Mit Innovation und Wettbewerb zu einer guten Wohnsituation

Bern, 12.11.2015 - Rede von Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Grenchen, 12. November 2015

Meine Damen und Herren                  

Ich freue mich sehr, wieder einmal mit Ihnen in Grenchen sein zu dürfen.

Warum bin ich hier?

  • Grenchen ist eine Stadt, die weltweit immer noch bekannt ist für ihre Uhrenindustrie, siehe, siehe Beispiel Breitling. Hauptthema der heutigen Tagung ist Innovation. Innovation ist der Motor dafür, dass letztlich in der Schweiz alle einen Job und damit eine  Perspektive haben.
  • Wir feiern 20 Jahre Grenchner Wohntage und 40 Jahre Bundesamt für Wohnungswesen.
  • Heute ist Nationaler Zukunftstag. Deshalb möchte ich speziell die anwesenden Jugendlichen begrüssen.

Heute erhalten sie Einblicke in die Arbeitswelt und sie machen sich Überlegungen, was sie in Zukunft arbeiten wollen. Neben der Arbeit ist auch das Wohnen ein wichtiger Faktor im Leben jedes einzelnen.

J'en viens au thème principal du séminaire de ce jour. Nous allons discuter des grands défis auxquels sont confrontés le secteur de la construction de logements et celui de l'habitat. Nous allons plus particulièrement examiner le rôle de l'innovation, dont la contribution est précieuse pour relever ces défis.

L'objectif est clair : Nous voulons laisser aux jeunes générations une Suisse dans laquelle la prospérité et la qualité de vie seront élevées.

A ce titre, proposer des logements, des quartiers d'habitation et des villes qui misent sur la qualité, qui répondent aux besoins de chacun et dans lesquels il fait bon vivre, participe de cette ambition.

Die OECD veröffentlichte im Oktober einen Bericht zur Frage „How is life in Switzerland?". Zum Bericht gehört ein Index, der Aussagen macht über die Zufriedenheit und das Wohlbefinden. Es freut mich, einmal mehr feststellen zu dürfen:

Die Schweiz steht sehr gut da.

Bei 9 von elf Indikatoren liegt unser Land zum Teil deutlich über dem Schnitt der 36 OECD-Länder. Zu denken gibt mir aber, dass wir beim Thema Wohnen nur im Durchschnitt liegen.

Seien wir ambitioniert: Unser Ziel muss sein, dass die Schweiz bei allen Wohlfahrts- und Zufriedenheitsindikatoren besser dasteht als die vergleichbaren Länder. Was ist zu tun, damit sich unsere Position verbessert? Handlungsbedarf im Wohnungswesen gibt es v.a. in drei Bereichen:

  •  Die Kosten für das Wohnen sind in der Schweiz generell hoch.
  •  Der Boden wird knapper.
  •  Die Energieeffizienz im Gebäude- und Wohnbereich muss verbessert werden.

Was sind unsere Lösungen?

  • Das beste Rezept gegen hohe Wohnkosten ist der Bau von Wohnungen.

Da sind wir auf einem guten Weg. Wurden vor 15 Jahren weniger als 30‘000 Wohnungen neu gebaut, so sind es heute jährlich 50‘000 Einheiten. Dank der hohen Investitionen hat sich die Preisentwicklung beruhigt. Und in einigen Regionen hat die Zahl der leerstehenden Wohnungen deutlich zugenommen.

Wir dürfen daher davon ausgehen, dass der Immobilienboom der letzten Jahre zu einer sanften Landung kommt.

Diese Entwicklung zeigt: Unser liberaler Wohnungsmarkt ist in der Lage, auf veränderte Bedingungen zu reagieren. Und das ist gut so.

So hat sich beispielsweise der Wohnungsneubau schnell wieder auf Mietwohnungen verlagert, als die Nachfrage nach Wohneigentum zurückging. Für mich ist deshalb klar:

Wir halten am liberalen Prinzip der marktwirtschaftlichen Versorgung mit Wohnraum fest. Ein liberaler Wohnungsmarkt setzt Anreize für Investitionen. Er hat sich bewährt. Aber auch eine Marktwirtschaft braucht Regeln. Dies betrifft besonders das Verhältnis zwischen Vermietern und Mietern. Hier ist unser Prinzip: so wenig wie möglich, so viel wie nötig.

Faire Marktteilnehmer auf beiden Seiten helfen, die staatlichen Eingriffe auf das Minimum zu beschränken. Damit Sie mich richtig verstehen: Wenn ich von privatwirtschaftlicher Wohnungsversorgung spreche, dann gehören für mich auch die gemeinnützigen Bauträger dazu.

Denn mit ihrem preisgünstigen Angebot tragen sie dazu bei, dass auch wirtschaftlich Schwächere Wohnraum finden - und damit gerade in Städten mit hohem Preisniveau die gesellschaftliche Vielfalt gewahrt bleibt. Der Bund unterstützt dies mit Finanzierungshilfen.

Hinzu kommt: Es sind vor allem auch gemeinnützige Wohnbauträger, die auf dem Wohnungsmarkt mit neuartigen Angeboten Zeichen setzen. Dies treibt den Wettbewerb an und verbessert das Angebot in allen Preislagen.

Ich weiss, dass in den letzten Jahren aufgrund der Knappheit praktisch alle Wohnungen ungeachtet ihrer Qualität vermietet oder verkauft werden konnten. Der Markt hat schlechte Angebote praktisch nie bestraft.

