50-Jahr-Jubiläum des Empa Campus

Dübendorf, 19.08.2013 - Rede von Johann N. Schneider-Ammann, Bundesrat, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF | Dübendorf

Sehr geehrter Herr Präsident des ETH-Rates,
Sehr geehrter Herr Direktor der Empa,
Sehr geehrte Frau Regierungsrätin Aeppli,
Sehr geehrter Herr Stadtpräsident von Dübendorf,
Sehr geehrte Damen und Herren aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.

Es ist mir eine grosse Freude und Ehre, am 50-Jahr-Jubiläum des EMPA-Campus Dübendorf bei Ihnen sein zu dürfen.

Ich entbiete Ihnen zum heutigen Festtag die besten Glückwünsche des Bundesrates und letztlich der gesamten Schweizer Bevölkerung, die mit allem Recht stolz ist auf ihren Bereich der Eidgenössischen Technischen Hochschulen mit seinen erfolgreichen Institutionen und leistungsstarken Forschungsanstalten.

Hier in diesem Saal kann ich gut sagen: I feel at home.

Und das nicht erst, seit anfangs Jahr die Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik in mein Departement eingegliedert wurde und ich vom Wirtschafts-  auch zum „Know-How-Minister mutiert bin.

Nein, die Empa und ich sind sozusagen langjährige Bekannte. Begegnet bin ich der Empa zum ersten Mal als junger ETH-Student - und ich habe damals schon grösste Achtung und Respekt gehabt vor den Arbeiten der Eidgenössischen Materialprüfungs-Anstalt. Der Respekt war so gross, dass ich als Leiter einer KMU später länger gezögert habe, mit der Empa betreffend eigener Projekte in Kontakt zu treten.

Die Empa ist etwas für die Grossen, habe ich mir damals eingeredet, die wollen und können sich doch gar nicht um die Anliegen von Klein- und Mittelbetrieben kümmern. Es hat also einiges gebraucht, dann den Kontakt mit der Empa doch zu suchen. Und es zeigte sich, meine Berührungsangst war übertrieben.

Denn es entwickelte sich sogleich eine ausgezeichnete und fruchtbare Zusammenarbeit. Eine KMU-typische Zusammenarbeit, auf die ich gerne zurückblicke und die auch für die Zukunft motiviert.

Wie Geburtstage, so sind Jubiläen ein guter Grund zum Feiern. Das wollen wir heute ausgiebig tun. Das haben in aller erster Linie Sie, sehr geschätzter Herr Professor Bona, und Ihre multinationale Crew sich redlich verdient.

Und ebenso laden Jubiläen dazu ein, einen Marschhalt zu machen: um zurückzublicken, um auf die Gegenwart zu schauen und von heute aus auch in die Zukunft zu denken. Letzteres ist Ihnen ja bestens vertraut.

Ein Rückblick

Wenn Sie mir erlauben, kurz zurückzublicken, so möchte ich das nicht als Wissenschaftshistoriker tun (der ich ja auch nicht bin). Nein, es geht mir aus politischer Sicht um den Hinweis darauf, wie konsequent die Empa in ihrer Geschichte im Dienste einer sich fortlaufend entwickelnden Gesellschaft gestanden ist und wie sehr die Empa die gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes in den verschiedensten Facetten selbst mitgestaltet und ermöglicht hat.

Wir sprechen ja neudeutsch gerne von „enablern" - von Ermöglichern. Nun, das E in Empa könnte meines Erachtens auch gut für dieses Ermöglichen stehen.

Warum?

Die Empa arbeitet immer am Nerv der jeweiligen Zeit: Im ausgehenden 19. Jahrhundert war sie an den ersten Untersuchungen zu sicheren Baumaterialien und tragfähigen Eisenbahnbrücken in den infrastrukturellen Schweizer Pionierzeiten beteiligt; in den letzten Jahrzehnten hat sie sich als veritables international renommiertes Kompetenzzentrum in Sachen Oberflächen und Oberflächenbeschichtungen etabliert; heute leistet sie wesentliche Beiträge beispielsweise zum aktuellen Forschungsschwerpunkt „Gesundheit und Leistungsfähigkeit".

