Verleihung des 29. Nationalen Latsis-Preises 2012

Bern, 10.01.2013 - Rede (Hochdeutsch und Französisch) von Johann, N. Schneider-Ammann, Bundesrat, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF

Madame et Monsieur les conseillers fédéraux,
Monsieur le Président du Conseil-exécutif,
Monsieur le Président du Conseil de la Fondation Latsis et les membres de la famille Latsis,
Monsieur le Président du Conseil national de la recherche du Fonds national suisse,
Monsieur le Professeur Jacques Fellay,

Sehr geehrte Damen und Herren

Wir schreiben den 10. Januar 2013 und dieser ist in verschiedener Hinsicht ein bedeutender Tag.

Er ist bestimmt bedeutend für Sie, sehr geehrter Herr Fellay. Für Ihre herausragenden Forschungsarbeiten wird Ihnen der renommierte Prix Latsis überreicht, wozu ich Ihnen herzlich gratuliere. Der Tag ist bedeutend auch für die wissenschaftliche Forschung in unserem Land insgesamt. Sie kann mit Stolz auf eine weitere junge Persönlichkeit blicken, die für so vieles steht, was den international beachteten Erfolg des Denkplatzes Schweiz ausmacht.

Der heutige Tag wird mit Sicherheit auch mir in bester Erinnerung bleiben. Ich darf ihn fortan mit meinem ersten öffentlichen Auftritt als zuständiger Bundesrat für Bildung, Forschung und Innovation in Verbindung setzen. Und dass ich diesen Auftritt gleich „bei der Akademie", bei der Forschung haben darf, ist mir eine wirklich besondere Ehre. Ich bedanke mich dafür!

Im Rahmen der per 1. Januar 2013 umgesetzten Bundesverwaltungs-Reform hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement EVD seinen Namen gewechselt, den es seit 1915 - also seit immerhin beinahe 100 Jahre - getragen hat. Es wurde zum WBF, zum Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Damit hat die Schweiz erstmals in ihrer Geschichte ein Bundesdepartement, in dessen Name die Begriffe Bildung und Forschung überhaupt erscheinen.

Es gibt gute Gründe, warum die Uhren in unserem Land manchmal ein wenig langsamer ticken als anderswo auf der Welt. Aber dieser Upgrade des Politikbereichs BFI war nun wirklich an der Zeit! Dabei ging es dem Bundesrat um mehr als blosse Worte und schöne Symbolik.

Es ging ihm um die Wertschätzung der hohen Bedeutung von Bildung, Forschung und Innovation in einer globalisierten Welt. Es ging dem Bundesrat auch darum, durch eine neue Verwaltungsstruktur eine neuartige Gesamtsicht auf die BFI-Landschaft in ihrer grossen Vielfalt und Komplexität zu ermöglichen.

Mesdames et Messieurs

Toute réforme - et la nôtre ne fait pas exception - peut aussi susciter des angoisses. J'en suis parfaitement conscient. L'une ou l'autre personne dans cette assemblée vit peut-être de telles craintes. Par exemple la crainte qu'avec l'intégration de la formation et la recherche dans mon département,  l'apprentissage et l'étude, soient sacrifiés sur l'autel d'intérêts strictement économiques.

Je peux et veux vous rassurer. Ces peurs sont injustifiées. Ce serait en effet une erreur de subordonner ce qui nous rend en dernière analyse véritablement humains  - c'est-à-dire notre soif de savoir et de connaître - à la primauté de l'économie. Ce qui nous intéresse,  - ce qui m'intéresse personnellement en tout premier lieu, -  c'est chaque individu et les possibilités qu'il recèle.


C'est mon objectif principal : que chacun puisse se développer et se réaliser le mieux possible, conformément à ses inclinations, tout en exploitant pleinement tout son potentiel.

Je le souligne : chacun doit pouvoir réaliser son potentiel avant tout pour lui-même et non pour satisfaire  un quelconque marché. Ceci n'exclut cependant pas que chacun doit  trouver du travail. La capacité de travailler est - dans ce contexte - d'une importance fondamentale.

