Flankierende Massnahmen: Mehr Kontrollen, Löhne mehrheitlich eingehalten

Bern, 23.04.2009 - Die überwiegende Mehrheit der kontrollierten Entsendebetriebe und Schweizer Arbeitgeber verhält sich korrekt, so die Bilanz über die Umsetzung der Flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit im Jahr 2008. Die Kontrollen haben zudem stark zugenommen; in allen Branchen und Regionen der Schweiz wurde regelmässig kontrolliert.

Der SECO-Bericht über die Periode vom 1. Januar bis 31. Dezember 2008 stellt eine Verstärkung der Kontrolltätigkeit gegenüber 2006/07 fest:

Mit 14 762 kontrollierten Entsendebetrieben stieg die Anzahl der Kontrollen um 33%. 29 576 entsandte Personen wurden kontrolliert, 21% mehr als 2006/07. Damit wurde fast die Hälfte aller 63 563 meldepflichtigen Entsandten und selbständigen Dienstleister kontrolliert.

Bei den Schweizer Arbeitgebern haben die Kontrollen leicht um 1% abgenommen. Die Anzahl der kontrollierten Personen ist mit 60 793 aber um 30% gestiegen.

Wie in der Berichtsperiode 2006/07 wurden die Entsendebetriebe im Baunebengewerbe mit 9944 Kontrollen am häufigsten kontrolliert (67,4% aller kontrollierten Entsendebetriebe), gefolgt von 1592 Betriebskontrollen im verarbeitenden Gewerbe (10,8%) und 1288 Kontrollen im Bauhauptgewerbe (8,7%).

Bei den Schweizer Arbeitgebern wurde ebenfalls im Baunebengewerbe am häufigsten kontrolliert (3533 Betriebe bzw. 26,4% aller Kontrollen bei Schweizer Betrieben), gefolgt vom Bauhauptgewerbe (1858 Betriebe bzw. 13,9%) und dem Gastgewerbe (1492 Betriebe bzw. 11,1%).

Kantone melden 8% Lohnunterbietungen
Gemäss den Angaben der Kantone/Tripartiten Kommissionen haben 8% der kontrollierten Entsendebetriebe orts- und branchenübliche Lohnbedingungen unterboten oder gegen Lohnbestimmungen (Mindestlöhne aus Normalarbeitsverträgen) verstossen. Diese tiefe Quote hat sich trotz der gesteigerten Kontrollen gegenüber dem Vorjahr nicht verändert. Die grosse Mehrheit der Entsendebetriebe hält die Lohnbedingungen ein. Bei den kontrollierten Schweizer Arbeitgebern sind die Lohnunterbietungen von 8% auf 4% zurückgegangen.

Paritätische Kommissionen melden 19% Lohnunterbietungen
Deutlich höhere Quoten bei den Lohnverstössen melden die Paritätischen Kommissionen, die in Branchen mit Gesamtarbeitsverträgen (und damit fest gelegten Mindestlöhnen) kontrollieren. Laut den PK haben 19% der Entsendebetriebe gegen GAV-Lohnbedingungen verstossen. Diese Quote ist um 17 Prozentpunkte tiefer als im Berichtsjahr 2006/07.

Die Verstossquote bei Schweizer Arbeitgebern hat von 18% auf 26% zugenommen. Dies ist erklärbar durch die detaillierteren Kontrollen bei Schweizer Arbeitgebern sowie dadurch, dass oft aufgrund konkreter Verdachtsmomente kontrolliert wird.

Die generell höheren Verstossquoten gemäss PK sind darauf zurückzuführen, dass Verstösse gegen GAV-Lohnbestimmungen leichter identifizierbar sind. Auch eine geringfügige Unterschreitung eines GAV-Lohnes wird als Verstoss geahndet, während es im Bereich ohne GAV bezüglich der Definition der orts – und branchenüblichen Löhne einen gewissen Spielraum gibt.

Branchen mit häufigeren Lohnunterbietungen
Folgende Branchen zeigen im Entsendewesen einen überdurchschnittlichen Anteil an Lohnunterbietungen: Baunebengewerbe (gemäss Kantone 11%; gemäss PK 19%), verarbeitendes Gewerbe (Kantone 9%), persönliche Dienstleistungen (Kantone 8%), Bauhauptgewerbe (Kantone 8%, PK 22%).

Bei den Schweizer Arbeitgebern sind folgende Branchen gemäss Kantonen/TPK überdurchschnittlich betroffen: das Gesundheits- und Sozialwesen (9% bei 280 kontrollierten Betrieben), Coiffeursalons und Kosmetikinstitute (9% bei 681 kontrollierten Betrieben), der Personalverleih (8% bei 733 kontrollierten Betrieben), persönliche Dienstleistungen (7% bei 342 kontrollierten Betrieben) und das Bauhauptgewerbe (6% bei 872 kontrollierten Betrieben).

Im Vergleich zu den von den Kantonen gemeldeten tiefen Unterbietungsquoten bei Schweizer Arbeitgebern melden die PK in folgenden Branchen hohe Anteile an Lohnverstössen: Reinigungsgewerbe (46% bei 211 kontrollierten Betrieben), Überwachungs- und Sicherungsgewerbe (45% bei 101 kontrollierten Betrieben), verarbeitendes Gewerbe (44% bei 150 kontrollierten Betrieben) und Bauhauptgewerbe (40% bei 186 kontrollierten Betrieben). Beim Personalverleih liegt die Verstossquote bei unterdurchschnittlichen 11%.

