragen. Diese Massnahmen sind Bestandteil des ersten Massnahmenpaketes der Energiestrategie 2050 (siehe Botschaft zur Energiestrategie 2050 vom 4.9.2013).


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