Die Empa liefert neues Wissen für ein sich veränderndes Umfeld und in einem sich verändernden Umfeld, seien diese Veränderung nun wirtschaftlich, sozial oder kulturell. Um im Dienste der Gesellschaft stehen zu können, braucht eine öffentliche Institution ebenso wie eine private Unternehmung fortwährende Selbstreflexion über ihr Tun und Handeln.

Stehenbleiben bedeutet Rückschritt. In der Tat steht das Kürzel „Empa" für eine öffentliche Einrichtung, die sich seit ihrem nun über 130-jährigen Bestehen immer wieder erfolgreich neu erfinden und neu ausrichten konnte.

Sie hat sich in verschiedenen Etappen markant verändert, nicht nur was die Standorte betrifft. Sie ist von einer ursprünglichen „Prüfanstalt", gleichsam dem technischen Nachvollzug verpflichtet, zu einer hochmodernen und schlagkräftigen „Innovationsschmiede" geworden.

Diese Innovationsschmiede erarbeitet und besitzt profundes wissenschaftliches Knowhow, und sie gibt dieses in engem Praxisbezug und industrienah aufgestellt weiter, sei dies nun an kleine und mittlere Unternehmen oder an Grosskonzerne.

Dübendorf als neuer Standort des Empa-Hauptquartiers seit 1963 und nunmehr also 50 Jahren widerspiegelt die vorwärtsdrängende Entwicklung der damaligen Eidgenössischen Materialprüfungs- und Versuchsanstalt für Industrie, Bauwesen und Gewerbe und ebenso die Entwicklung der Forschung selbst. Die potenzielle Kundschaft der Empa hatte sich erweitert.

Die Bedürfnisse dieser Kundschaft waren grösser, vielfältiger und komplexer in ihrer Befriedigung geworden. Diese Herausforderungen galt es anzunehmen.

Erfolgreiche Wissenschaft und Forschung brauchten damals wie heute Platz und zwar in doppeltem Sinne.

  • Platz im Sinne von Freiheit, Freiraum und Autonomie.
    In Zeiten lange vor der eigenverantwortlichen Führung mit Leistungsvereinbarungen und Globalbudgets wurde dies den Institutionen des ETH-Bereichs zugestanden und namentlich auch die Empa hat den bekommenen Freiraum Bottom-up äusserst erfolgreich genutzt.
  • Es geht aber zweitens auch um entwicklungsfähigen Platz und Raum für die Aufgaben, welche die Empa nach und nach übernommen hat. Dübendorf, damals noch lange keine Stadt, bot diesen Entwicklungsraum. Der Campus der heutigen Empa mit seinen hochmodernen Laboratorien und Forschungsinfrastrukturen ist mithin ein Symbol für die ineinander verzahnt verlaufene Entwicklung der Schweiz zu einer Wissensgesellschaft und Wissenswirtschaft.

Die Gegenwart

Ich komme zur Gegenwart.

Unser Land, dessen Geburtstag wir gerade eben wieder gefeiert haben, ist eine Erfolgsstory. Unser BIP wächst; vielleicht moderat, aber es wächst selbst in diesen wirtschaftlich wirklich schwierigen Zeiten. Unsere Arbeitslosenrate ist im weltweiten Vergleich eine der tiefsten. Ich werde nicht müde zu betonen, wie wichtig gerade auch unsere tiefe Jugendarbeitslosigkeit ist! Verschiedene unserer Wirtschaftszweige haben zwar gegen harte Konkurrenz zu kämpfen, aber der Werkplatz Schweiz insgesamt ist auf Kurs.

Warum ist das so?

Weil wir sehr innovativ sind, innovativer jedenfalls als die meisten unserer Konkurrenten. Weil wir in diesem Land einen Sinn für Qualität und Einfallsreichtum entwickelt haben. Weil es unzählige Ideen gibt, weil es glücklicherweise genügend mutige Mitmenschen gibt, die diese Ideen realisieren wollen und realisieren können. Weil die staatlichen Rahmenbedingungen diese Realisierung begünstigen und nicht blockieren - und weil es Institutionen wie die Empa gibt.

Meine Damen und Herren, wir Politiker schielen gerne auf die Spitzenplätze in den verschieden Rankings. Ein Spitzenplatz im Innovationsranking ist fantastisch - aber, und das bin ich mir durchaus bewusst, dies ist gleichzeitig auch die unbequemste Position auf dem Treppchen. Den Spitzenplatz zu halten, dürfte schwieriger sein, als ihn zu erreichen.

