"Der Schweizer Film ist ein wichtiger Träger unserer Identität"

(Letzte Änderung 20.01.2012)

Bern, 19.01.2012 - Ansprache von Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf anlässlich der Eröffnung der 47. Solothurner Filmtage

Es gilt das gesprochene Wort   

Sehr geehrte Frau Präsidentin
Sehr geehrte Frau Direktorin
Sehr geehrte National- und Ständeräte
Liebe Filmschaffende
Liebe Freundinnen und Freunde des Schweizer Films
Sehr geehrte Damen und Herren

Seit jeher lancieren die Solothurner Filmtage das neue Filmjahr, das neue Schweizer Filmjahr! Die Solothurner Filmtage sind die Werkschau des Schweizer Films, eines wichtigen Kulturgutes hierzulande. Es ist für mich deshalb eine grosse Freude und Ehre, heute Abend hier in Solothurn zu sein und mit Ihnen die 47. Solothurner Filmtage zu eröffnen. Ich danke Ihnen herzlich für die Einladung und überbringe Ihnen die besten Wünsche meiner Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat!

Ich freue mich hier zu sein, weil ich gerne ins Kino gehe. Ich möchte Kinobesuche nicht missen. Und vor allem möchte ich die Schweizer Filme nicht missen. Allerdings: Private Kinobesuche mit meinem Mann sind in den letzten Jahren etwas seltener und schwieriger geworden. Und dieses Jahr könnte ich wohl, was Kinobesuche betrifft, auch ein kleines Zeitproblem haben.

Ich freue mich aber auch hier zu sein, weil für einmal nicht die Politik, die Finanzen oder die Banken im Mittelpunkt stehen. Diese Themen geben zwar immer mal wieder Stoff für spannende Berner Polit-Thriller... Heute Abend geht es zwar auch um Bern. Aber nicht um das politische Bern. Es geht um ein Berner Original, das ins Schweizer Kulturgut eingegangen ist. Es geht um einen Stadtberner mit Ecken und Kanten - knorrig, aber liebenswert.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die „Welturaufführung" des Spielfilms „Eine wen iig, dr Dällebach Kari". Ich kann Ihnen, Frau Beerli, versichern, dass ich mich dabei gerne etwas zurücklehnen werde!

„Je kleiner die Nation, desto grösser das Nationalgefühl", soll Kurt Tucholsky einmal gesagt haben. Das hat etwas. Verschiedene Schweizer Filme widerspiegeln dieses Nationalgefühl. Der Schweizer Film: Das ist Entwicklung vom stark auf Emotionen ausgerichteten Kino in den 1950er und 1960er-Jahren - z.B. die Gotthelf-Verfilmungen - zu einer kritischen, aber durchaus positiven Auseinandersetzung mit unserer Heimat, mit unserem Heimatgefühl.

Der Schweizer Film ist ein wichtiges Kulturgut. Seine bewegenden Bilder bezeugen unsere kulturelle und sprachliche Vielfalt. Sie zeigen, dass die Schweiz bereit ist hinzusehen. Auch dort hinzusehen, wo es Unschönes gibt in unserer Gesellschaft. Der Schweizer Film zeugt von der Fähigkeit zu Selbstkritik. Und dass diese Selbstkritik durchaus auch amüsant, lustig und liebevoll sein kann.

Dass der Schweizer Film trotz eines kleinen einheimischen Markts bestehen kann, zeigt er immer wieder aufs Neue. So sind im letzten Jahr diverse Filme aus der Schweiz mit internationalen Preisen ausgezeichnet worden. Und mit Xavier Koller führte ein Oscar-Gewinner Regie beim Eröffnungsfilm der diesjährigen Solothurner Filmtage.

Liebe Filmschaffende, Sie und der Schweizer Film brauchen sich nicht zu verstecken - weder hier bei uns in der Schweiz, noch in Europa oder im fernen Hollywood! Die Liste von bedeutenden Schweizer Filmen, die auch international erfolgreich waren respektive sind, ist beeindruckend lang. Filme, die uns bewegen, berühren und inspirieren, kommen beim Publikum an und haben Erfolg! Filme, die Schweizer Themen zum Gegenstand haben und in typisch schweizerischen Umgebungen spielen, kommen an. Filme also, die typisch schweizerisch geprägt sind, haben Erfolg. Der Schweizer Film: Das ist Swissness; Swissness, die dieses Label verdient; Swissness, zu der wir Sorge tragen müssen.

