Das Haus Schweiz vor neuen Herausforderungen im Bereich der Sicherheit

Bern, 24.06.2016 - Rede von Herrn Bundesrat Guy Parmelin, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) anlässlich der Delegiertenversammlung 2016 des Hauseigentümerverbands in Arbon vom Freitag, 24. Juni 2016

Es gilt das gesprochene Wort  

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrter Herr Direktor,
sehr geehrte Delegierte,
liebe Gäste

Zuerst möchte ich Ihnen herzlich für die Einladung in den Kanton Thurgau danken. Dieser ist, so will es die Geschichte, der Eidgenossenschaft im gleichen Jahr beigetreten wie mein Kanton, der Kanton Waadt. Es freut mich darum gleich doppelt, Ihnen die Grüsse des Schweizerischen Bundesrats als Waadtländer zu überbringen.

Sie haben mir für meine Rede «Carte blanche» erteilt. Es ist mir bewusst, dass ich hier vor der wichtigsten Versammlung von Eigentümerinnen und Eigentümern in diesem Land stehe. Was liegt also näher, als von einem Haus zu sprechen, von einem besonderen Haus, einem Haus nämlich, das uns allen besonders am Herzen liegt. Die Integrität, die Souveränität und die Freiheit, die dieses Haus seinen Bewohnerinnen und Bewohnern bietet, sind uns lieb und teuer. Das Haus, das ich meine, ist unser Land: die Schweiz.

Lors de la campagne sur le fonds d’acquisition de l’avion de combat Gripen, mon prédécesseur à la tête du département de la défense s’était muni d’un chalet miniature pour illustrer la nécessité de disposer d’une force aérienne solide, moderne, et partant, crédible. Ainsi en va-t-il d’un pays qui se veut apte à protéger les trois valeurs que j’évoquais à l’instant. Vous me permettrez dès lors de consacrer mon propos à ce volet spécifique de notre politique fédérale.

Es gab eine Zeit, in der das Verteidigungsdepartement, wenn nicht für jedes neu gewählte Regierungsmitglied, so zumindest für jedes neu gewählte Regierungsmitglied aus dem Kanton Waadt zur Pflicht gehörte. Ich bilde hier keine Ausnahme, wenn auch in einer Zeit, in der dieser Bereich mehr umfasst denn je. Der Grund dafür liegt darin, dass die Bedrohung vielschichtig und gleichzeitig diffus geworden ist, während sie früher einheitlich und klar identifizierbar war. Die Folge davon ist eine auch politisch äusserst komplexe Situation, nimmt doch jede und jeder die Bedrohung anders wahr und setzt die Prioritäten anders.

Die Armee ist zwar immer noch das wichtigste Instrument zur Verteidigung unseres Landes. Verteidigt wird aber längst nicht mehr nur mit Kanonen. Vielmehr geht es bei der Verteidigung darum, Gefahren vorzubeugen, Informationen zu beschaffen, dem Terrorismus die Stirn zu bieten und die Integrität unserer Informationssysteme wirksam zu schützen, während es gleichzeitig immer häufiger zu Cyberattacken kommt. Apropos Cyberattacken: Man schätzt, dass während des letzten Jahres weltweit fast eine Million schädlicher Software-Programme entwickelt wurden, und zwar täglich! Das Departement, dem vorzustehen ich die Ehre habe, führt mit modernen Mitteln einen harten Kampf gegen dieses Phänomen, das in den Bereichen Wirtschaft und Sicherheit einen Schaden in Milliardenhöhe verursacht. Dabei müssen wir uns bewusst sein, dass wir nur dann etwas erreichen, wenn wir international und bereichsübergreifend zusammenarbeiten. Dafür setzen wir uns aktiv ein.

Aujourd’hui, précisément, défendre un pays, c’est faire œuvre de coopération à tous les niveaux ; défendre un pays, c’est se tenir prêt à tout instant à venir en appui aux acteurs civils dans l’hypothèse d’une catastrophe naturelle, d’arrivées massives aux frontières ou d’assistance requise lors d’une conférence internationale telle que le WEF.

Wie man sieht, hat der Begriff der Verteidigung heute mehrere Bedeutungen. Je nachdem werden andere Kompetenzen verlangt; in den allermeisten Fällen sind Spezialwissen oder  besondere Fähigkeiten gefragt, um die Herausforderungen, die weit über den rein militärischen Rahmen hinausgehen, zu meistern. Gleichzeitig werden die Bundesfinanzen einer strengen Abmagerungskur unterzogen. Kurz: Wir müssen – ganz im Sinne gewisser Finanzminister – mit weniger Mitteln mehr leisten.