Dennoch und gerade deswegen müssen wir die Stellung des „Leaders" in der Innovation behalten. Dies soll und muss zum Wohle der Bewohnerinnen und Bewohner unseres kleinen Landes auch in Zukunft so bleiben. Dass das gelingen kann, hängt zu einem Gutteil vom Engagement, von der Tatkraft und vom Weitblick unserer Firmen und dabei namentlich auch unserer zahlreichen KMUs ab. Innovation behauptet sich ja letztlich am Markt.

Aber natürlich ist auch die öffentliche Hand gefordert. Es ist eminente Aufgabe des Bundes und der Kantone, möglichst vielen Menschen in der Schweiz eine möglichst gute Ausbildung zu ermöglichen, egal ob auf den praxisorientierten Wegen der Berufsbildung oder auf dem akademischen Weg.

Und es ist bedeutende Aufgabe des Bundes, die Grundlagenforschung zu fördern - und dort, wo das im Zusammenspiel mit dem Privatbereich komplementär und sinnvoll ist, fokussiert auch die anwendungsorientierte Forschung.

Dazu brauchen wir auch in Zukunft ganz stark die Institutionen des ETH-Bereichs. Wir brauchen eine Empa, die immer wieder auf der Höhe ihrer Zeit ist und zwar thematisch und institutionell. Beides trifft heute sicher zu!

Eine Empa thematisch auf der Höhe ihrer Zeit.

  • Nanomaterialien gelten weltweit als zukunftsträchtiges Feld der Forschung und sind Wegbereiter marktfähiger Innovation.
  • Das Forschungsfeld „Sustainable built environment" ist zentral für die Zukunft unseres gesamten Planeten. Eine stetig wachsende Weltbevölkerung bei gleichzeitigem Schwinden der Bodenschätze, die das Industriezeitalter ermöglicht haben, der Klimawandel, das Wasser: Wir brauchen heute wie wohl noch nie Ergebnisse aus der Wissenschaft und Forschung, um technologisch machbare und politisch mehrheitsfähige Antworten auf die sich stellenden Herausforderungen geben zu können.
    Ich freue mich, dass Ihre modulare Plattform NEST bald realisiert wird.
  • Und natürlich spielt die Empa eine bedeutende Rolle bei der Energie-Thematik. Ich bin überzeugt davon, dass die Empa zusammen mit den anderen Institutionen des ETH-Bereichs und im Zusammenspiel mit den Fachhochschulen und Universitäten bei der Umsetzung des Aktionsplans „Koordinierte Energieforschung Schweiz" ihre Kompetenzen gewichtig einbringen wird.

Eine Empa institutionell auf der Höhe ihrer Zeit.

Damit meine ich, dass eine enge Vernetzung und Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Institutionen im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation heute unabdingbar geworden ist. Die Empa fungiert schon lange als Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, und sie lotet neue Gebiete und Technologien auf ihre Machbarkeit und Nachhaltigkeit hin aus. Im Bereich der Public-Private-Partnership ist sie ein Trendsetter dank hoher Qualität, grosser Kreativität und gleichzeitig nüchternem Sinn für die Realität und das Machbare.

Mit ihrem wissenschaftlichen Portefeuille und ihrem technischen Know-how strahlt die Empa weit über unsere Landesgrenzen hinaus; die äusserst erfolgreiche Teilnahme an Projekten der Millionen schweren europäischen Forschungsrahmenprogramme ist ein Beleg dafür.

Ein Ausblick

Ich werfe zum Schluss einen Blick in die Zukunft.

Bei Dübendorf denken heute viele an eine prosperierende Vorortsgemeinde der Stadt Zürich. Aviatikfans denken an das einzigartige Fliegermuseum. Die Luftwaffe denkt an einen zur Disposition stehenden Standort. Die Duftexperten dieser Welt kennen Dübendorf (Givaudan). Und die Wissenschafts- und Wirtschaftskreise denken an die Empa oder an das Eidgenössische Wasserforschungsinstitut Eawag.

Bald, so wage ich zu behaupten, stellen viele Dübendorf auch in Zusammenhang mit einem dort angesiedelten florierenden Innovationspark.

