Stärken wir die Widerstandsfähigkeit der Schweiz

Zürich, 19.12.2013 - Referat von Johann N. Schneider-Ammann, Bundesrat, Vorsteher WBF Jubiläumsfeier 150 Jahre Swiss Re Donnerstag, den 19. Dezember 2013 Fraumünster Zürich

Meine Damen und Herren 

Es ist mir eine grosse Freude und Ehre, im Namen der Landesregierung das Wort an Sie richten zu dürfen. Es ist ja wirklich ein ausserordentlicher Geburtstag, den wir hier zusammen feiern können. Wenn ein Unternehmen 150 Jahre alt wird und sich in einem so hervorragenden Zustand befindet wie die SwissRe, dann erfüllt das ganz besonders den Wirtschaftsminister mit Genugtuung und Stolz.

Gerne überbringe ich Ihnen die besten Grüsse und Glückwünsche des Bundesrates. 150 Jahre Schweizerische Rückversicherung, 150 Jahre SwissRe. Das sind, in modern terms, auch 150 Jahre Swissness. Bei Ihnen steht nicht nur Schweiz drauf, da ist auch Schweiz drin. Dabei war der erste Direktor der Schweizerischen Rückversicherung gar kein Schweizer. Giuseppe Besso entstammte jener Familie aus Triest, die auch die Generali Versicherungen leitete. Man holte also schon damals know how von aussen.

Besso hatte zwei Aufgaben: Erstens sollte mit der Schweizer Rückversicherung ein Unternehmen geschaffen werden, das in der Lage war und ist, das Risiko von Erstversicherern breiter zu verteilen. Und zweitens ging es darum, den Abfluss von Kundengeldern ins Ausland zu verhindern, die Versicherung also schweizerisch zu erhalten.  

Damals, Mitte des vorletzten Jahrhunderts, waren bekanntlich nur wenige ausländische Versicherungen in der Lage, Risiken bei grossen Schäden oder grossen Projekten zu decken. Mit der Rückversicherung konnte dann  erstmals eine Schweizer Assekuranz Grossprojekte absichern, nicht nur im Inland  - da stand gerade der Bau des Gotthardtunnels an - sondern auch im Ausland. Die SwissRe ist zwar nicht die älteste Schweizer Privatversicherung, aber sie ist mit Sicherheit die über 150 Jahre erfahrenste international, ja seit Anbeginn  global tätige Assekuranz.

Der Heimat-Umsatz macht heute nur wenige Prozente aus. Trotzdem steht die SwissRe dank gelebten schweizerischen Werten wie Qualität, Verlässlichkeit, Seriosität, Solidität und Effektivität heute auf dem „runner-up"- Platz der Weltrangliste der Rückversicherungen. Eine Leistung, die allerhöchste Anerkennung verdient. Als Versicherer der Versicherer ist die SwissRe gleichermassen Stütze wie Flaggschiff unserer Schweizerischen Versicherungsbranche, einer Branche, die weltweit rund 125 000 Mitarbeitende beschäftigt. Und die etwa 25 Milliarden Franken zu unserem BIP beiträgt. Damit trägt die Versicherungsbranche zusammen mit den Banken über einen Zehntel zu unserer Wirtschaftsleistung bei.

In der instabilen weltwirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre  hat sich ihre Industrie als verlässliche Stütze unserer Volkswirtschaft erwiesen. Zudem, und das ist nicht zu unterschätzen, reicht ihre Ausstrahlung weit über den eigentlichen Versicherungsbereich hinaus: Versicherungen schaffen unter anderem auch Arbeit für IT-Dienstleister, für Revisoren, für Prüfgesellschaften, für Versicherungsmakler - und für Risikoforscher. Schweizerinnen und Schweizer geben jährlich rund siebeneinhalbtausend Franken für Versicherungen aus. Damit sind wir Versicherungsweltmeister. Mit deutlichem Vorsprung auf die Holländer, die Dänen und die Japaner.

