Breitenhof-Tagung 2008

Breitenhof BL, 01.06.2008 - Innovationen rund um Kirschen und Zwetschgen locken die Steinobst-Fachleute an die diesjährige Breitenhoftagung am Sonntag, 1. Juni. Im idyllisch gelegenen Versuchsbetrieb der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW erhalten sie einen Ausblick auf die diesjährige Steinobsternte und Informationen über neue, ertragssichere Kirschensorten, die Pflanzenkrankheit Sharka und Pflanzenschutz-Strategien im Hinblick auf Mehrfachrückstände.

Neue, ertragssichere Kirschensorten der mittleren Reifezeit

Die Qualitätskirschensorten Techlovan und Kordia erzielen an kälteren Standorten in der Schweiz nur unbefriedigende Erträge. Deshalb haben Experten der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW am Steinobstzentrum Breitenhof neue Kirschensorten aus Nordamerika und Europa auf ihre Anbaueignung in der Schweiz geprüft. Gefunden wurden drei neue, ertragssichere Sorten der mittleren Reifezeit für kältere Schweizer Standorte: Christiana, Vanda und Somerset.

Die Standardsorten Techlovan und Kordia haben in den letzten Jahren an manchen Standorten in der Schweiz nur unbefriedigende Erträge erzielt. Grund dafür ist deren Frost- und Kälteempfindlichkeit vor und während der Blütezeit. Wünschenswert für diese Standorte sind alternative, ertragssichere Sorten.

Daher testeten die Sortenprüfer der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW in den vergangenen acht Jahren am Steinobstzentrum Breitenhof das Potenzial von über hundert Kirschen-Neuheiten für Schweizer Anbauverhältnisse. Die neuen Sorten stammen unter anderem aus Kanada, USA, Tschechien, Italien, Frankreich und Ungarn. Neben der Ertragsleistung, der Fruchtqualität und der Reifezeit war die klimatische Eignung von grösster Bedeutung.

Neue Sorten mit sehr hohen Erträgen

In den Versuchen von ACW wurden die Erträge der Jahre 2003 bis 2007 zusammengezählt. Die Standardsorten Techlovan und Kordia sind mit 100 bzw. 120 kg/Baum weniger ertragreich als die neuen Sorten Vanda, Christiana, Hartland und Somerset. Vanda kann mit 135 kg/Baum überzeugen. Die höchsten Erträge erzielten Christiana, Hartland und Somerset - mit über 150 kg/Baum.

Anders bei der Fruchtgrösse: Hier sind Christiana und Hartland im Vergleich zu den Standardsorten deutlich schwächer. Techlovan und Kordia weisen fast ausschliesslich Früchte mit einem Durchmesser von 24 mm und mehr auf, dabei besteht ein sehr hoher Anteil aus Früchten mit Durchmessern ab 28 mm (Klasse Premium). Dieser Umstand kann die Defizite im Gesamtertrag bei den Standardsorten teilweise ausgleichen. Einzig Somerset erzielt trotz seiner hohen Erträge sehr gute Fruchtgrössen.

Bei der Festigkeit können vor allem Somerset und Kordia überzeugen. Am aromatischsten zeigt sich neben Techlovan und Kordia die Sorte Somerset. Die optische Attraktivität der Standardsorten Techlovan und Kordia ist für die anderen Sorten unerreichbar.

Sehr gute Alternativen für kältere Standorte

Insgesamt sind die neuen Sorten sehr ertragreich und nicht krankheitsanfällig. Zudem erzielen sie gute bis sehr gute Fruchtgrössen. An die Fruchtqualitäten und das ausgezeichnete Aroma einer Kordia oder Techlovan kommen sie jedoch nur teilweise heran. Aber an kälteren Standorten, an denen Kordia und vor allem Techlovan zu Ertragseinbussen tendieren, sind die neuen Sorten Christiana, Vanda und Somerset eine gute Alternative zu den Standardsorten.

