Sicherheit Schweiz: Erster Jahresbericht des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB)

Bern, 07.07.2010 - Terrorismus, Proliferation, Spionage und Gewaltextremismus sind nach wie vor die aktuellsten und prioritären Bedrohungen für die Schweiz. Während der verbotene Nachrichtendienst die staatliche Souveränität direkt untergräbt, bedroht die Proliferation die Schweiz potenziell in ihrem strategischen Umfeld. Der Terrorismus ist punkto Eintretenswahrscheinlichkeit und Schadensausmass differenziert zu betrachten. Gewaltextremistische Aktivitäten können die innere Sicherheit der Schweiz gefährden. Cyber-Attacken, also Angriffe auf kritische Informationsinfrastrukturen, können in allen Bereichen die Bedrohungen verstärken und systemgefährdende Ausmasse annehmen.

Dies stellt der erste Jahresbericht des per 1. Januar 2010 neu geschaffenen NDB fest. Der Bericht enthält neu eine umfassende Bedrohungsbeurteilung, wie sie das Bundesgesetz über Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG) fordert. Der Bericht beinhaltet auch die Tätigkeitsfelder des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der Inneren Sicherheit (BWIS), wie sie im "Bericht Innere Sicherheit der Schweiz" (BISS) enthalten waren, der früher vom Dienst für Analyse und Prävention (DAP) erstellt und vom Bundesamt für Polizei (fedpol) publiziert worden war.

Direkte Bedrohungen ...
Terrorismus, politische und wirtschaftliche Druckversuche, verbotener Nachrichtendienst, Gewaltextremismus, Kriminalität und Gewalt sowie militärische Bedrohung sind die direkten Gefahren, die die Schweiz betreffen können. Der Terrorismus, namentlich durch den Dschihadismus, kann Ausmasse annehmen, die unser Land als Ganzes gefährden können, auch wenn er für die Schweiz punkto Ausmass und Eintretenswahrscheinlichkeit zur Zeit nicht direkt staatsgefährdend ist. Als weitere direkte Gefahren sind politische und wirtschaftliche Druckversuche aus dem Ausland anzusehen. Sie sind Teil staatlicher ausländischer Interessenspolitik und nicht darauf ausgerichtet, primär die Schweiz zu schädigen, sondern dem eigenen Staat Vorteile zu verschaffen. Der verbotene Nachrichtendienst untergräbt direkt die Souveränität des Staates und kann auch grossen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Der Gewaltextremismus führt vor allem zu lokalen Sicherheitsproblemen und kann ebenfalls als nicht direkt staatsgefährdend eingestuft werden. Militärisch ist die Schweiz derzeit nicht bedroht; denn ein Krieg im Zentrum Europas ist bis auf weiteres unwahrscheinlich. Jedoch ist die Problematik der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und weitreichender Trägersysteme im Auge zu behalten. Kriminalität und Gewalt sind zwar auch in der Schweiz tägliche Realität, nehmen aber in unserem Land kein staatsgefährdendes Ausmass an.

... und strategisches Umfeld
Die Proliferation ist eine indirekte Bedrohung im strategischen Umfeld der Schweiz. Die Schweiz ist vor der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen in verschiedener Hinsicht betroffen. Proliferationsaktivitäten, aber auch die Umtriebe von terroristischen und organisierten kriminellen Organisationen sowie fremden Nachrichtendiensten in unserem Land gefährden den Werk- und Finanzplatz und setzen die Schweiz internationalem Druck aus.

Im strategischen Umfeld ist weiter die Abhängigkeit der Schweiz von Rohstoff- und Energieimporten zu nennen, welche die Schweiz Druckversuchen aussetzen könnte.
Daneben werden im Bericht weitere indirekte Gefahren genannt. Im geopolitischen Umfeld verkleinert sich die Handlungsfreiheit der Schweiz schleichend, was langfristig durchaus ein strategisches Schadenspotenzial in sich birgt. Die drohende Überschuldungskrise könnte nicht nur die Schweizer Wirtschaft schädigen, sondern auch den Zusammenhalt in der Gesellschaft beeinträchtigen. Regionalkonflikte haben vielfältige Auswirkungen auf die Schweiz, so in den Bereichen Migration, Terrorismus, Proliferation etc. Umgekehrt befinden sich aufgrund zunehmender Mobilität immer mehr Schweizer Bürgerinnen und Bürger (temporär) im Ausland und sind dort teilweise Gefahren durch Attentate oder Entführungen ausgesetzt.