Heisst das, dass wir Schweizer ängstlich und übervorsichtig sind? Sind wir sogar Zögerer, Zauderer, entscheidungs- und entschlussunfähig? Sicher, ganz können wir diese Attribute nicht negieren. Und so schlecht sind wir damit definitiv  nicht gefahren. Und wir haben eine andere Seite, das wissen wir. Schauen Sie nur, wo unser Land heute steht. Die Schweiz gehört zu den erfolgreichsten der Welt, in zahlreichen Branchen spielen unsere Unternehmen an der Weltspitze mit.

Der Versicherungsbereich ist nur einer davon. Spitzenplätze erreicht man nicht mit lauwarmem Engagement, schon gar nicht mit Entscheidungsschwäche und Ängstlichkeit. Spitzenplätze erreicht man mit unternehmerischem Mut, mit Engagement und dem Willen, mehr zu leisten als die Konkurrenten. Das Instrument dazu heisst Innovation. Unsere Schweizer Unternehmen sind ausserordentlich innovativ. Beleg dafür sind die verschiedensten Rankings. Versicherungen verschaffen den Unternehmen den nötigen Spielraum, Risiken einzugehen, die sie selber nicht zu tragen in der Lage sind. Risiken, die sich ausbezahlen und Innovationen erfolgreich machen. Henri Ford soll einmal gesagt haben, dass nicht das Auto die grösste Innovation gewesen sei, sondern die Versicherung.

Und ich zitiere Hans Werner Sinn: „Die wahre volkswirtschaftliche Bedeutung des Versicherungswesens liegt neben der Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Sicherheit vor allem in der Erhöhung der Wagnisbereitschaft." Denn, so Sinn, „Das Risiko ist produktiv, weil die Übernahme von Wagnis produktiv ist." „No risk, no fun" - das meinte Sinn damit natürlich nicht.

Eine kluge und seriöse Risikoeinschätzung ist unabdingbare Voraussetzung, um erfolgreich zu sein: Risikomanagement heisst das Stichwort. In dieser Hinsicht stehen Sie als Rückversicherer vor grossen Herausforderungen. Da ist der Klimawandel, welcher neue Gefahren für Mensch und Natur mit sich bringen kann.  „Cathrina" oder „Sandy" stehen für tausendfaches menschliches Leid und Schäden in Milliardenhöhen. Da sind Angriffe auf unsere zunehmend vernetzte und damit auch verletzliche Wirtschaft. Erinnert sei an 9/11. Und da sind neue Anforderungen bezüglich Haftung, da sind neue Regulierungen, da sind höhere Erwartungen von Kunden, Medien und Öffentlichkeit.

Natürlich ist mir klar, dass Ihr Unternehmen sich all diesen Herausforderungen sehr bewusst ist. Denn Sie haben sich von allem Anfang an mit der Frage befasst, wie sich Risiko kalkulieren lässt. Und so leisten Sie enorm viel Hintergrund-Arbeit, um die weitestgefächerten Risiken in den Griff zu bekommen. Dies sowohl im Bereich der Forschung und der Grundlagenarbeit, mit Kongressen und mit Studien. Der Zürcher Lehrstuhl für integrative Risikoforschung ist Zeugnis davon. Und Sie arbeiten seit vielen Jahren erfolgreich mit Politik, Wirtschaft und andern Stakeholdern zusammen.

Der Beispiele gibt es viele. SwissRe gehört zu den ersten Unternehmen, die nicht nur von den Folgen des Klimawandels gewarnt, sondern auch kreative Instrumente zur Risiko-minderung entwickelt haben. Ich denke da an den Problemkreis „Wasser", wo SwissRe schon vor Jahren hochrangige Vertreter von Politik und Wissenschaft hoch über dem Zürichsee miteinander ins Gespräch gebracht hat. Oder ich denke an Mexiko, wo SwissRe zusammen mit Regierung und Weltbank ein Programm zur Risikoverminderung bei Erdbeben und „Hurricans" auf die Beine gestellt hat.