Meine Damen und Herren, der Schweizer Film ist ein wichtiger Träger unserer Identität. Der Bund hat deshalb die Filmförderung - zusammen mit Ihnen - für die kommenden Jahre neu ausgerichtet. Ich gehe davon aus, dass mit der neuen Filmförderung mehr Möglichkeiten und bessere Chancen für die einheimischen Filmemacher geschaffen worden sind. Dazu beitragen wird sicher auch Ivo Kummer, der neue Chef der Sektion Film im Bundesamt für Kultur, ein Kenner und Könner.

Dem Bundesrat ist es ein Anliegen, den Schweizer Film zu stärken, mit der Filmförderung. Der Bund schafft  dabei mit Rechtsgrundlagen die Rahmenbedingungen. Die Verordnung über die Filmförderung umfasst nicht weniger als 55 Artikel. Die neuen Film-Förderungskonzepte für die Jahre 2012 bis 2015 gehen dann noch weiter ins Detail. Ich lese Ihnen die Paragraphen jetzt nicht vor, sie klingen ziemlich trocken. Aber unter ihrem Schirm kann sich die filmische Kreativität entfalten. Es geht darum, Fördergeld gerecht und wirkungsvoll zu verteilen. Dass dieses „Verteilen" per se eine anspruchsvolle Aufgabe ist, weiss ich als Finanzministerin nur allzu gut!

Ich bin zuversichtlich, dass - auch dank der Filmförderung - auch künftig berührende Schweizer Filme entstehen werden. Über Schweizer Themen, mit typisch schweizerischem Kolorit, wie beispielsweise die Geschichte von Dällebach Kari! Wegen seiner Hasenscharte und einer glücklosen Liebe entwickelte er sich zu einem schlagfertigen Eigenbrötler. Mit seinem Humor lenkte er von seinem scheinbar offensichtlichsten Merkmal ab, seiner Hasenscharte.

Das Stadtberner Original ist - obwohl bereits seit über 75 Jahren tot - nicht nur Bernerinnen und Bernern ein Begriff. Über seine Person gibt es viele echte und nacherzählte Anekdoten. Es gibt seit Kurzem ein Musical, und seit Längerem gibt es unzählige Witze, die an Dällebach Kari „erinnern". Unlängst wurden in Bern die „originellsten" Witze prämiert. In einer Zeitung konnte dazu Folgendes gelesen werden: „Kommen Sie vorbei uns stellen Sie Ihr komödiantisches Talent auf die Probe."

Sich lustig machen über Fehler, Schwächen oder Behinderungen von anderen Mitmenschen gehört leider nach wie vor zum Alltag. Mitmenschen werden belächelt und geärgert - nur weil sie anders sind oder eine andere Meinung haben. Aber - ganz ehrlich: Wissen wir, wer der Dällebach Kari wirklich war? Wussten es die Zeitgenossen? Wissen wir, was im Inneren einer Person vorgeht, was ihr wirklicher Antrieb ist? Oder lassen wir uns allzu oft von einer Fassade täuschen?

Mit seinem Humor brachte Dällebach Kari die Menschen zum Lachen - und lenkte so von der Tragik ab, die ihn selbst umgab. Viele unter uns kennen Dällebach Kari vor allem wegen der Witzen über ihn, also von der oberflächlichen Seite. Ich bin überzeugt, dass wir heute Abend Dällebach Kari auch von einer anderen Seite kennenlernen werden.

In diesem Sinne wünsche ich den Solothurner Filmtagen und den Filmschaffenden viel Erfolg und Ihnen, liebe Freundinnen und Freunde des Schweizer Films, viel Vergnügen!

Besten Dank für die Aufmerksamkeit!

 

 

  


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