AlpFUTUR: Welche Zukunft hat die Alpwirtschaft in der Schweiz?

Zürich, 01.10.2013 - Im Forschungsprogramm „AlpFUTUR – Zukunft der Sömmerungsweiden in der Schweiz“ haben sich 17 Institutionen während fünf Jahren intensiv mit den Zukunftsperspektiven der Schweizer Alpwirtschaft auseinander gesetzt. Am 1. Oktober verschafften sich rund 160 Forschende, Älplerinnen, Behördenvertreter, Beraterinnen und andere Alpinteressierte in Schüpfheim (LU) eine Gesamtsicht über die Resultate und Handlungsempfehlungen. Das neu vorgestellte AlpFUTUR-Buch mit seinen beiden Dokumentarfilm-DVDs steht beispielhaft für die Umsetzung der Resultate in die Praxis.

„Die wichtige Arbeit im rauen Bergklima, welche Bergbauernfamilien und Älplerinnen und Älpler jeden Sommer leisten, wird anerkannt und von allen geschätzt“, erklärt Nationalratspräsidentin und Bio-Bäuerin Maya Graf im neuen Buch „Zukunft der Schweizer Alpwirtschaft“, das an der  AlpFUTUR-Schlusstagung in Schüpfheim erstmals präsentiert wurde. In den Bergregionen weiden jeden Sommer 400‘000 Kühe, Rinder und Kälber, 210‘000 Schafe sowie Pferde, Ziegen, Lamas und weitere Wiederkäuer. Das  Gras der Alpen wird so zur Erzeugung von Milch, Käse und Fleisch genutzt. Die 4655 Quadratkilometer Sömmerungsweiden in den Alpen und im Jura entsprechen einem Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche der Schweiz oder elf Prozent der Landesfläche. 7000 Alpbetriebe erwirtschaften dort jährlich 280 Millionen Franken. Das entspricht elf Prozent des Einkommens der Landwirtschaftsbetriebe, in den Bergregionen erreicht dieser Anteil ein Drittel. Zudem trägt die Alpwirtschaft zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität bei sowie zum Schutz vor Naturgefahren. Sie prägt die Landschaft im Alpenraum wesentlich mit und steigert deren Attraktivität für den Tourismus.

Biodiversität erhalten

„Schweizweit betrachtet hat die Nutzung der Alpen entgegen der landläufigen Wahrnehmung seit dem Jahr 2000 nicht abgenommen, regional gesehen, beispielsweise im Misox oder im Wallis, aber sehr wohl“, erklärt WSL-Forscherin Rosa Böni. Welche Auswirkungen dies für die alpwirtschaftliche Nutzung und die Artenvielfalt hat, erklärt Gabriela Hofer von Agroscope. Ihr Team konnte zeigen, dass eine ungebremste Verwaldung der Alpweiden ab 2020 in manchen Regionen zu einem Rückgang der Artenvielfalt führen würde. Eine teilweise Verbuschung jedoch muss nicht in jedem Fall negativ sein: Mosaike von Zwergsträuchern und Alpweiden können ganz besonderen Tier- und Pflanzenarten wie zum Beispiel der Kleinen Sterndolde (Astrantia minor) Lebensraum bieten.

„Ein gewisser Grad an Verbuschung und Wiederbewaldung wird von der Gesellschaft nicht zwingend negativ bewertet“, bilanziert WSL-Forscherin Irmi Seidl. Ihre Untersuchungen zeigen, dass die Alpwirtschaft die Balance zwischen Authentizität („Unverfälschtheit“) und Modernität immer wieder neu finden muss. Für die Zukunft der Alpwirtschaft ist es nämlich entscheidend, ob die Gesellschaft die dort geleistete Arbeit als wichtig und förderungswürdig einschätzt.

Alppersonal als Schlüsselfaktor

Aber auch die Wertesysteme der alpenden Bäuerinnen und Bauern sowie der Älplerinnen und Älpler bestimmen die Entwicklung des Sömmerungsgebietes mit: Die Tradition spielt eine grosse Rolle, wenn sich Landwirtschaftsbetriebe dafür entscheiden, ihre Tiere auf den Alpen zu sömmern.