Aktuell ist dies zwar noch eine gedankliche Baustelle, aber die notwendigen Profile für den konkreten Bau stehen schon heute solide da:

  • Das neue Forschungs- und Innovationsförderungsgesetz des Bundes schafft die rechtliche Grundlage zur Errichtung eines schweizerischen Innovationsparks mit internationaler Ausrichtung und mit mehreren Standorten.
  • Mitte Juni dieses Jahres hat die Konferenz der kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren VdK ein gewichtiges Wort zur Standortfrage gesprochen. Neben weiteren Netzwerkstandorten sollen die zwei Hubs des Schweizerischen Innovationsparks im Umfeld der beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Lausanne und in Zürich entstehen.
  • Gleichzeitig habe ich als Vorsteher des WBF sichergestellt, dass mein Departement in die aktuellen Gesprächen zur allfälligen zivilaviatischen Nutzung von Dübendorf eingebunden ist und dass also die Belange der Innovation nicht vergessen gehen.

Das Dossier Innovationspark gehört wahrscheinlich zu den komplexeren politischen Diskussionen in diesem Land, geht es doch nicht nur um Zusammenarbeit, sondern durchaus auch um Konkurrenz. Aber Konkurrenz spornt an, das zeigen uns beispielhaft die beiden ETH! Darum meine Überzeugung, dass wir bei der Konkretisierung und Umsetzung dieses für die Schweiz neuen Modells zu jeweils breit abgestützten Lösungen finden, welche die Innovationskraft unseres Landes auf lange Sicht stärken.

Der ETH-Bereich insgesamt wird dabei selbstverständlich ein wichtiger Partner sein. Und dass neben der ETH Zürich auch die Empa beim Standort Dübendorf eine wirklich bedeutende Funktion einnehmen wird, steht für mich ebenso ausser Frage.

Denn die Empa bringt zweifellos einiges davon mit, das es für den Erfolg des Innovationsparks Dübendorf braucht. Sie ist eine der innovativsten Schweizer Forschungsinstitutionen und unterhält, wie erwähnt, fruchtbare Partnerschaften aus dem öffentlichen und privaten Bereich im gesamten Europa und über den Kontinent hinaus.

Sie entwirft kreative Ideen und formt tagtäglich die klugen Köpfe, die „Brains", die der Rohstoff unseres Landes sind. Und die Empa ist vor allem auch gut geübt in der Organisation des Zusammenwirkens aller Kräfte, von der wissenschaftlichen Forschung über die Technologieumsetzung bis hin zur Finanzwirtschaft.

Ziel des Innovationsparks muss sein, die innerhalb unseres Landes vorhandenen vielfältigen Forschungs- und Entwicklungskompetenzen enger miteinander zu verschränken, sodass die Synergien besser erkannt und genutzt werden können.

Dazu zählt insbesondere auch ein noch effizienterer Wissens- und Technologietransfer: neue Erkenntnisse und Entdeckungen müssen möglichst rasch in nachhaltige Innovationen auf dem Mark umgesetzt werden können. Wenn wir auf der nationalen und internationalen politischen Bühne von „Wissens- und Technologietransfer" sprechen - dann denke ich, meine Damen und Herren, im Geiste immer an die Empa.

Mit grosser Freude habe ich erfahren, dass die Empa auch hier neue Wege ausprobiert: das kürzlich zum ersten Mal durchgeführte „Innovationsforum" war dem Thema „Open Innovation" gewidmet - und ich habe vernommen, dass es eine ausgesprochen erfolgreiche Veranstaltung war, die Sie weiterführen werden.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch dies sagen.

Es ist ja schon erstaunlich, dass ein kleines Land wie die Schweiz so viele Grundvoraussetzungen für Innovationen erfüllt:

  • Weltoffenheit und internationale Ausrichtung und Anbindung
  • bestens ausgebildete Menschen
  • hervorragende Hochschulen und Forschungsinstitutionen
  • zahlreiche Hightech-KMUs sowie international tätige Grosskonzerne.

Unsere vielbeklagte Kleinräumigkeit scheint sich in diesem Falle als veritable Stärke zu erweisen. Wenn es uns gelingt, die Kräfte zu bündeln und daraus ein neues Momentum zu entwickeln, dann werden wir hier in Dübendorf bestimmt noch manches Fest feiern können, zusammen mit der ETH Zürich, der Empa und ihren inländischen und ausländischen öffentlichen oder privaten Partnern.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Es gilt das gesprochene Wort


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