SIL-Prozess Flughafen Zürich: Bund für drei Betriebsvarianten und gegen Parallelpiste

Bern, 03.07.2008 - Der Bund will die drei verbliebenen Betriebsvarianten als Basis für das Objektblatt verwenden und auf die raumplanerische Sicherung einer Parallelpiste verzichten. So lauten die Entscheide im Prozess Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt (SIL) für den Flughafen Zürich. Dadurch bleiben sowohl der Entwicklungsspielraum des Flughafens als auch alle Optionen für die Gespräche mit Deutschland über die Nutzung des süddeutschen Luftraumes erhalten.

Am Koordinationsgespräch 3 von Anfang April hatten der Standortkanton Zürich und die Nachbarkantone Stellung genommen zu den drei im SIL-Prozess verbliebenen optimierten Betriebsvarianten für den Flughafen Zürich und zur Frage, ob die Option einer Parallelpiste durch eine raumplanerische Sicherung des entsprechenden Bodens offen gelassen werden soll. Unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Nachbarkantone und nach Rücksprache mit dem Kanton Zürich und der Flughafen Zürich AG (Unique) hat der Bund jetzt seine Entscheide getroffen.

Betriebsvarianten: Der Bund will alle drei Varianten als Basis für das SIL-Objektblatt heranziehen und das Spektrum an möglichen Betriebsformen nicht weiter einengen. Es handelt sich um die Varianten E optimiert und E DVO auf dem bestehenden Pistensystem sowie die Variante J optimiert auf dem System mit verlängerten Pisten. Die Varianten enthalten Spielraum, damit sich der Flughafen weiterentwickeln kann. Sie sind das Ergebnis umfangreicher Optimierungen, sowohl bei den Auswirkungen auf die Umwelt als auch bei den Anforderungen an die Sicherheit und die Kapazität des Flughafenbetriebs.

Die Varianten E optimiert und E DVO basieren auf dem heutigen Betriebskonzept. Der Hauptunterschied liegt darin, dass E optimiert die deutschen Sperrzeiten am Morgen und Abend für Anflüge über den süddeutschen Luftraum nicht einhält, während E DVO die deutsche Verordnung berücksichtigt. E DVO enthält zudem als Option den gekröpften Nordanflug, sofern er dereinst in Form eines satellitengestützten Präzisionsanfluges verfügbar sein wird und die Anforderungen in Bezug auf Sicherheit und Kapazität zu erfüllen vermag. Die Variante J optimiert fusst auf verlängerten Pisten (10-28 sowie 14-32) und beinhaltet eine Kombination von Nord- und Ostbetrieb. Während Anflugwellen enthält J optimiert Landungen von Norden, bei Startwellen Anflüge aus Richtung Osten. Da die Verlängerung im Westen ausreicht, damit alle Flugzeugtypen auf der Piste 28 landen können, wird der ursprünglich geplante Ausbau auch im Osten fallengelassen. J optimiert hält die deutschen Sperrzeiten nicht ein. Eine Variante mit Pistenausbauten und den entsprechenden Investitionen kommt für die Schweiz nur in Frage, wenn es gelingt, mit Deutschland eine neue Vereinbarung für die Nutzung des Luftraums über Süddeutschland zu finden. Der Entscheid des Bundes, alle drei Betriebsvarianten im SIL-Prozess zu belassen, entspricht der Haltung sowohl des Kantons Zürich als auch der Flughafen Zürich AG.

Raumplanerische Sicherung Parallelpiste: Das Instrument der raumplanerischen Sicherung bietet die Möglichkeit, die erforderliche Fläche für ein bestimmtes Vorhaben zu reservieren und dadurch von anderen Nutzungen freizuhalten. Es wurde im Rahmen des SIL-Prozesses abgeklärt, welche Auswirkungen eine raumplanerische Sicherung für eine allfällige Parallelpiste auf dem Flughafen Zürich haben würde. Zwei unabhängige Gutachten kamen zum Schluss, dass eine solche Sicherung Sinn machen würde. Einerseits liesse sich damit der Spielraum des Flughafens für eine Entwicklung gemäss prognostizierter Nachfrage  (bis zu 450'000 Bewegungen im Jahr 2030) erhalten, anderseits stuften die Gutachter die Folgen einer solchen Sicherung für die betroffene Region als vergleichsweise gering ein. Der Zürcher Regierungsrat hatte sich von Anfang an klar dagegen ausgesprochen, eine Parallelpiste raumplanerisch zu sichern.

Der Bund anerkennt zwar, dass es aus einer rein raumplanerischen Sicht wünschenswert erscheinen mag, die Option für eine Parallelpiste zu erhalten und den entsprechenden Boden in den kommenden Jahren nicht anderweitig zu nutzen. Er teilt jedoch die Haltung der Experten nicht, wonach die Auswirkungen einer solchen Massnahme nur marginal wären. Die betroffene Region wäre mit einer grossen Unsicherheit konfrontiert, was die künftige Nutzung des entsprechenden Gebiets als Wohn- und Lebensraum angeht. Zudem hätte ein solcher Schritt eine grosse negative Signalwirkung auf die Wohnqualität in den tangierten Gemeinden und brächte Einschränkungen mit sich, die nicht vertretbar sind.