Cyber-Attacken
Eine spezielle Art der Bedrohung im strategischen Umfeld stellen Cyber-Attacken dar. Angriffe auf kritische Informationsinfrastrukturen können die anderen Bedrohungsformen verstärken und potenziell systemgefährdende Ausmasse annehmen. Die benutzte Schadsoftware wird immer professioneller und Angriffe verfolgen vermehrt auch politische oder nachrichtendienstliche Ziele, wie der Angriff auf die Informatikinfrastruktur des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gezeigt hat.

Terrorismus und Gewaltextremismus
Der dschihadistische Terrorismus richtet sich nach wie vor hauptsächlich gegen Regierungen und Bevölkerungen in islamischen Ländern sowie gegen westliche Staaten und ihre Bevölkerungen, die mit Truppen in islamischen Ländern präsent sind. Die Schweiz ist zwar kein Hauptziel des dschihadistischen Terrorismus. Die Annahme der Volksinitiative gegen den Bau von Minaretten akzentuierte die Bedrohungslage im Berichtsjahr 2009 bisher nur geringfügig. Dschihadisten können aber auch die Schweiz als Ruhe- und Vorbereitungsraum nutzen. Gleiches gilt für ethno-nationalistische Gruppierungen, die in der Schweiz als gewaltextremistisch gelten. Sie rekrutieren Personen in der Schweiz, bilden sie aus, treiben Propaganda und Lobbying. Zu den logistischen Aktivitäten gesellen sich ausserdem Geldsammlungen.

In den Bereichen Rechts- und Linksextremismus bestätigten sich die Zahlen aus dem Vorjahr. Zwar stieg die Zahl der rechtsextrem motivierten Ereignisse um 9 auf 85 an, kompensierte damit aber den Einbruch im Vorjahr. Linksextrem motivierte Ereignisse waren insgesamt 220 und damit 6 mehr als im Vorjahr zu verzeichnen. Mit Gewalt verbunden waren im Rechtsextremismus 32 der 85 Ereignisse, im Linksextremismus 127 der 220. Eine grosse Rolle spielte im Berichtsjahr 2009 auch der Tierrecht-Extremismus. Zu erwähnen ist insbesondere die namentlich gegen Novartis gerichtete und in unserem Land fast ausschliesslich mit kriminellen Mitteln geführte, internationale Kampagne zur Schliessung des britischen Tierversuchsfirma Huntingdon Life Sciences. Die Kampagnen, auf die sich die gewaltbereite Schweizer Tierrecht-Szene konzentrierte, brachten weit weniger Gewalt mit sich.

Verbotener Nachrichtendienst und Proliferation
Im Bereich Proliferation waren einige Versuche in der Schweiz festzustellen, sogenannte Dual-use-Güter, das heisst militärisch und zivil verwendbare Güter, zu beschaffen. Syrien und Pakistan waren die Destinationen dieser Güter aus der Schweiz. Weltweit standen aber vornehmlich Iran und Nordkorea im Zentrum der Problematik. Die Beschaffungsversuche insbesondere der genannten Risikoländer werden auch in der Zukunft den Industriestandort und Forschungsplatz Schweiz betreffen. Die breite und frühzeitige nachrichtendienstliche Aufklärung von Proliferationsnetzwerken und Beschaffungsversuchen bleibt deshalb notwendig.

Neben der bekannten Ausforschung ausländischer Oppositioneller und der Spionage im Rahmen der internationalen Organisationen fanden im Berichtsjahr auch die Wirtschaft und die Banken in der Schweiz die Aufmerksamkeit ausländischer Nachrichtendienste. Die Finanzkrise und die damit einhergehenden Verluste von Steuergeldern bewogen einzelne ausländische Staaten, aktiv Informationen zu beschaffen. Es ging ihnen darum, in der Schweiz nach unversteuertem Geld ausländischer Bürger zu suchen. Andere Staaten versuchten, den Abfluss von Kapital ins Ausland zu verhindern und den eigenen Finanzplatz zu stärken. Auch dabei wurde auf nachrichtendienstliche Instrumente zurückgegriffen.


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