PCB in Fischen: Erste Sitzung der Arbeitsgruppe in Bern

Bern, 02.04.2008 - In Fischen aus der Saane, die in der Nähe der Deponie La Pila gefangen wurden, sowie der Birs im Kanton Jura wurden erhöhte PCB-Konzentrationen festgestellt. Eine daraufhin aus Fachleuten von Bund, Kantonen und Interessenverbänden gebildete Arbeitsgruppe traf sich am 1. April 2008 zu einer Startsitzung in Bern. Sie soll als erstes eine Übersicht über die Lage in der Schweiz gewinnen.

Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind giftige chemische Substanzen, die in der Schweiz bis zu ihrem Totalverbot im Jahr 1986 für zahlreiche industrielle Zwecke eingesetzt wurden. Sie sind schwer abbaubar und sammeln sich in der Umwelt sowie in der Nahrungskette an, da sie gut fettlöslich sind. Dank der Massnahmen, die seit den Siebzigerjahren getroffen wurden, ist die PCB-Belastung in Umwelt und Lebensmitteln sowie im menschlichen Körper deutlich zurückgegangen (siehe Kasten 1).

Dennoch wurden im August 2007 in Sedimenten und Fischen der Saane in der Nähe und unterhalb der Deponie La Pila und im Februar 2008 in der Birs PCB-Kontaminationen festgestellt. Es handelt sich dabei um sogenannte coplanare (cPCB) oder dioxinähnliche PCB. Diese PCB-Gruppe wirkt sich ähnlich auf die Gesundheit aus wie Dioxine. Auch bei Saiblingen im Genfersee wurden kürzlich zu hohe cPCB-Konzentrationen gemessen (siehe Kasten 2).

Auf Antrag des Kantons Freiburg hat das Bundesamt für Umwelt (BAFU) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Darin vertreten sind die kantonalen Fachstellen für Umweltschutz, Fischerei und Kantonslaboratorien von sieben Kantonen (BE, BL, FR, GE, JU, TI, VD), der Schweizerische Fischerei-Verband sowie die Forschungsanstalt EMPA.

Im Rahmen einer ersten Sitzung in Bern am 1. April 2008 verabschiedete die Arbeitsgruppe das vom Bund vorgeschlagene Programm. In einem ersten Schritt geht es darum, Daten für eine Übersicht zusammenzutragen. Anschliessend werden die Ursachen für die Kontamination geklärt und allfällige Massnahmen vorgeschlagen (siehe Kasten 3).

Die Fachleute haben auch die zur Verfügung stehenden Daten zur Kenntnis genommen. Messungen der Kantone und der EMPA im Auftrag des Bundes an Fischen in Flüssen, Seen und Bergseen ergaben, dass eine Grundverschmutzung besteht. Diese liegt jedoch weit unter der europäischen Norm. Hingegen ist die Verschmutzung in gewissen Teilstücken von Flüssen sowie bei bestimmten Fischarten stärker, wie die Werte zeigten, die in den Kantonen Freiburg (Saane und Glane sowie der untere Teil der Ärgera), Bern (Saane bis zur Einmündung in die Aare und von dort bis zum Bielersee) und Jura (Birs) sowie im Genfersee (Saibling) gemessen wurden

Aufgrund der gemessenen Werte, die den EU-Grenzwert (8 Picogramm pro Gramm Frischgewicht für die Summengehalte von Dioxinen und cPCB) beträchtlich überstiegen, haben die Kantone Freiburg und Jura gezielte Fischereiverbote ausgesprochen. Der Kanton Bern, in dem tiefere Werte gemessen wurden als im restlichen betroffenen Gewässernetz, hat empfohlen, auf den Fang von anfälligen Arten zu verzichten.

In den nächsten Monaten werden die ersten vorliegenden Daten werden durch zusätzliche Untersuchungen ergänzt. Insbesondere werden mögliche Verschmutzungsquellen.in der Nähe des Wasserlaufs untersucht. Das Ziel ist, in der zweiten Jahreshälfte 2008 einen Überblick der Lage zu haben.

Die Teilnehmenden sind sich einig, dass die Massnahmen zur Fischerei auf nationaler Ebene koordiniert werden müssen, sobald in Fischen in Gewässern, die zu mehreren Kantonen gehören, zu hohe PCB-Werte gemessen werden. Eine Untergruppe wurde damit beauftragt, Empfehlungen für einheitliche Vorgehensweisen zu erarbeiten, Die Fachleute befürworten zudem eine rasche Einführung von Grenzwerten für Nahrungsmittel analog der europäischen Norm.

Keine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit

Ein leichtes Übersteigen des EU-Grenzwertes bedeutet nicht, dass ein entsprechender Fisch beim Verzehr eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit darstellt. Aufgrund von Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Europäische Union eine wöchentlich Höchstdosis von Dioxinen und cPCB bestimmt, die in toxikologischer Hinsicht tolerierbar ist. Weiter hat sie für verschiedene Lebensmittel - zum Beispiel Fleisch, Eier und Fisch - Höchstwerte festgelegt, um die Grundverschmutzung mit Dioxinen und dioxin-ähnlichen PCB einzuschränken. Die Behörden sind dazu angehalten, entsprechende Massnahmen zu treffen, damit die toxische Gesamtbelastung der Konsumentinnen und Konsumenten verringert wird.

 

KASTEN 1
PCB-Verschmutzung deutlich zurückgegangen

Die Verschmutzung mit polychlorierten Biphenylen (PCB) in der Umwelt, in Lebensmitteln sowie im menschlichen Körper sind deutlich zurückgegangen. Diese giftigen chemischen Substanzen wurden bis zu ihrem Totalverbot im Jahr 1986 für zahlreiche technische Zwecke eingesetzt.