Sanktionen: kantonal unterschiedliche Praktiken
Die meisten Sanktionen wurden wie bisher wegen Verstössen im Bereich des Meldeverfahrens verhängt. Hier wurden 1426 Betriebe (2011 Personen) verwarnt und 1143 Betriebe (1708 Personen) gebüsst. Gegen 81 Betriebe verhängten die Kantone Dienstleistungssperren wegen nicht bezahlter Bussen bei Meldeverstössen.

In Branchen ohne allgemein verbindlich erklärtem Gesamtarbeitsvertrag (ave GAV) wurden gegen 252 Betriebe Sanktionen (diese können entweder aus Bussen oder Dienstleistungssperren bestehen) wegen Verstössen gegen die Arbeitsbedingungen oder Lohnunterbietungen verhängt. In Branchen mit ave GAV sind 238 Bussen, 56 Verwarnungen und 39 Dienstleistungssperren wegen Verstössen gegen Lohn- oder Arbeitsbedingungen ausgesprochen worden.

Die Kantone handhaben die Verhängung von Bussen oder Verwarnungen sehr unterschiedlich. Auch die Höhe der Busse bei gleichem Sachverhalt kann sich je nach Kanton unterscheiden. Das SECO hat am 24. Februar 2009 eine Empfehlung erlassen (Sanktionenkatalog gemäss EntsG), welche zu einer gewissen Vereinheitlichung führen sollte.

Wirksamkeit der Sanktionen
Die Mehrheit der kantonalen Behörden berichtet, dass 90% oder mehr der Bussen bezahlt werden. Die PK hingegen geben an, dass nur rund 50% der Bussen auch tatsächlich bezahlt werden.

Der hohe Anteil an erfolgreichen Einigungsversuchen (63% bei Entsendebetrieben und 86% bei Schweizer Arbeitgebern) zeigt, dass die Betriebe im Allgemeinen bemüht sind, sich vorschriftsgemäss zu verhalten.

Wirksamkeit der Flankierenden Massnahmen
Aufgrund der vorliegenden Resultate können die FlaM insgesamt als wirksam bezeichnet werden: die Umsetzung durch die Kantone/TPK und die PK wird laufend optimiert, die Kontrollen finden flächendeckend statt. Die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen wird mit den entsprechenden Instrumenten durchgesetzt.

Flankierende Massnahmen in Kürze
Die orts- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen müssen von allen Erwerbstätigen und Arbeitgebern eingehalten werden. Um Arbeitnehmer vor Lohnunterbietungen zu schützen, wurden die flankierenden Massnahmen am 1. Juni 2004 eingeführt und per 1. April 2006 verschärft:

Tripartite Kommissionen (zusammengesetzt aus Vertretern der Kantone, der Arbeitgeber und Gewerkschaften) überwachen den Arbeitsmarkt und können Sanktionen (wie Bussen oder einen Ausschluss vom Arbeitsmarkt) beantragen. Bereiche mit einem allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) werden von paritätischen Kommissionen (bestehend aus den Sozialpartnern) kontrolliert.

Entsendegesetz: Arbeitskräfte, die ein ausländischer Betrieb im Rahmen einer Dienstleistung vorübergehend in die Schweiz entsendet, unterstehen den in der Schweiz geltenden minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen. Ausländische Arbeitgeber, die bei einer Entsendung missbräuchlich die Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Schweiz unterschreiten, können durch Konventionalstrafen zur Nachzahlung der ausstehenden Löhne sowie zu weiteren substanziellen Zahlungen gezwungen werden (sofern sie einem allgemeinverbindlich erklärten GAV unterstehen). Bei Verstössen gegen die Meldebestimmungen können die fehlbaren Arbeitgeber durch Bussen bestraft und (bei Wiederholungen) befristet vom Schweizer Markt ausgeschlossen werden.

Erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (GAV): Im Fall von wiederholter missbräuchlicher Unterbietung der branchen- und ortsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen können die in GAV enthaltenen Bestimmungen über Mindestlöhne und Arbeitszeiten leichter allgemeinverbindlich erklärt werden.

Normalarbeitsverträge (NAV) mit zwingenden Mindestlöhnen: Für Branchen ohne Gesamtarbeitsvertrag können Bund und Kantone bei wiederholtem Missbrauch zwingende Mindestlöhne in einem befristeten Normalarbeitsvertrag einführen.

Weitere Bestimmungen zur Erleichterung der Kontrollen: Die Kantone sind verpflichtet, eine ausreichende Zahl von Arbeitsmarktinspektoren einzusetzen. Ausgegangen wird dabei von einer Zahl von insgesamt 153 Inspektoren. Wesentliche Elemente längerer Arbeitsverhältnisse müssen schriftlich fixiert werden. Im Bereich der Temporärarbeit besteht eine Auskunftspflicht der Verleiher gegenüber paritätischen und tripartiten Kommissionen. Selbständigerwerbende unterstehen den flankierenden Massnahmen nicht. Sie müssen aber bei der Arbeitsaufnahme in der Schweiz die Selbständigkeit nachweisen (bspw. durch Vorweisen einer Buchhaltung oder dem Nachweis der selbstständig bezahlten Sozialversicherungsbeiträge). Damit wird das Problem der Scheinselbständigkeit entschärft.


Adresse für Rückfragen

Serge Gaillard, Leiter Direktion für Arbeit, Staatssekretariat für Wirtschaft SECO,
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Sibylle Burger-Bono, Leiterin Gesamtarbeitsverträge und Arbeitsmarktaufsicht, Staatssekretariat für Wirtschaft SECO,
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