Anzeichen einer konjunkturellen Stabilisierung

Bern, 15.03.2012 - Konjunkturprognosen der Expertengruppe des Bundes – Frühjahr 2012*. Die Konjunktur in der Schweiz kühlte sich bis Ende 2011 merklich ab, eine weitere Verschlechterung – in Richtung Rezession – scheint jedoch unwahrscheinlich. Seit Anfang Jahr hat sich die Euro-Schuldenkrise leicht entspannt, und die Konjunkturumfragen in der Schweiz zeigen erste Stabilisierungstendenzen. Damit bestehen gute Aussichten, dass die Konjunkturdelle in den nächsten Monaten überwunden wird und das Wachstum im weiteren Jahresverlauf allmählich Fahrt aufnimmt. Die Expertengruppe des Bundes rechnet für 2012 mit einem verhaltenen BIP-Wachstum von 0,8%, das sich 2013 weiter festigen dürfte (+1,8%). Bei der Arbeitslosigkeit könnte eine positive Trendwende allerdings noch bis ins nächste Jahr hinein auf sich warten lassen.

Internationale Konjunktur
Die internationale Konjunktur präsentiert im Frühjahr 2012 ein gemischtes, insgesamt aber etwas freundlicheres Bild als noch vor einigen Monaten. Zwar befindet sich der Euroraum infolge der Belastungen durch die Schuldenkrise (u.a. forcierte finanzpolitische Sparprogramme in mehreren Ländern) erwartungsgemäss am Rand einer (leichten) Rezession, doch sind erste Lichtblicke auszumachen. Nicht zuletzt dank der ausgeweiteten Liquiditätsmassnahmen der EZB haben sich die krisenhaften Anspannungen an den Finanzmärkten seit Anfang 2012 zurückgebildet, was sich etwa in gesunkenen Risikoprämien für (Peripherie) Länder und Banken manifestierte. Ausserdem zeigen sich bei den Konjunkturumfragen vermehrt Stabilisierungstendenzen. Die Aussichten auf eine langsam einsetzende Konjunkturerholung haben sich damit verbessert. Dies allerdings bei einem ausgeprägten Gefälle zwischen den einzelnen Euro-Ländern: Während sich etwa in Deutschland die Perspektiven bereits merklich aufgehellt haben, sind diverse andere Länder, darunter Italien und Spanien, in eine deutliche Rezession abgerutscht. 

Vergleichsweise besser läuft die Konjunktur in anderen Weltregionen. In den USA konnte sich die wirtschaftliche Erholung in den letzten Quartalen festigen und allmählich auch den bislang sehr schwachen Arbeitsmarkt erfassen. Wegen der Nachwehen der letzten Krise - darniederliegender Immobilienmarkt, hohe Arbeitslosigkeit und Verschuldung der privaten Haushalte - ist allerdings auch weiterhin nicht mit einem kräftigen Aufschwung der US-Wirtschaft zu rechnen. Die Schwellenländer verleihen - trotz unverkennbarer Abkühlung – der Weltwirtschaft nach wie vor positive Impulse.

Trotz der leicht verbesserten Konjunkturperspektiven wird der mittelfristige weltwirtschaftliche Ausblick nach wie vor durch erhebliche strukturelle Probleme belastet. Insbesondere die notwendige Rückführung der hohen (staatlichen und privaten) Verschuldung in vielen OECD-Ländern könnte die wirtschaftliche Wachstumsdynamik über Jahre hinweg bremsen.

Konjunkturprognose Schweiz
In der Schweiz kühlte sich die Konjunktur bis Ende 2011 merklich ab, was angesichts des schwierigen aussenwirtschaftlichen Umfelds (Frankenstärke und verhaltene EU-Konjunktur) keine Überraschung darstellt. Immerhin blieb das BIP-Wachstum auch im 4. Quartal im Unterschied zu vielen EU-Ländern noch knapp positiv (+0,1% zum Vorquartal). Seit Anfang 2012 zeigen sich darüber hinaus bei den Umfrageindikatoren erste Stabilisierungstendenzen; dies gilt sowohl für das Geschäftsklima bei den Unternehmen als auch für die Konsumentenstimmung. Dies deutet darauf hin, dass die konjunkturelle Talsohle erreicht ist.

Dass sich die Schweizer Wirtschaft trotz unvermeidlicher Abkühlung nach wie vor relativ gut hält, ist zum einen auf die anhaltend solide Inlandnachfrage zurückzuführen. Vor allem die Bauinvestitionen expandieren, dank günstiger Rahmenbedingungen wie die tiefen Zinsen und die wachsende Bevölkerung, bereits seit geraumer Zeit lebhaft. Daneben gehen auch vom privaten Konsum positive Impulse aus. Zum andern verläuft die Abschwächung im Exportsektor weniger ausgeprägt als noch vor einigen Monaten befürchtet. Dabei spielt die Branchendiversifizierung eine wichtige Rolle. Während etwa der Tourismusbereich und Maschinen-, Elektronik- und Metallindustrie rückläufige Tendenz aufweisen, entwickeln sich andere Bereiche wie Uhren, Chemie/Pharma nach wie vor positiv. Ausserdem scheint sich die Wechselkursproblematik für die Unternehmen infolge der SNB-Untergrenze zum Euro etwas entschärft zu haben, auch wenn der Franken, im historischen Vergleich, immer noch hoch bewertet ist. 