 

Sharka früh erkennen - Anlagen gesund erhalten

Die Viruskrankheit Sharka verursacht grosse Ernteausfälle bei Zwetschgen, Pflaumen, Aprikosen und Pfirsichen - sie macht die Früchte ungeniessbar. Die Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, die kantonalen Fachstellen für Obst und die Produzenten setzen alles daran, dass die Schweiz wieder frei von Sharka wird. Nebst Kulturpflanzen kann die Viruskrankheit Zier- und Wildsträucher der Gattung Prunus befallen. In den Siebzigerjahren galt sie als ausgerottet, seit 2004 ist Sharka in der Schweiz wieder nachweisbar.

Dank der Ausrottungskampagnen in den Siebzigerjahren galt die Schweiz lange Jahre als frei von der Steinobstkrankheit Sharka. Dies ist in Europa heute nur noch für Belgien, Dänemark, Estland und Schweden der Fall. 2004 haben Fachleute der
Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW die kantonalen Fachstellen für Obst und die Produzenten zu vermehrten Kontrollen aufgerufen. So hat man das Wiederauftauchen von Sharka in der Schweiz festgestellt - in Zwetschgen-, Susinen- (Japanische Pflaumen) und Aprikosenanlagen. In den befallenen Anlagen wurde das Pflanzmaterial importiert.

Seit 2005 gilt in der Schweiz folgender Sharka-Status: Einige Anlagen sind betroffen, dort wird Sharka kontrolliert und bekämpft. Sharka gilt als Quarantänekrankheit, für die eine Meldepflicht an die kantonalen Pflanzenschutzdienste besteht. Die Ausrottungsbemühungen gehen weiter, damit die Schweiz wieder frei von Sharka wird.

Symptome auf den Blättern - hier setzt die Kontrolle an

Weil infizierte Pflanzen äusserlich gesund wirken können, kann Sharka lange unerkannt bleiben - von der Infektion bis zu ersten Symptomen dauert es meist mehr als eine Vegetationsperiode. Daher ist es wichtig, die ersten Krankheitszeichen zu erkennen.

Auf den Blättern erkrankter Bäume können sich hellgrüne Verfärbungen oder sogar stark verblasste Stellen in Form von Ringen, Flecken oder Bänderungen unterschiedlicher Grösse bilden. Blattsymptome sind im späten Frühjahr vor dem Auftreten sommerlicher Temperaturen am stärksten, später sind sie weniger gut sichtbar. Deshalb ist Ende Juni der beste Zeitpunkt für eine Kontrolle der Bestände. Bei bedecktem Himmel sind die Symptome am besten zu erkennen, da kein Schattenwurf auftritt. Kontrollen sind die Grundlage einer erfolgreichen Sharka-Bekämpfung. Im Kampf gegen Sharka unterstützt Agroscope Changins-Wädenswil die kantonalen Fachstellen für Obst und die Produzenten mit Fachwissen und Laboranalysen (siehe www.sharka.info-acw.ch). So könnte die Schweiz wieder frei von Sharka werden.

Gegenmassnahmen - Rodung und Blattlausbekämpfung

Sofortiges Vernichten der befallenen Bäume sowie deren Nachbarbäume ist die wichtigste Bekämpfungsmassnahme. Dadurch werden die Infektionsquellen eliminiert. Die gerodeten Bäume können in der Anlage gehäckselt werden. Der zurückbleibende Wurzelstock darf aber nicht neu austreiben, da er möglicherweise infiziert ist und weitere Bäume anstecken könnte.

Sharka wird vom Plum-Pox-Virus (PPV) hervorgerufen. Blattläuse übertragen das Virus von kranken Bäumen auf gesunde Pflanzen. Im Frühjahr und Herbst ist die Übertragungswahrscheinlichkeit besonders hoch - also immer dann, wenn geflügelte Blattläuse in der Anlage vorhanden sind. Ebenfalls eine wichtige Massnahme gegen Sharka ist daher die Bekämpfung der Blattläuse, vor allem im Herbst.