Die Verteidigung des Hauses Schweiz muss – auch wenn die Anhängerinnen und Anhänger einer konventionellen Armee dies nicht gerne hören – sowohl in qualitativer wie auch in quantitativer Hinsicht justiert werden.

C’est tout le sens du processus de développement de l’armée – abrégé DEVA – qui vise à améliorer encore la formation du personnel militaire, la qualité de son équipement, sa rapidité d’engagement, et à consolider son assise régionale, le tout dans un esprit de polyvalence, et de synergie avec le monde civil dont elle demeure l’émanation.

Dass dies gelingt, ist mir persönlich ein grosses Anliegen. Unser Milizsystem hat gezeigt, dass es funktioniert, und die Verteidigung unseres Landes soll ein Gemeinschaftswerk bleiben. Übrigens interessieren sich auch zahlreiche andere Verteidigungsminister für das System des Milizsoldaten, und zwar nicht, weil es so aussergewöhnlich wäre, sondern weil es dazu beiträgt, dass sich die Bürger dieses Landes, unabhängig vom Alter, vom Beruf, von der Herkunft oder der sozialen Stellung einem gemeinsamen Ziel verschreiben. Der Grundsatz der Militärdienstpflicht geht einher mit einem hohen Engagement zugunsten des Vaterlands. Dieses Engagement bildet sozusagen das Rückgrat des Systems. Und nur auf dieser Grundlage ist der Zusammenhalt gewährleistet.

Dies gilt umso mehr zu Beginn einer Reform, die die Armee auf 100 000 Mann reduziert, um die Ausbildung und das Engagement der Truppe zu verbessern. Dank den neuen Rahmenbedingungen wird die Armee nicht nur in ihrer Multifunktionalität gestärkt, sondern sie ist auch rascher einsatzbereit. Sie wird somit in der Lage sein, die eben erwähnten Gefahren in all ihren Facetten wirksam zu bekämpfen.

L’immobilier militaire s’apprête lui aussi, dans ce contexte, à vivre une réforme importante. La valeur de reproduction de ce parc est estimée à 23 milliards de francs. Il est prévu de le réduire de 4 milliards de francs d’ici 2025 en raison de la diminution des effectifs dans le cadre de DEVA et des contraintes budgétaires qui s’imposent à l’armée aussi. Pour atteindre cet objectif, il nous faudra fermer 5 places d’armes, 2 bases aériennes et celle de Dübendorf partiellement, 130 places de tir et d’exercice ainsi que de nombreux ouvrages de défense.

Die meisten Gebäude, die sich im Eigentum der Armee befinden, stehen ausserhalb der Bauzone. Ausserdem wurden sie spezifisch für den militärischen Gebrauch konzipiert. Einige davon können umgenutzt und zivilen Zwecken zugeführt oder über die Vergabe im Baurecht Dritten zur Verfügung gestellt werden. Den Kantonen und Gemeinden wird dabei das Vorkaufsrecht gewährt.

In einigen Tagen wissen wir, ob das Referendum gegen die WEA zustande kommt. Falls über die WEA abgestimmt wird, bestimmt das Volk, welches Modell zur Verteidigung des Hauses Schweiz ihm am geeignetsten scheint. Bei einem Ja zur WEA wird die Reform umgesetzt, sodass die neue Armee im Jahr 2021 steht. So viel zur Arbeit, die uns bis dann erwartet.

De retour de deux déplacements à l’étranger, j’ai pu mesurer, aussi bien en France qu’en Asie du Sud-est, à quel point doit être juste la balance entre moyens conventionnels de défense – par quoi j’entends la capacité de réaction d’un Etat – et intelligence stratégique, c’est-à-dire sa capacité d’anticipation des dangers. Notre pays est conscient de la nécessité de cette approche et il y engagera des moyens adaptés.

Aus diesem Grund beurteilen wir einerseits mit kritischem Blick unseren Bedarf im Bereich der Luftabwehr, wobei ein Auge auf den Kalender gerichtet ist, damit es in der Schlagkraft unserer Armee keine Unterbrüche gibt und im Dach des Hauses Schweiz keine Löcher entstehen. Die Sache eilt, aber gleichzeitig dürfen wir nichts überstürzen. Die Beschaffung von Rüstungsgütern ist komplex und das finanzielle Risiko ist hoch. Die Situation will darum gründlich und systematisch untersucht sein.