Insgesamt sieht die Expertengruppe des Bundes die Einschätzung bestätigt, dass die Schweizer Wirtschaft eine deutliche Konjunkturdelle, jedoch keine Rezession, erleidet. Sofern die leichte Aufhellung des internationalen Umfelds – insbesondere die Beruhigung der Euro-Schuldenkrise – weiter anhält, dürfte auch das Wachstum der Schweizer Wirtschaft im weiteren Jahresverlauf allmählich wieder Fahrt aufnehmen. Für das Gesamtjahr 2012 prognostiziert die Expertengruppe neu ein BIP-Wachstum von 0,8% (bisher 0,5%). Die im Vergleich zur Dezemberprognose leicht günstigere Einschätzung ist massgeblich darauf zurückzuführen, dass die Konjunkturschwäche im Winter etwas weniger ausgeprägt als befürchtet war.

Für das Jahr 2013 rechnet die Expertengruppe mit einer Fortsetzung der Konjunkturerholung in der Schweiz und einem BIP-Wachstum von 1,8% (bisher 1,9%). Einer stärkeren Wachstumsdynamik dürfte die nur langsam vorankommende globale Erholung entgegenstehen, weil dadurch die schweizerischen Exportpotenziale begrenzt werden.  

Am Arbeitsmarkt zeigen sich seit vergangenem Herbst erste Anzeichen für eine negative konjunkturbedingte Wende, wobei die Arbeitslosigkeit bislang nur geringfügig zugenommen hat (Anstieg der saisonbereinigten Arbeitslosenquote von 3,0 auf 3,1% Ende Februar 2012). Auch für die kommenden Monate deuten verschiedene vorlaufende Indikatoren nicht auf eine rapide Verschlechterung hin. Allerdings dürfte die derzeitige Konjunkturschwäche noch länger nachwirken, insbesondere in Bereichen mit schwieriger Wirtschaftslage (wie Exportindustrie, Tourismus, Finanzsektor). Erfahrungsgemäss reagiert der Arbeitsmarkt erst mit einer gewissen Verzögerung auf die allgemeine Konjunkturentwicklung. Vor dem Hintergrund der prognostizierten eher mässigen Wachstumserholung geht die Expertengruppe davon aus, dass die Arbeitslosigkeit noch bis ins kommende Jahr hinein steigen könnte, ehe der Rückgang einsetzt. Im Jahresdurchschnitt bedeutet dies Arbeitslosenquoten von 3,4% für 2012 sowie 3,7% für 2013.

Konjunkturrisiken
Trotz der Beruhigungstendenzen in den letzten Wochen und Monaten stellt nach wie vor die Euro-Schuldenkrise ein erheblicher Risikofaktor für die internationale Konjunkturentwicklung dar und damit auch für die Schweiz. Die bislang hauptsächlich durch die Liquiditätsmassnahmen der EZB bewirkte Entspannung an den Finanzmärkten muss erst noch durch überzeugende wirtschaftspolitische Reformen (Finanzpolitik und strukturelle Wachstumspolitik) in den Euro-Ländern untermauert werden, was eine Aufgabe von mehreren Jahren darstellt. Einstweilen bleiben die Schuldenprobleme vieler Euro-Länder akut und werden zusätzlich durch Rezessionen erschwert. In einem solchen Umfeld kann das Risiko für neuerliche Vertrauensverluste an den Finanzmärkten nicht ausgeschlossen werden. Ein weiteres potenzielles Risiko stellt die angespannte politische Situation im Nahen Osten dar. Im Falle einer militärischen Eskalation könnte sich der jüngste Anstieg der Ölpreise noch erheblich beschleunigen und die internationale Konjunktur zusätzlich belasten.

Auf der andern Seite gilt es allerdings herauszustreichen, dass sich die Schweizer Wirtschaft in den vergangenen Jahren unter vielfach ungünstigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen (globale Finanzkrise, Euro-Schuldenkrise und Frankenstärke) über Erwarten gut behaupten konnte. Dies gilt auch für die jüngste Konjunkturschwäche, die weniger ausgeprägt erscheint als noch vor einigen Monaten zu befürchten war. Diese relative Robustheit könnte auf strukturelle Stärken hinweisen (z.B. erhöhte Krisenresistenz der Exportwirtschaft dank günstiger Diversifizierung nach Branchen und Absatzmärkten, sowie positive Effekte der Zuwanderung auf die Binnennachfrage), die sich auch in den kommenden Jahren positiv auf die gesamtwirtschaftliche Wachstumsdynamik auswirken könnten.

*   Die Expertengruppe des Bundes für die Konjunkturprognosen publiziert viermal pro Jahr eine Prognose der konjunkturellen Entwicklung in der Schweiz. Die aktuelle Prognose von März 2012 wird in dieser Medienmitteilung kommentiert. Die aktuelle Ausgabe der «Konjunkturtendenzen», eine vierteljährliche Publikation des SECO, integriert diese Prognosen und vertieft weitere Aspekte der gegenwärtigen konjunkturellen Entwicklung. Diese Publikation  erscheint in gedruckter Form als Beilage der Februar-, April-, Juli-, und Oktobernummern der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» (www.dievolkswirtschaft.ch). Sie sind ebenfalls kostenlos auch im Internet als pdf-Datei abrufbar, unter http://www.seco.admin.ch/themen/00374/00375/00381/index.html?lang=de.


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