Mit der steigenden Zahl an leerstehenden Wohnungen nehmen aber die Wahlmöglichkeiten der Wohnungssuchenden zu. Und dies bedeutet: Am Markt sind mehr und mehr jene Investoren erfolgreich, die innovative „Wohnprodukte" anbieten. Ich möchte deshalb die Architektinnen und Architekten wie auch die Investoren ermuntern: Verlassen Sie die vertrauten Wege! Experimentieren Sie mit neuen Bau- und Wohnformen, mit neuen Technologien und mit neuen Vermietungs- oder Eigentumsmodellen.

  • Zum Thema des knapper werdenden Bodens:

Früher konnte die Bautätigkeit auf der grünen Wiese stattfinden. Jetzt haben sich die Zeiten geändert. Verschiedene Abstimmungen zeigen: Die Bevölkerung will, dass unsere schöne Schweizer Landschaft erhalten bleibt. Und als Landwirtschaftsminister ist es mir ein wichtiges Anliegen, dass wir ausreichend über Kulturland verfügen. Mit andern Worten:

Beim Bauen ist Verdichtung angesagt.

Der Bund hat mit der Revision des Raumplanungsrechts die Weichen für die nötige Siedlungsentwicklung nach innen gestellt. Jetzt liegt der Ball bei den Kantonen und Gemeinden für die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Gefordert sind aber auch die Planungsfachleute und die Investoren. Wir brauchen kompakte Siedlungen mit einem vielfältigen Wohnungsangebot, das den unterschiedlichen Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten der Bewohner entspricht. Gleichzeitig braucht es qualitativ hochwertige Frei- und Aussenräume. Nur dann ist die Verdichtung sinnvoll und eine Chance, die bereits gute Wohnqualität noch zu verbessern.

Und nur dann wird die Verdichtung von der Bevölkerung auch akzeptiert. Damit öffnet sich nicht nur ein breites Feld für gestalterische und bauliche Innovationen. Gefordert sind auch Änderungen bei den Planungs- und Baugesetzen. Diese müssen Innovationen nicht behindern, sondern befördern. Sie müssen Ersatzneubauten, das Schliessen von Baulücken und Aufstockungen erleichtern.

Und wenn man dann schon an rechtlichen Anpassungen ist: Es ist zentral und mir ein grosses persönliches Anliegen, das für das Bauwesen typisch gewordene Arsenal von Vorschriften und Normen auszumisten. Wo immer möglich soll  die administrative Belastung reduziert werden. Damit wird das Bauen günstiger, die Wohnkosten sinken.

Ich komme zum dritten Thema, wo Handlungsbedarf herrscht: Die klima- und energiepolitischen Ziele des BR machen es nötig, dass die Energieeffizienz im Gebäude- und Wohnbereich verbessert wird und vermehrt nichtfossile Energieträger zum Einsatz kommen.

Es braucht deshalb mehr energetische Sanierungen von Gebäuden. Und es braucht innovative, aber auch bezahlbare Lösungen für die Sanierungen. Um hier einen Schritt vorwärts zu kommen, finanziert der Bund über die KTI Kompetenzzentren für die Energieforschung.

Ein Schwerpunkt betrifft die Energieeffizienz von Gebäuden und Quartieren. Ich will hier nicht in die Details gehen. Herr Richner von der EMPA wird später in seinem Beitrag über nachhaltige Bau- und Energietechnologien sprechen.

Ich bin aber überzeugt: Bei den Systemen zur Dämmung von Gebäudehüllen gibt es noch viel Innovationspotenzial. Und das Gleiche gilt für den Einsatz der neuen Technologien. Mit intelligenten und alltagstauglichen Systeme können Gebäude energetisch optimal betrieben werden.

Und mit der Vernetzung von Gebäuden kann zusätzlich Energie eingespart werden. Die Entwicklung von neuen Lösungen macht jedoch nur Sinn, wenn sie später auch umgesetzt werden. Ich möchte Sie deshalb auch hier aufrufen: Bleiben Sie offen für Neuerungen, wagen Sie die Umsetzung!

Mit dem überarbeiteten Wohnungs-Bewertungs-System steht eine Grundlage zur Verfügung, die sich für die sachliche Auseinandersetzung mit den anstehenden Herausforderungen bestens eignet. Darüber hinaus braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen Forschung, Wirtschaft und Politik.

Und wichtig ist der Austausch zwischen dem Bund, den Kantonen und Städten, wie er momentan im wohnungspolitischen Dialog gepflegt wird. Wir müssen uns gemeinsam für eine gute Wohnungsversorgung und für Siedlungen von hoher Qualität einsetzen. Dies ist nicht nur wichtig für das Wohlergehen der Menschen in unserem Land.

Lassen Sie mich noch etwas Grundsätzliches sagen als Wirtschaftsminister: Neben einer drohenden Deindustrialisierung bereitet mir nach wie vor die Frankenstärke Sorge: ich bin überzeugt, dass die Schweiz stark genug ist, um die aktuellen Schwierigkeiten zu überwinden und die Beschäftigung in unserem Land zu erhalten.

Denn gerade am Zukunftstag möchte ich einmal mehr betonen: Es ist mir wichtig, dass alle in unserem Land eine Perspektive haben. Zuvorderst steht Beschäftigung. Jobs bedeuten Einkommen, und Einkommen muss bedeuten, dass die Mittel vorhanden sind, um das eigene Leben selbstverantwortlich gestalten zu können, nicht zuletzt beim Wohnen.

Ich danke Ihnen für den Beitrag, den Sie dafür leisten, und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Tagung.

 

Es gilt das gesprochene Wort


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