Bundesrat verabschiedet Grundsätze für institutionelle Lösungen mit der EU

Bern, 25.04.2012 - Der Bundesrat hat im Rahmen einer Klausur zu aktuellen Aspekten der schweizerischen Europapolitik verschiedene institutionelle Grundsätze festgelegt. Sie sollen die Grundlage für institutionelle Lösungsvorschläge bilden, die die Schweiz der EU unterbreiten wird. Zunächst werden nun die Aussenpolitischen Kommissionen des National- und Ständerats, die Kantone sowie die Sozialpartner über die Grundsätze konsultiert.

Bei ihrem Arbeitstreffen mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy haben die Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf und Bundesrat Didier Burkhalter am vergangenen 20. März in Brüssel konkrete nächste Schritte zur Erneuerung des bilateralen Wegs erörtert. Beide Seiten vereinbarten dabei, aktuelle Dossiers im Rahmen eines koordinierten und globalen Ansatzes voranzutreiben und in diesem Zusammenhang Lösungen für institutionelle Fragen auszuarbeiten. 

An seiner heutigen Klausur hat der Bundesrat nun verschiedene Grundsätze diskutiert, auf deren Grundlage mit der EU institutionelle Lösungen festgelegt werden sollen. Die Grundsätze beziehen sich unter anderem auf die Einheitlichkeit (Homogenität) der Anwendung und Auslegung von Bestimmungen, die in bilateralen Abkommen festgelegt wurden, ausserdem auf die Rechtsentwicklung, die Überwachung der Anwendung bilateraler Abkommen sowie die Streitbeilegung.

Bei dem Ziel der Homogenität geht es darum zu verwirklichen, dass in dem durch bilaterale Verträge geschaffenen gemeinsamen Rechtsraum möglichst einheitliche Regeln bestehen, welche ebenso einheitlich angewandt und ausgelegt werden.

Die Grundsätze, welche die Rechtsentwicklung regeln, entsprechen jenen, welche der Bundesrat bereits in seinem aussenpolitischen Bericht 2009 verabschiedet hatte: Verhandlungen stützen sich grundsätzlich auf den relevanten Acquis bzw. auf dessen Weiterentwicklungen, sofern die schweizerische Souveränität respektiert wird.

Die Schweiz kann sich im Sinne eines Mitspracherechts („Decision shaping“) an der Weiterentwicklung des EU-Rechts beteiligen. Vertragsanpassungen erfolgen ausschliesslich in gegenseitigem Einvernehmen, und entsprechende Fristen müssen den in der schweizerischen Rechtsordnung vorgesehene Entscheidverfahren (parlamentarische Debatte, Referendum) Rechnung tragen. Kann die Schweiz eine Weiterentwicklung des relevanten Acquis nicht übernehmen, kann die EU angemessene und verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Die Verhältnismässigkeit dieser Massnahmen kann wiederum in einem ad hoc-Schiedsverfahren überprüft werden. 

Bei der Überwachung und der Gerichtsbarkeit strebt der Bundesrat ein Modell an, bei welchem die homogene Rechtsanwendung in der Schweiz durch eine unabhängige nationale Behörde sichergestellt wird, welche bei der Feststellung einer Vertragsverletzung ein gerichtliches Verfahren einleiten könnte.  

Am Beispiel des Schengener Vertrages soll die einheitliche Rechtsauslegung durch gebührende Berücksichtigung der relevanten Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes gewährleistet werden. Dies entspricht der heutigen Praxis des Bundesgerichts. Allfällige Abweichungen in der gerichtlichen Auslegung des Abkommens können geeignete und verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen zur Folge haben. Die Verhältnismässigkeit solcher Massnahmen kann in einem Schiedsverfahren überprüft werden.

Unstimmigkeiten zwischen der Schweiz und der EU sollen im Rahmen eines Streitbeilegungsverfahrens effizienter beseitigt werden können. Meinungsverschiedenheiten sollen zwischen den Parteien primär im Gemischten Ausschuss besprochen werden. Kommt der Gemischte Ausschuss innert einer bestimmten Frist zu keiner Einigung, kann die benachteiligte Partei geeignete und verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Ein Schiedsgericht kann den Umfang, die Dauer und die Verhältnismässigkeit einer Ausgleichsmassnahme überprüfen. 

Diese Grundsätze sollen die Grundlage für eine konkrete institutionelle Lösung im Rahmen der laufenden Verhandlungen über ein Stromabkommen CH-EU bilden. Eine solche Lösung, falls für die Schweiz akzeptabel, könnte Modellcharakter für künftige Abkommen CH-EU im Bereich des Marktzugangs einnehmen. 

Konsultation von Kommissionen, Kantonen und Verbänden. 

Über die Grundsätze, die der Bundesrat heute verabschiedet hat, werden zunächst die Aussenpolitischen Kommissionen des National- und des Ständerats, die Kantone sowie die Sozialpartner konsultiert. Anschliessend soll die EU über die institutionellen Vorschläge der Schweiz in Kenntnis gesetzt werden. 

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