Ist es heute noch zeitgemäss, im Sommer drei Monate lang auf einer Alp Kühe zu hüten? Die Ergebnisse einer Umfrage von Chiara Calabrese von Agroscope zeigen, dass gut ausgebildetes Alppersonal ein Schlüssel zum Erfolg einer Alpsaison ist und oft auch eine Sorge der Alpverantwortlichen. Die Wertschätzung für ihre Arbeit und eine minimale Infrastruktur auf der Alp wurden als die wichtigsten Faktoren genannt, um bewährtes Alppersonal zu halten und neue Älplerinnen und Älpler zu rekrutieren.

Ergebnisse von AlpFUTUR in der neuen Agrarpolitik

Die Viehsömmerung und die Arbeit in den Alpbetrieben prägen die Schweizer Kulturlandschaft – doch gehen immer weniger Tiere auf die Alp, wenn auch oft länger als früher. Manchenorts lohnt sich die Bewirtschaftung von weniger produktiven Alpweiden nicht mehr. Jedes Jahr werden so Sömmerungsweiden mit einer Fläche des Walensees (rund 2400 ha) zu Wald. Die neue Agrarpolitik, die am 1. Januar 2014 in Kraft tritt, hat die von AlpFUTUR aufgeworfenen Probleme der Unternutzung erkannt und erstmals Massnahmen zur Bekämpfung der aufkommenden Vergandung und Verbuschung getroffen. Die Herausforderung besteht darin, Bewährtes weiterhin zu ermöglichen und den gut funktionierenden Betrieben ihre Freiheiten zu lassen, gleichzeitig aber Fehlentwicklungen zu begegnen.

 

„Zukunft der Schweizer Alpwirtschaft. Fakten, Analysen und Denkanstösse aus dem Forschungsprogramm AlpFUTUR“ – Neuerscheinung am 1. Oktober

Jahr für Jahr ziehen Tausende Älplerinnen und Älpler mit dem Vieh auf die Alp. Seit Jahrhunderten nutzen sie die hoch gelegenen Alpweiden, um 100‘000 Milchkühe, 35‘000 Mutterkühe, 180‘000 Rinder und 90‘000 Kälber sowie Schafe und Ziegen zu sömmern und hochwertige Produkte herzustellen. Dabei treffen Tradition und Moderne aufeinander, die Alpwirtschaft befindet sich in stetem Wandel. Im interdisziplinären Forschungsprogramm AlpFUTUR haben sich Forschende und Umsetzungsfachleute in 22 Projekten mit der Zukunft der Schweizer Alpwirtschaft in all ihren Facetten auseinander gesetzt. AlpFUTUR wird von Agroscope und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL koordiniert.

Das Buch zum Forschungsprogramm zieht das Fazit aus AlpFUTUR. Es stellt den Stand des Wissens thematisch gegliedert und gut verständlich dar und gibt klar formulierte Empfehlungen ab. Es richtet sich an alle, die sich für die Alpwirtschaft und ihre Zukunft interessieren – sei es beruflich oder privat.

Dem Buch sind die AlpFUTUR-Umsetzungsfilme „Von Älplern für Älpler“ sowie der Dokumentarfilm „Sommerzeit“ als DVD beigelegt. Die Veröffentlichung der französischen und italienischen Ausgabe ist für Frühsommer 2014 geplant. Das Buch kann bei der Eidg. Forschungsanstalt WSL für Fr. 30.- (zuzügl. Porto) bezogen werden. 


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Dr. Felix Herzog, Leiter Forschungsgruppe Agrarlandschaft und Biodiversität
Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART
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felix.herzog@agroscope.admin.ch
+41 (0)44 377 74 45

Dr. Stefan Lauber, Eidg. Forschungsanstalt WSL
Forschungseinheit Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Forschungsgruppe Umwelt- und Ressourcenökonomie
Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, Schweiz
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