Dieses Programm ist eine eigentliche Pionierleistung. Denn es ist weltweit das erste Mal, dass eine globale Rückversicherung mit lokalen und nationalen Regierungen ein derartiges Programm bestreitet.

Vorsicht im Sinne von Voraussicht ist die eine Grundlage, um Risiken seriös einzuschätzen; Widerstandsfähigkeit ist die andere, die nötig ist, um mit ihnen umgehen zu können. Ich will noch eine dritte grundlegende Voraussetzung nennen. Und die heisst Vertrauen. Vertrauen ist bekanntlich eine zarte Pflanze, die nicht so schnell wieder nachwächst, wenn sie einmal gelitten hat.

Vertrauen kann man nicht kaufen, Vertrauen muss man sich täglich neu erarbeiten. Vertrauen, Verlässlichkeit und die Bereitschaft, Verantwortung wahrzunehmen, die über die eigenen Interessen hinausgeht, haben Ihr Unternehmen stark gemacht. Die genau gleichen Werte, eigentliche Schweizer Qualitätswerte, haben unser Land erfolgreich gemacht. Auf diesen Grundwerten konnte sich ein liberales Wirtschaftssystem entwickeln, das der Gesamtheit unserer Bevölkerung dient, das Wohlstand für alle schafft.

Wo finden Sie ein Land, das praktisch vollbeschäftigt ist? Ein Land, wo praktisch alle Jungen eine Ausbildung geniessen können, die ihnen den Eintritt in ein erfülltes Erwerbsleben ermöglicht? Wo finden wir ein Land, das derart widerstandsfähig auf die Krisen der letzten Jahre reagiert hat?

Meine Ambition als Bildungs- und Wirtschaftsminister ist es, die gesellschaftliche Resilienz, diese gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit auch in Zukunft sicher zu stellen. Zum Wohle der Wirtschaft und zum Wohle der Menschen, die diese Wirtschaft ausmachen. Ich will auch bei jenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die an der positiven Kraft unseres freiheitlichen Systems zweifeln, das Vertrauen in unseren Staat, in seine Wirtschaft und in seine Institutionen wieder stärken.

Wir brauchen nicht neue Regulierungen, weder bei den Löhnen noch bei der Zuwanderung. Neue Regeln machen ein System nur scheinbar widerstandsfähiger. Neue Regeln engen den Spielraum ein und damit die Möglichkeiten, flexibel auf eine sich ständig wandelnde Welt reagieren zu können. Was wir heute und künftig ganz besonders benötigen, ist der verstärkte und gelebte Wille, mit dem Liberalismus weitsichtig und verantwortungsvoll umgehen zu wollen. Den Freiraum zu nutzen! Nicht auszunutzen!

Eine florierende, auf liberale Grundsätze abgestützte, mit Verantwortung gelebte Wirtschaft ist das beste Mittel, damit wir unseren Wohlstand, aber auch unsere Sicherheit, unsere Unabhängigkeit und unsere Freiheit bewahren können. Halten wir also die Gesellschaft offen, auch für neue Entwicklungen, fördern wir Vertrauen in die Institutionen, in die Politik und die Wirtschaft. Einen besseren Beitrag an die Rahmenbedingungen, die ein erfolgreiches Schaffen möglich machen, gibt es kaum.

Mit diesem Geburtstagswunsch schliesse ich.

Ich wünsche Ihnen auch im Namen der Landesregierung eine gute, erfolgreiche und schweizerische Zukunft in der Internationalität. SwissRe verdankt der Schweiz viel, hat Ihr Verwaltungsratspräsident kürzlich gesagt.

Gerne antworte ich darauf: Unser Land kann sich glücklich schätzen, dass ein Unternehmen wie die SwissRe ein Schweizerisches Unternehmen ist. Die Schweiz verdankt der SwissRe viel!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


Es gilt das gesprochene Wort


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