Nationale Fachtagung für gutes Altern

Bern, 26.04.2012 - Rede von Bundesrat Alain Berset - Es gilt das gesprochene Wort

Meine Damen und Herren

Ich freue mich sehr, Ihnen an der heutigen Fachtagung das Grusswort des Bundesrates zu überbringen.

Es ist erfreulich, dass diese Veranstaltung zum guten Altern und zur Solidarität zwischen den Generationen auf so grossen Anklang stösst, dass sogar ein neuer Veranstaltungsort gesucht werden musste.

Die Schweiz hat die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für ein gutes, erfülltes und sinnvolles Leben im Alter. Und zwar dank einer ausgebauten Altersvorsorge, einem qualitativ hochstehenden Gesundheitswesen und nicht zuletzt auch dank der Tätigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Pro Senectute.

Eine Notlage bei zahlreichen alten Personen darf es nicht mehr geben. Wohl nur noch wenige erinnern sich an den Bundesbeschluss von 1929 „betreffend die Unterstützung bedürftiger Greise" zur Linderung des dringenden Fürsorgebedarfs.

Gute Altersvorsorge und Gesundheitsversorgung sind uns nicht einfach in den Schoss gefallen. Nach der Verankerung der AHV in der Bundesverfassung dauerte es noch fast ein Vierteljahrhundert, bis das AHV-Gesetz 1948 in Kraft treten konnte. Auch der Ausbau des Dreisäulensystems bis hin zum Obligatorium der beruflichen Vorsorge 1985 bedurfte mehrerer Anläufe.

Wir dürfen stolz auf das bereits Erreichte sein. Denn die soziale Sicherheit ist die Basis für ein gutes Altern.

Doch die gute Qualität unserer Sozialwerke ist nicht in Stein gemeisselt. Wir müssen sie nachhaltig sichern und ihre Stabilität garantieren.

Stabilité ne veut pas dire immobilité. Il s'agit d'avancer et de progresser sans perdre l'équilibre.

Il faut pour cela agir de manière prospective, écouter, débattre et intégrer. Nous devons élaborer aujourd'hui des solutions pour éviter ces problèmes. Nous sommes donc tenus de rester toujours en mouvement. C'est la seule possibilité de donner aux habitants de ce pays stabilité et sécurité. C'est ainsi que l'on peut trouver des solutions équilibrées que la majorité accepte.

Nicht zuletzt ist die nachhaltige Sicherung unserer Sozialversicherungen auch eine Frage der Fairness und der Gerechtigkeit gegenüber denjenigen, die heute noch jung sind. Verschiedentlich wird bezweifelt, dass das heutige Niveau der sozialen Sicherheit langfristig aufrecht erhalten werden kann. Junge fragen sich, welche Leistungen sie im Alter erwarten können. Sie fragen sich teilweise auch, ob sich ihre Beiträge an die Sicherheit im Alter noch lohnen. Ob sie ihr Geld aus der zweiten Säule noch je sehen werden. Ob sie selber AHV erhalten. Dieses schwindende Vertrauen in unser System der sozialen Sicherheit hat dieses nicht verdient. Es funktioniert gut und wird weiterentwickelt, damit es so bleibt. Unser System basiert auf dem Prinzip der Solidarität der Versicherten und der Generationen.

Mesdames, Messieurs

L'AVS est le parfait exemple de la solidarité et du bien commun. Elle a cette année déjà 64 ans. Le deuxième pilier est obligatoire depuis une génération maintenant. Nous pouvons donc pour la première fois dans l'histoire de notre pays juger les deux piliers d'un point de vue global. Nous avons quelques années pour trouver des solutions pour l'avenir. Je veux mettre ce temps à profit pour discuter ouvertement et sans langue de bois de la prévoyance-vieillesse.

L'un de nos objectifs doit être de renforcer la confiance chancelante dans l'AVS et le deuxième pilier en créant toute la transparence nécessaire quant aux responsabilités, aux sources de financement et aux facteurs de coûts. Lorsque l'on s'attaque à des réformes de ce genre, il ne faut pas seulement envisager des mesures du côté des prestations. Nous devons analyser les possibilités qui nous permettront de maintenir le niveau des prestations et d'apporter des améliorations adaptées aux groupes-cibles.

Ich bin überzeugt, dass wir in der Lage sind, Lösungen zu finden, die den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken und nicht schwächen - wenn wir alle bereit sind, uns zu bewegen.

Denn es ist nicht einfach der Sozialstaat, der die Rahmenbedingungen für ein gutes Altern schafft, erhält und verbessert. Jeder und jede von uns muss dazu beitragen und Selbstverantwortung übernehmen, im Rahmen des Möglichen und des Zumutbaren. Selbstverantwortung steht nicht im Widerspruch zum kollektiven Sicherungssystem, zum Sozialstaat. Denn jeder und jede von uns ist ein Teil dieses Sozialstaates.

Eine solidarische und demokratische Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass jedes Mitglied Verantwortung übernimmt. Für sich selber und als Mitglied dieser Solidargemeinschaft. So sind wir gehalten, aktiv einzustehen für unsere Gesellschaft.

Das bedeutet, unter Umständen auch einen Beitrag zu leisten, ohne von einer direkten Gegenleistung zu profitieren. Gerade Sozialversicherungen funktionieren, weil nicht alle Versicherten die volle Gegenleistung beanspruchen. Denken wir an die Invalidenversicherung - wir bezahlen Beiträge für Leistungen, die die grosse Mehrheit von uns nicht für sich selber benötigt.

Ich denke aber auch an Leistungen zugunsten unserer Gesellschaft in Form von Freiwilligenarbeit, wie sie gerade auch die Pro Senectute fördert; Beiträge in Form von Nachbarschaftshilfe, von Unterstützung durch die Grosseltern, von Pflege und Betreuung von Angehörigen durch Familienmitglieder. Sage und schreibe 15‘000 Freiwillige engagieren sich bei der Pro Senectute in diesen Bereichen. Diese Arbeit ist sehr wichtig und wird angesichts der steigenden Zahl von unterstützungs- und pflegebedürftigen älteren Menschen immer bedeutender. All diese Helferinnen und Helfer verdienen grossen Dank.

Sehr geehrte Damen und Herren

„Auf dem Weg zum guten Altern" - dieses Motto der heutigen Fachtagung beinhaltet Dynamik, Veränderungswillen, Vorwärtsschreiten mit einem gemeinsamen Ziel.

Simone de Beauvoir hat diesen Weg in ihrem grossen Werk „La Vieillesse" („Das Alter") treffend gezeichnet. Ich zitiere: «Wollen wir vermeiden, dass das Alter zu einer spöttischen Parodie unserer früheren Existenz wird, so gibt es nur eine einzige Lösung, nämlich weiterhin Ziele zu verfolgen, die unserem Leben einen Sinn verleihen: die hingebungsvolle Tätigkeit für Einzelne, für Gruppen oder für eine Sache, Sozialarbeit, politische, geistige oder schöpferische Arbeit.» Weiter hält sie fest: «Das Leben behält einen Wert, solange man durch Liebe, Freundschaft, Empörung oder Mitgefühl am Leben der anderen teilnimmt. Dann bleiben auch Gründe, zu handeln oder zu sprechen.» Eine solche Haltung wünsche ich uns allen!

Ich danke Ihnen für Ihr Engagement und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Tagung!


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