Dies ist aber auch der Grund, warum wir andererseits grossen Wert auf die Informationsbeschaffung legen. Diese Aufgabe ist nicht nur strategisch wichtig, sondern auch grundlegend für unsere Sicherheit im Alltag. Unsere westlichen Gesellschaften werden seit Kurzem immer wieder von terroristisch motivierten Anschlägen erschüttert, die an Brutalität kaum zu übertreffen sind. Neu daran ist aber nicht nur das Ausmass, sondern auch der Überraschungseffekt. Darauf möchte ich kurz näher eingehen. Was überraschend geschieht, entzieht sich den üblichen Beobachtungsmethoden und Präventionsmassnahmen, auf die wir bisher gesetzt haben. Unsere herkömmlichen Methoden und Massnahmen sind wenig proaktiv ausgerichtet und basieren auf einer Gesetzgebung, die neuen Formen des Extremismus und der Ausübung von Gewalt nicht gerecht wird. Mit anderen Worten: Die Methoden sind veraltet.

Soyons clairs : nous ne pourrons jamais vivre dans une société totalement aseptisée. Aussi ne pourrons-nous jamais empêcher que certains veuillent porter atteinte à cette même société pour des motifs sociaux, religieux ou idéologiques. En revanche, le devoir des pouvoirs publics est de se donner les moyens d’anticiper au mieux ces phénomènes, et cela dans le respect des libertés individuelles auxquelles nous sommes toutes et tous légitimement attachés.

Alvin Toffler, ein bekannter amerikanischer Zukunftsforscher, hat richtig gesagt: «Wissen ist heute der Hauptantrieb der Destruktivität, aber auch der Hauptantrieb der Produktivität.» Im Zentrum unserer Verteidigungsstrategie steht somit die Notwendigkeit, zu wissen, sich zu informieren, vorauszublicken, vorzubeugen. Das Ziel besteht dabei nicht darin, irgendeine Überlegenheit zu zementieren, sondern den Fortbestand, die Lebendigkeit und eben – im weitesten Sinn – die Produktivität unserer Institutionen, unserer Wirtschaft, unserer Schulen und unserer Industrie zu sichern. Der Nachrichtendienst betrifft darum alle, und es ist in unserem Interesse, einen qualitativ hochstehenden Nachrichtendienst zu betreiben, der über die nötigen Mittel verfügt.

Im Bewusstsein um die Bedeutung der Sicherheit haben der Bundesrat und das Parlament das neue Nachrichtendienstgesetz verabschiedet. Das Volk wird Ende September darüber befinden. Wie auch immer die Abstimmung ausgeht – man kann, ja man muss sich meiner Meinung nach heute schon klar zur Frage der Verhältnismässigkeit äussern. Sicherheit und individuelle Freiheit werden im neuen Gesetz, über das wir abzustimmen haben, angemessen berücksichtigt. Wir müssen das nötige Rüstzeug haben, um Spionage, Terrorismus und Cyberkriminalität an der Wurzel zu bekämpfen, also dort, wo das Übel entsteht. Wir brauchen zweckmässige Instrumente, um die Täter demaskieren und die dunklen Bereiche, in denen sie wirken, aufdecken zu können.

Cependant, l’arbitraire devant être combattu et les libertés individuelles préservées en toutes circonstances, nous devons agir de façon ciblée, dans un cadre légal strict et sous la surveillance des institutions supérieures de notre pays. La nouvelle loi sur le renseignement répond pleinement à l’ensemble de ces contraintes tout en nous garantissant un surplus substantiel de sécurité. Nous aurons l’occasion de le redire tout au long de la campagne qui commence ces jours.

Liebe Delegierte

Sie werden mir bestimmt beipflichten, wenn ich feststelle, dass sich die Gefahrenkarte ausdehnt. Es liegt mir fern, den Teufel an die Wand zu malen, genauso wie es mir fern liegt, die Dinge schönzureden. Es ist aber meine Pflicht, die Dinge beim Namen zu nennen. Die Sicherheitsbilanz unseres Landes kann als gut bezeichnet werden, das stimmt. Damit es aber auch so bleibt, müssen wir uns auf Werte wie Mut und Weitsicht besinnen. Einer kürzlich publizierten Studie der ETH Zürich mit dem Titel «Sicherheit 2015» zufolge fühlt sich die Schweizer Bevölkerung insgesamt sicher. Diese Wahrnehmung ist durchaus gerechtfertigt. Aber: Die Schweizer Bevölkerung legt grossen Wert darauf, dass die kantonalen und eidgenössischen Behörden auch in Zukunft wachsam sind.

Das werden wir sein! Denn nur so bleibt unser Haus gastfreundlich, lebendig und sicher.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


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