Symptome auf den Früchten – grosser Ernteausfall

Sharka befällt auch die Früchte. An unreifen Früchten sinkt das Fruchtfleisch an einigen Stellen leicht ein und färbt sich dort vorzeitig blau. Bei einigen Sorten entfallen die typischen Einsenkungen. Mit zunehmender Reife können tiefe Gräben im Fruchtfleisch entstehen, die Ringe oder unregelmässige Linien bilden. Das Gewebe im darunterliegenden Fruchtfleisch fällt in sich zusammen und wird braun. Diese Vorgänge führen zur Deformation der Früchte. Häufig tritt Gummifluss auf - harzähnliche Ausscheidungen. Am Stein zeigen sich manchmal rötliche Ringe oder Flecken. Bei einigen Sorten treten nur leichte, rötliche oder bläuliche Marmorierungen auf der Fruchthaut auf, die erst deutlich sichtbar werden, wenn man die Beduftung entfernt, eine wachsartige Puderschicht auf der Frucht.

Die Reife ist um mehrere Tage verfrüht. Viele Früchte fallen vorzeitig vom Baum, manchmal sogar alle. Die Früchte sind geschmacklos und faserig - sie sind ungeniessbar, weder zum Frischverzehr noch zur Verarbeitung oder zu Brennzwecken geeignet. Zu den empfindlichsten Sorten zählen Fellenberg und Hauszwetschge. Absolut resistent ist nur die Sorte Jojo. Vom Virus befallene Bäume sterben ab.

Schnelltest zur Sharka-Diagnose

Seit Mitte 2007 steht den kantonalen Fachstellen für Obst und Pflanzenschutz ein Schnelltest zur Verfügung, der die Frage «Sharka oder nicht Sharka?» innerhalb von zehn Minuten beantwortet. Der Test funktioniert ähnlich wie ein Schwangerschaftstest. Entwickelt wurde der Schnelltest von der Bioreba AG und der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW.

www.sharka.info-acw.ch

 

Pflanzenschutz-Strategien im Hinblick auf Mehrfachrückstände

Der moderne Schutz von Pflanzen gegen Schädlinge und Unkräuter ist sehr selektiv und damit nützlingsschonend, dafür sind mehr verschiedene Pflanzenschutzmittel nötig als früher. Diese Entwicklung stösst aber an eine Grenze, denn der Markt fordert Ernteprodukte mit möglichst wenig verschiedenen Rückständen von Pflanzenschutzmitteln.

Im Gegensatz zu alten Breitband-Pflanzenschutzmitteln, die meist auch für Nützlinge und andere Nicht-Zielorganismen schädlich waren, wirken moderne Pflanzenschutzmittel sehr gezielt: So können einzelne Schaderreger oder Unkräuter bekämpft und zugleich Nützlinge geschont werden. Damit Schaderreger oder Unkräuter nicht resistent gegen ein Mittel werden, wechselt die heutige Landwirtschaft ausserdem zwischen verschiedenen Pflanzenschutzmitteln ab. Diese beiden Gründe - Nützlingsschutz und Resistenzverhinderung - führen somit dazu, dass Obstproduzentinnen und -produzenten auf derselben Anbaufläche unter Umständen mehrere verschiedene Pflanzenschutzmittel anwenden und entsprechend Rückstände mehrerer Pflanzenschutzmittel auf landwirtschaftlichen Erntegütern übrigbleiben können.

Neue Anforderungen des Marktes

Im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln werden für jeden Wirkstoff Grenzwerte für Rückstände festgelegt, die einen unbedenklichen Konsum der Ernteprodukte garantieren. Doch die gängige Praxis der Einzelstoffbeurteilung wird von verschiedenen Seiten hinterfragt. Von Grossverteilern etwa werden neue Qualitätsmanagement-Systeme lanciert, um nicht nur die Gesamtmenge an Rückständen auf den Nahrungsmitteln generell zu reduzieren, sondern auch die Anzahl der verwendeten Pflanzenschutzmittel.