Die Konzentrationen sind aber immer noch zu hoch. Um die Verschmutzungen einzuschränken, setzt der Bund bei den noch verbleibenden Quellen auf drei Ebenen an:

  • Fachgerechte Behandlung und Entsorgung von Elektrogeräten und -anlagen sowie Fugendichtungsmassen in der Schweiz
  • Identifizierung und Eliminierung zusätzlicher Punktquellen und insbesondere der Altlasten
  • Verringerung der grenzüberschreitenden Verbreitung im Rahmen der Stockholm-Konvention über die persistenten organischen Schadstoffe.

 

KASTEN 2
Handel von Saiblingen aus französischen Gewässern des Genfersees verboten

Aufgrund der in der Schweiz und im französischen Teil der Rhone festgestellten PCB-Kontaminationen wurden von der Internationalen Kommission zum Schutz des Genfersees (CIPEL) verschiedene Fischarten im Genfersee untersucht. Die Kommission besteht aus Vertretern aller Regionen des Einzugsgebietes des Genfersees. Dazu gehören der französische Staat, französische Departemente und Regionen, die Kantone Genf, Waadt und Wallis sowie das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten.

Die Untersuchungen ergaben bei einem von fünf Saiblingen PCB-Werte, die über dem EU-Grenzwert liegen. Deshalb hat der Präfekt des an das Genferseegebiet angrenzenden französischen Departements Hochsavoyen am 2. April 2008 den Handel und Konsum von Saiblingen verboten. Bei den übrigen analysierten Arten - Felche, Barsch und Trüsche - lagen die Werte unter dem EU-Grenzwert.

In Frankreich hat der Staat die Pflicht, Massnahmen zu ergreifen, sobald Werte gemessen werden, die über dem EU-Grenzwert liegen. In der Folge wurde für den Saibling ein Verbot für Konsum und Handel ausgesprochen.

In der Schweiz, liegt die Entscheidkompetenz auf Kantonsstufe; im Fall des Genfersees bei Genf, Waadt und Wallis. In Absprache mit dem Bundesamt für Umwelt werden die drei Kantone weitere Abklärungen und Untersuchen vornehmen um allenfalls gezielte Massnahmen zu ergreifen. Dieses Vorgehen wurde von der Arbeitsgruppe „PCB in Gewässern und Fischen" am 1. April 2008 in Bern (siehe Haupttext) gutgeheissen. In der Schweiz gilt der EU-Grenzwert zurzeit nicht.

 

KASTEN 3
Ein Arbeitsprogramm in drei Phasen

Die Arbeitsgruppe „PCB in Gewässern und Fischen" traf sich am 1. April 2008 zu einer Startsitzung. Sie verabschiedete ein Arbeitsprogramm in drei Phasen:

Phase I: Übersicht gewinnen

Am Ausgangspunkt der Arbeit stellen sich folgende Fragen:

  • Stellt die PCB-Kontamination gewisser Fische in der Saane (Kantone Freiburg und Bern) und der Birs (Kanton Jura) Einzelfälle dar oder ist mit weiteren Fällen von punktuell oder regional erhöhten Belastungen zu rechnen?
  • Wie sieht die Lage im Vergleich zu anderen europäischen Ländern aus?
  • Wie hoch ist die Hintergrundbelastung der Fischfauna mit PCB beziehungsweise dioxin-ähnlichen PCB (dI-PCB) in der Schweiz?
  • Wie sollen sich die Kantone bei deutlich erhöhten Belastungen von Fischen mit PCB verhalten (Fischereiverbote)?
  • Sind Fische oder andere Organismen in der Nahrungskette infolge der heute vorhandenen Belastungen gefährdet oder nicht?
  • Welches sind historische und aktuelle Punktquellen von PCB-Emissionen in der Umwelt?

Phase II: Ursache klären

Falls sich nach Abschluss der Phase I klare Indizien für weitere relevante Punktquellen ergeben, hat die Arbeitsgruppe folgenden Auftrag: 

  • Sie vertieft die Kenntnisse über das Ausmass lokaler beziehungsweise regionaler hoher Belastungen mit dI-PCB und PCDD/F in Gewässern (Fische, Sedimente).
  • Sie plant und führt gezielte Messungen von dI-PCB und PCDD/F in der Umgebung von Punktquellen durch.
  • Sie bestimmt den Handlungsbedarf sowie geeignete Massnahmen für eine Senkung der dI-PCB- und/oder PCDD/F-Emissionen aus Altlasten.
  • Sie erstellt einen Zeitplan zur systematischen Untersuchung, Überwachung und Sanierung von Altlasten und legt entsprechende Prioritäten fest.

Phase III: Risiko reduzieren

Falls nach Abschluss der Phase II ein Bedarf nach einer weiteren Risikoreduktion bestehen sollte, sind folgende Massnahmen vorgesehen:

Umweltseitige Massnahmen:

Ziel: Reduktion des Eintrags von PCB in die Umwelt

  • systematische Altlastensanierung
  • Erarbeitung spezifischer Massnahmen für die Beseitigung anderer Punktquellen
  • Planung und Durchführung von Massnahmen zur Erfolgskontrolle

Lebensmittelseitige Massnahmen

Ziel: Reduktion der täglichen Aufnahme von PCB via Lebensmittel

  • Fischereiverbot („Nutzungsverbot")
  • Einschränkung des Inverkehrbringens von belasteten Fischen usw.
  • Planung und Durchführung von Massnahmen zur Erfolgskontrolle


Adresse für Rückfragen

Hans-Peter Fahrni, Leiter der Abteilung Abfall und Rohstoffe, BAFU, 031 031 322 93 28



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Bundesamt für Umwelt BAFU
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