Klimawandel fördert Schadinsekten: Beispiel Apfelwickler

Wädenswil, 08.05.2012 - Die Landwirtschaft wird infolge des Klimawandels in Zukunft mit grösseren Schäden durch Insekten rechnen müssen. Einerseits werden neue Schädlinge einwandern oder sich weiter verbreiten. Andererseits werden sich heimische Schädlinge stärker vermehren und schwieriger zu bekämpfen sein. Deshalb untersuchten Insektenspezialisten von Agroscope in Zusammenarbeit mit MeteoSchweiz mittels Computermodellen das Risiko für Schäden durch den Apfelwickler bei zukünftigen Klimaszenarien. Die Resultate zeigen, dass Apfelwickler zahlreicher und länger in den Obstanlagen vorhanden sein werden. Es ist deshalb wichtig, schon jetzt nachhaltige Bekämpfungsstrategien für zukünftige Szenarien zu entwickeln.

Trockenperioden, Regenzeit, Hitzewellen - neben unmittelbar spürbaren Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft zeichnen sich auch indirekte Einflüsse ab. Schon heute wandern neue Schadinsekten in die Schweiz ein oder werden eingeschleppt, weil sie durch die veränderten Witterungsverhältnisse begünstigt werden. Heimische Schädlinge erweitern ihr Verbreitungsgebiet oder passen ihre Lebenszyklen an die längere Saison an. Letzteres gilt auch für den Apfelwickler, dem wichtigsten Schädling im Obstbau. Bereits unter heutigen Klimabedingungen sind erhebliche Bekämpfungsmassnahmen nötig (siehe Kasten). Wie sich der Schädlingsdruck allerdings mit dem Klimawandel weiter verändern wird, war bislang unklar - nicht zuletzt weil die globalen Klimaszenarien viel zu «grob» sind, um daraus den lokalen Einfluss auf Insekten genau zu bestimmen. Insektenspezialisten von Agroscope haben nun in Zusammenarbeit mit Klimaexperten vom Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) diese Lücke geschlossen und am Beispiel Apfelwickler die Auswirkungen des Klimawandels auf Schadinsekten untersucht.

Lokale und zeitlich hochaufgelöste Klimaszenarien

Bei einer mittleren Annahme über den weiteren Ausstoss von Treibhausgasen wird in der Schweiz bis 2060 die Jahresmitteltemperatur je nach Jahreszeit und Region gegenüber heute um 1.2 bis 3.7°C ansteigen (aktuelle Klimaszenarien: www.ch2011.ch). Ausgehend von diesen regionalen Klimaszenarien und unter Verwendung langjähriger Wetterdaten haben die Spezialisten von MeteoSchweiz für zehn Obstbaustandorte stündliche Wetterdaten für das zukünftige Klima simuliert. Dabei kam eine statistische Methode zum Zug, die als «Wettergenerator» bezeichnet wird. Agroscope-Experten haben diese lokalen und zeitlich hochaufgelösten Klimaszenarien benutzt, um die Entwicklung des Apfelwicklers im zukünftigen Klima mit einem bewährten Prognosemodell zu modellieren (siehe Kasten).

In Zukunft früher und länger im Jahr aktiv

Die ersten Falter des Apfelwicklers beginnen derzeit in der Nordschweiz zu fliegen, was den jährlichen Startschuss gibt für die Bekämpfung des Apfelschädlings. Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung zeigen, dass im zukünftigen Klima der Flugbeginn überall zwei Wochen früher stattfinden wird. Hinzu kommt, dass in allen Gebieten der Schweiz mit einer zusätzlichen Generation des Apfelwicklers zu rechnen ist. In der Nordschweiz werden statt 1 bis 2 dann sogar 2 bis 3 Generationen pro Jahr auftreten. Das bedeutet: Die Art wird sich viel stärker vermehren als heute und länger im Jahr bekämpft werden müssen.

Nachhaltig in Schach halten

Der höhere Schädlingsdruck soll aber nicht dazu führen, dass die verfügbaren Pflanzenschutzmittel häufiger eingesetzt werden. Dies könnte nämlich zu resistenten Populationen oder anderen unerwünschten Nebenwirkungen führen. Die Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln mit neuen Wirkmechanismen ist zwar denkbar. Vielmehr sind aber innovative Lösungen gesucht, wie verschiedene bekannte Methoden in idealer Weise kombiniert und optimiert werden können.

«Wir sollten schon heute nachhaltige Strategien entwickeln, damit wir erfolgreich mit der zukünftigen Situation umgehen können», erklärt Jörg Samietz, Leiter der Zoologie bei Agroscope, «Noch mehr Obstbaubetriebe werden auf die Pheromon-Verwirrung umstellen müssen, und die Förderung natürlicher Gegenspieler, also der Nützlinge, wird an Bedeutung gewinnen.»

Apfelwickler und dessen Bekämpfung

Der Apfelwickler ist der wichtigste Schädling im Obstbau. Die Larve dieses Falters bohrt sich direkt in die Frucht hinein - und verdirbt uns als «Obstmade» den Genuss. Heute treten im Norden der Schweiz pro Jahr 1 bis 2 Generationen, im Süden immer 2 Generationen auf. Dabei können sich die Insekten stark vermehren.

Um den Schädling möglichst effizient und ohne negative Auswirkungen auf Früchte und Umwelt bekämpfen zu können, sind gezielte, auf den jeweiligen Entwicklungsstand des Schädlings abgestimmte Pflanzenschutzmassnahmen nötig. Agroscope hat dazu das Online-Prognosesystem SOPRA entwickelt (www.sopra.info), welches die Entwicklung von Obstschädlingen in Abhängigkeit von klimatischen Faktoren präzise vorhersagen kann. Auch für den Apfelwickler ist ein entsprechendes Modell in SOPRA integriert, auf dessen Basis Massnahmen zum Pflanzenschutz vorgeschlagen werden.

Im Vordergrund steht dabei die Anwendung von gezielt wirkenden, möglichst umweltfreundlichen Methoden. Dazu gehören: Die Pheromon-Verwirrung, bei der die Männchen mit Sexuallockstoffen überflutet werden und so die Weibchen nicht mehr finden; der gezielte Einsatz von Insektenwachstumsregulatoren, die Entwicklungsprozesse im Insekt stören; und Viruspräparate, die ausschliesslich gegen den Apfelwickler wirken.

Publications scientifiques:

Stoeckli S, Hirschi M, Spirig C, Calanca P, Rotach MW, Samietz J (2012) Impact of Climate Change on Voltinism and prospective Diapause Induction of a Global Pest Insect - Cydia pomonella (L.). PLoS ONE 7(4): e35723 DOI: 10.1371/journal.pone.0035723 http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0035723

Hirschi M, Stoeckli S, Dubrovsky M, Spirig C, Calanca P, Rotach MW, Fischer AM, Duffy B. and Samietz J. (2012). Downscaling climate change scenarios for apple pest and disease modeling in Switzerland. Earth Syst. Dynam., 3, 33-47. http://www.earth-syst-dynam.net/3/33/2012/esd-3-33-2012.pdf


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