Die Obstproduzentinnen und -produzenten wissen zur Zeit allerdings nicht, wie diese neuen Anforderungen am besten zu erfüllen sind, ohne in die alten Praktiken der Breitband-Pflanzenschutzmittel zurückzufallen. Einen ersten Schritt zur Verbesserung dieser Situation hat die Produktionsstandard-Organisation SwissGAP getan (siehe www.swissgap.ch): Eine einheitliche Regelung für Mehrfachrückstände wurde aufgestellt und mittels Rückstandsdaten des Untersuchungsrings SOGUR der Qualiservice GmbH getestet. Von 209 zufällig ausgewählten Kern- und Steinobstproben aus den Jahren 2004 bis 2007 genügten nur zwei dieser Regelung nicht.

Untersuchungsbedarf

Da es sich bei dieser Untersuchung um anonymisierte Daten handelt, kann man nicht nachvollziehen, welche Pflanzenschutz-Strategien die SwissGAP-Regelung bezüglich Mehrfachrückständen einhalten und welche nicht. Daher ist ein zweiter Schritt nötig: Die Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW führt unter Praxisbedingungen Pflanzenschutz-Versuche durch und analysiert die Rückstände auf dem Erntegut, um herauszufinden, welche Strategien die neue Regelung am besten erfüllen, ohne dabei in die alten Zeiten der Breitband-Pflanzenschutzmittel zurückzufallen. Ein erster entsprechender Versuch beim Apfel, der wichtigsten Obstkultur in der Schweiz, läuft bereits.

 

Ausblick auf die Kirschenernte und Vermarktung 2008

In der Nordwestschweiz wird eine mittlere bis gute Kirschenernte erwartet. Erfreulich sind die Prognosen bei den Klassen Premium und Extra.

Vergleicht man den Blühet 2008 mit dem letztjährigen, dann könnten sie unterschiedlicher nicht sein - 2007 sehr warm, trocken und kurz, 2008 kalt, nass und lang.
Am Ostermontag fiel das Thermometer lokal unter minus acht Grad. Wie nicht anders zu erwarten war, hinterliess diese Nacht Frostschäden in den Blütenknospen.
Vor allem die Sorte Kordia litt wie schon so oft unter diesen kalten Temperaturen.

Der kühle und regnerische April liess die Obstbauern lange Zeit im Ungewissen, und ein verlässliches Bild konnte man sich erst in den letzten Tagen machen.

Trotz der nicht optimalen Blütezeit sind die Ernteprognosen erfreulich!

Vor allem bei den Klassen Premium und Extra dürften die Erträge ähnlich hoch werden wie 2007. Hier hilft auch das jedes Jahr grösser werdende Ertragspotenzial mit. Bei den traditionellen Sorten und vor allem bei den Industrie-Kirschen sind die Erwartungen tiefer als letztes Jahr.

Der Zeitpunkt der Ernte dürfte dieses Jahr wieder etwas später sein, das heisst, wir haben im Moment einen Rückstand von zwölf Tagen. Mitte Juni dürften die ersten einheimischen Kirschen auf den Markt kommen, die Haupternte wird im Monat Juli stattfinden.

Die zuständigen Gremien haben die nötigen Vorbereitungen getroffen, so dass wir auf eine gute Kampagne hoffen dürfen.

Fazit: Trotz misslichem Wetter während der Kirschenblüte erwarten die Obstbauern in der Nordwestschweiz, dem Hauptanbaugebiet von Tafelkirschen in der Schweiz, eine mittlere bis gute Kirschenernte. Die Konsumentinnen und Konsumenten können sich auf die knackigen Kirschen aus der Region freuen.

Schätzung der Handelsmenge in der Nordwestschweiz

Tafelkirschen Premium                       93 Tonnen
Tafelkirschen Extra                           240 Tonnen
Tafelkirschen Kl. 1                            440 Tonnen
Konservenkirschen                            580 Tonnen


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Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW

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Hansruedi Wirz
Präsident Früchtezentrum Basel
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