Chasselas, Rekordhalter der genetischen Vielfalt

Pully, 28.11.2014 - Aufgrund der hohen wirtschaftlichen und historischen Bedeutung des Chas-selas verfolgt Agroscope die Biodiversität dieser Rebsorte seit 1923. Bis 2013 konnten dank der Forschungsarbeiten 283 verschiedene Biotypen mit spezifi-schen Eigenschaften identifiziert und konserviert werden. Dieses Kulturerbe erlaubt es, die Vielfalt der Biotypen zu erhalten und die Qualität der Weine zu fördern.

Im Gegensatz zu vielen anderen landwirtschaftlichen Produktionszweigen ist der Rebbau weltweit in erster Linie auf die seit Jahrhunderten bekannten traditionellen Rebsorten in den bewährten Anbaugebieten ausgerichtet. Auch in Schweiz gilt dieser Grundsatz, auch wenn die Entwicklung von neuen Rebsorten hierzulande einen erfreulichen Aufschwung erlebt. Die zahlreichen, traditionell in der Schweiz angebauten Sorten weisen oft eine reiche Vielfalt an Biotypen auf, die durch natürliche Mutationen im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind. Agroscope selektioniert diese bei rund 15 Rebsorten. Beim Chasselas umfasst die Sammlung mehr als 1400 ursprüngliche Biotypen, die im Laufe der Zeit aus alten Parzellen gewonnen werden konnten.  

Gemeinsame Identität mit irreführender Vielfältigkeit
Mit einem einfachen Gentest können die verschiedenen Typen des Chasselas nicht voneinander unterschieden werden. Dies beweist ihre gemeinsame Herkunft. Alle Rebstöcke stammen von ein und derselben Pflanze ab, die vor mehreren Jahrhunderten durch natürliche Kreuzung entstanden ist und seither immer vegetativ vermehrt wurde. Trotz der gemeinsamen Identität hat die Rebsorte Chasselas eine sehr grosse Vielfalt entwickelt. Diese war in unserem Land so stark ausgeprägt, dass die Rebsorte bis ins 19. Jahrhundert nicht unter dem Namen Chasselas bekannt war, sondern unter verschiedenen Bezeichnungen, die an die morphologischen Eigenschaften von gewissen Biotypen erinnern. So sprach man von «Fendant» für die Typen mit fleischigen Beeren im Gegensatz zu «Giclets» dessen saftiges Fruchtfleisch unter Druck herausspritzt. Gleichermassen existierten die «Bois rouges» im Gegensatz zu den «Bois verts» in Analogie zur Färbung der Rebtriebe. «Blanchette» war ein weniger kräftiger Biotyp mit hellen Trieben. Zahlreiche andere Biotypen wurden nach der Färbung der Beeren (grün, gelb, rötlich, rosa, rot, violett), der Form der Blätter (petersilienartig) oder auch der Position der Triebe (aufrecht wachsend) benannt. Andere, manchmal unsichtbare Veränderungen betreffen Eigenschaften wie den Ertrag, die Zusammensetzung des Mostes und des Weins oder auch die Anfälligkeit gegenüber gewissen Krankheiten wie der Traubenfäule. Diese Veränderungen sind die Folge von Mutationen, die nur einen minimalen Teil des Genoms betreffen. Sie sind im Laufe der Zeit zufällig entstanden und blieben dank vegetativer Vermehrung der Weinrebe (Klonen) erhalten.

Erhaltung der Biodiversität des Chasselas
Die Anstrengungen zur Erhaltung der Biodiversität laufen schon seit fast einem Jahrhundert. Agroscope leitet die Arbeiten zusammen mit kantonalen Behörden und im Kanton Wallis mit der Vereinigung der Rebschulisten. Dank der Arbeiten in alten Parzellen konnten Rebstöcke mit spezifischen Eigenschaften gefunden und beschrieben werden. Lagen keine schwerwiegenden Virusinfektionen vor, so konnten diese vermehrt und erhalten werden. Die Sammlung von Agroscope in Pully umfasst alle identifizierten Biotypen und vereint somit die gesamte Vielfalt des Chasselas in der Schweiz. Mit 283 Klonen ist sie die weltweit grösste Referenzsammlung. Auf diese Weise kann die grosse Vielfalt des Chasselas erhalten und für künftige Generationen genutzt werden.

Züchtung und Verbreitung der für den Schweizer Weinbau interessantesten Typen (Klonenselektion)
Die Verbreitung der ersten Klone des Chasselas geht auf die 1940er Jahre zurück. Ziel war es damals, Typen mit regelmässigem Ertrag zu züchten. Aufgrund der Verbesserung der Anbautechniken stellte sich heraus, dass die ersten Klone manchmal zu produktiv waren. In den 1980er Jahren wurde mit Hilfe der Referenzsammlung die Züchtung von neuen Chasselas-Typen mit regelmässigem aber moderatem und qualitativ hochstehendem Ertrag wieder aufgenommen. Dadurch wurde die Verbreitung von 5 neuen Klonen via Schweizer Zertifizierung ermöglicht. Demnächst werden 4 bis 5 zusätzliche Biotypen in die Liste aufgenommen. Damit soll nicht nur die Biodiversität im Anbau, sondern auch die Weinqualität gefördert werden.


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