Eine raumplanerische Sicherung käme nur dann in Frage, wenn der Bau einer Parallelpiste am Flughafen Zürich tatsächlich realistisch wäre. Angesichts der Dimension eines solchen Vorhabens in einer dicht besiedelten Region stuft der Bund die Chancen einer Parallelpiste aus heutiger Sicht aber als gering ein. Beträchtliche Verschiebungen bei der Lärmbelastung, der Verlust von Moorschutz- und Naturgebieten, die notwendige Verlegung von Häusern, Strassen und eines Waffenplatzes sind alles Gründe, die gegen eine Verwirklichung sprechen.

Wie der Zürcher Regierungsrat beurteilt auch der Bund die Auswirkungen einer derartigen Massnahme auf die betroffenen Gebiete als kritisch. Die Flughafen Zürich AG hingegen hat die raumplanerische Sicherung unterstützt mit dem Argument, dass es dereinst nur mit einer Parallelpiste gelingen werde, den prognostizierten Verkehr abwickeln zu können.

Durch den Verzicht auf eine raumplanerische Sicherung einer Parallelpiste wird der Flughafen Zürich möglicherweise langfristig die Nachfrage an Flugbewegungen nicht befriedigen können. Dennoch sieht der Bund dessen Rolle als Drehscheibe im internationalen Luftverkehr nicht in Gefahr. Voraussetzung ist allerdings, dass sowohl beim Betrieb auf dem bestehenden Pistensystem wie auch bei allenfalls verlängerten Pisten das Optimierungspotenzial ausgenutzt werden kann.

Betriebselemente: Noch nicht entschieden wurde über einzelne Elemente in den drei Betriebsvarianten, die im Rahmen der Optimierung entstanden sind. Es sind dies zum Einen Starts nach Süden geradeaus, um die Stabilität des Betriebs in bestimmten Situationen erhöhen zu können. Zum Anderen geht es um zusätzliche Landungen aus Süden bei der seltenen Situation mit starkem Nordostwind. Zuerst sollen detaillierte Erkenntnisse über die Auswirkungen dieser Elemente sowohl auf den Flugbetrieb als auch auf das Umfeld gewonnen werden. Unter anderem braucht es dafür Lärmberechnungen. Diese Elemente sind an die klare Bedingung geknüpft, dass sie die Sicherheit und Stabilität des Flughafenbetriebs gewährleisten und die Gesamtbelastung der betroffenen Bevölkerung nicht wesentlich erhöhen.

Sistierung: Indem alle drei verbliebenen Varianten weiterverfolgt werden und auf eine eigentliche Wahl einer Betriebsform verzichtet wird, bleiben die Entwicklungsmöglichkeiten des Flughafens und die Optionen für eine Lösung mit Deutschland gewahrt. Dadurch ist auch einem Anliegen des Kantons Zürich und der Flughafen Zürich AG Rechnung getragen, womit sich eine Sistierung des SIL-Prozesses erübrigt. Flughafen und Kanton Zürich hatten den Prozess aussetzen wollen, bis die Resultate aus der Analyse der Belastung vorliegen, die der Flugbetrieb in Süddeutschland verursacht. Den entsprechenden Auftrag haben der Bundesrat und die deutsche Bundeskanzlerin Ende April einer deutsch-schweizerischen Arbeitsgruppe auf Fachebene erteilt. Die Belastungsanalyse soll die Basis bilden, um mit Deutschland eine tragfähige Vereinbarung über die Benutzung des süddeutschen Luftraums zu finden. Die Schweiz benötigt für die weiteren Diskussionen mit Deutschland planerisch abgesicherte Grundlagen aus dem SIL. Zudem soll der Prozess so bald als möglich zu Ende geführt werden, um für den Flughafen und die Bevölkerung Rechtssicherheit schaffen zu können.

Nächste Schritte: Mit diesen Entscheiden tritt der Koordinationsprozess in seine letzte Phase. Das BAZL wird in einem nächsten Schritt den Schlussbericht erstellen, zu dem die Kantone wiederum Stellung nehmen können. Der Bericht wird die Ergebnisse der Koordinationsphase enthalten und aufzeigen, wo die Beteiligten eine Einigung erzielen konnten und wo noch Differenzen bestehen. Anschliessend erarbeitet das BAZL auf der Grundlage der jetzt gefällten Beschlüsse und den Stellungnahmen zum Schlussbericht den Entwurf für das SIL-Objektblatt, das nächstes Jahr gemeinsam mit den Richtplänen der raumplanerisch betroffenen Kantone Zürich, Aargau und Schaffhausen in die öffentliche Mitwirkung gehen soll. Die abschliessende Genehmigung des Objektblattes und der kantonalen Richtpläne durch den Bundesrat ist für 2010 vorgesehen.



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