Fall Tinner: Aktenkopien werden den Strafverfolgungsbehörden mehrheitlich zugänglich gemacht

Bern, 24.06.2009 - Die im Verfahren Tinner aufgefundenen proliferationsrelevanten Aktenkopien werden den Strafverfolgungsbehörden mehrheitlich zugänglich gemacht. Nur die brisantesten Dokumente werden durch Platzhalter ersetzt, die eine Einordnung und Einschätzung der entfernten Seiten ermöglichen. Dies hat der Bundesrat am Mittwoch beschlossen. Sein Beschluss berücksichtigt die Interessen der Strafverfolgungsbehörden und ist gleichzeitig sicherheitspolitisch vertretbar. Weil die Schweiz diese Akten nicht langfristig aufbewahren darf, werden sie am Ende des Verfahrens vernichtet.

Zwischen dem 18. und 20. März 2009 waren die im Verfahren Tinner bei der Bundesanwaltschaft aufgefundenen Aktenkopien von Spezialisten der Internationalen Atomenergieagentur (IAEO) begutachtet und triagiert worden. Der nicht proliferationsrelevante Teil wurde in der Folge dem Eidgenössischen Untersuchungsrichter übergeben und steht für das Strafverfahren uneingeschränkt zur Verfügung. Offen blieb die Frage, wie mit den von der IAEO als proliferationsrelevant markierten Dokumenten verfahren werden sollte.

Unterschiedliche Brisanz der Aktenkopien

Der Bundesrat hat am Mittwoch verschiedene Varianten geprüft und sich für ein Vorgehen entschieden, das die Brisanz der Aktenkopien und die Bedürfnisse des Strafverfahrens berücksichtigt. Die wenigen Dokumente von höchster Brisanz, die das Atomwaffendesign betreffen, werden aus den Akten entfernt und durch Platzhalter ersetzt. Diese Platzhalter ermöglichen eine Einordnung und Einschätzung der entfernten Seiten, ohne deren Inhalt wiederzugeben. Auf diese Weise können sich die Strafverfolgungsbehörden trotz der fehlenden Seiten ein gutes Bild über die gesamten Akten machen. Die grosse Mehrheit der aufgefundenen Aktenkopien sind Dokumente von grosser Brisanz, welche die Urananreicherung betreffen. Diese Dokumente werden zentral an einem sicheren Ort im Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) aufbewahrt. Die Dokumente werden in einer sicherheitspolitisch vertretbaren Form den Strafverfolgungsbehörden, den Angeklagten und ihren Anwälten sowie den Gerichten zugänglich gemacht: Sie können diese Akten konsultieren und Handnotizen herstellen, nicht aber kopieren.

Dokumente werden am Ende des Verfahrens vernichtet

Da die Schweiz als Nicht-Atommacht gemäss Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT) keine proliferationsrelevanten Akten besitzen darf, werden die Dokumente von höchster Brisanz nach Herstellung der Platzhalter, die anderen Dokumente nach Abschluss des Strafverfahrens vernichtet. Weil die Internationale Atomenergieagentur IAEO diese Akten nicht übernehmen kann, stand der Schweiz als weitere Möglichkeit nur die Übergabe der Akten an eine der gemäss NPT dazu befugten Atommächte (USA, Grossbritannien, Frankreich, China und Russland) offen. Nach Einschätzung der IAEO ist die Vernichtung der sicherste Weg, um zu vermeiden, dass diese Akten in falsche Hände geraten könnten. Der Bundesrat hat sich deshalb aus sicherheitspolitischen Gründen, aber auch aus Gründen der Souveränität für dieses Vorgehen entschieden.


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