La Confédération apportera sa contribution afin que tous les habitants de notre pays  puissent  trouver un emploi à leur mesure. Le travail n'est toutefois pas seulement un moyen afin de disposer d'un revenu. Le travail, c'est bien plus que cela. C'est la source de l'estime de soi et de la satisfaction de chaque être humain. Il donne du sens à la vie. C'est ce que nous apprend la fable de cet homme qui est parvenu - sans s'en rendre compte  -  à atteindre ce lieu mystérieux où tous les rêves deviennent réalité. Mais cette joyeuse  vie de cocagne l'ennuie très rapidement et profondément. Il demande qu'on lui donne quelque chose à faire.

Mais ce vœu particulier lui est refusé. Et pour cause :  il n'avait pas atteint le Paradis, mais bien l'Enfer...

Si nous délaissons  un instant l'individu pour nous intéresser à la société dans son ensemble, nous voyons immédiatement que le travail est à la racine de la paix sociale. Il suffit de jeter un regard au-delà de nos frontières pour nous rendre compte que l'un et l'autre ne sont déjà plus vraiment assurés dans de nombreux  pays européens et même chez nos voisins les plus proches.

Le travail est aussi le moteur des investissements de l'Etat. Un financement public solide, - orienté vers l'avenir -, de la formation, des Hautes-Ecoles et de la recherche n'est possible que grâce à la création et la mise à disposition de ressources correspondantes. Seule une économie qui fonctionne grâce à des êtres humains bien formés et  satisfaits produit une plus-value significative.

C'est elle, en fin de compte, qui  permet aux entreprises - mais aussi aux citoyens et citoyennes - par le biais de leurs contributions fiscales,  - de donner à l'Etat les moyens d'investir dans la matière grise. Ceci à la satisfaction des êtres humains pris individuellement, comme de la société dans son ensemble.

Ich habe es erwähnt. Seit dem 1. Januar 2013 befindet sich der Politikbereich BFI in der Obhut einer einzigen Bundesstelle.

Dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation in meinem Departement obliegt künftig die Aufgabe, die verschiedenen Teile des BFI-Systems im Einzeln sorgfältig zu pflegen. Sei es die Maturität oder die Berufsbildung, seien es die Universitäten oder die Fachhochschulen, seien es die nationalen oder die internationalen Dossiers: wir müssen danach streben, den hohen Standard, den wir hier heute im Einzelnen haben, mindestens zu halten und nach Möglichkeit noch zu verbessern.


Dabei gilt es jedoch immer, die Gesamtsicht auf die BFI-Landschaft zu bewahren. Das System Bildung, Forschung und Innovation ist in seiner Summe nur so gut, wie es seine einzelnen Glieder sind. Das System ist einerseits austariert, und es ist gleichzeitig auch fragil.

Es hat viele Player darin und verschiedene sich teilweise widerstrebende Interessen. Gleichzeitig stehen wir vor schwierigen Herausforderungen, die der zunehmende internationale Wettbewerb mit sich bringt. Gerade darum brauchen wir ein nationales Miteinander und kein Gegeneinander.

Und es braucht namentlich auch das Vertrauen der akademischen Kreise, der Vertreter der wissenschaftlichen Forschung und der Universitäten in das neue Departement und in das neue Staatssekretariat.

Ich persönlich stehe allen Interessierten zur Verfügung für bildungs- und forschungspolitische Diskussionen, für ergebnisoffene Gespräche und durchaus auch für konstruktive Kritik. „Der Dialog führt zur Wahrheit", ich zitiere Erich Fried und bin überzeugt davon, dass wir gemeinsam unsere Ziele erreichen.

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen und versichere, dass ich den engen Einbezug der akademischen Partner in alle künftigen Entscheidfindungsprozesse als Selbstverständlichkeit betrachte. Es geht um eine Wissenschafts- und Forschungspolitik für die Wissenschaft und die Forschung, bei deren Ausrichtung die Direktbetroffenen ein gewichtiges Wort mitreden sollen!

Der Prix Latsis und die Forschungspolitik des Bundes haben verschiedene Gemeinsamkeiten. Ich denke da beispielsweise an das Kriterium der „Exzellenz". Der Prix Latsis ist limitiert auf junge Kräfte. Für ihn kommt nur infrage, wer nicht älter als 40 Jahre alt ist. Er steht Vertreterinnen und Vertretern aller Forschungsgebiete offen.

Aber: nur wirkliche Top-Leistungen werden honoriert. Der Preis-Träger wird erkoren durch den Schweizerischen Nationalfonds, das nationale Gewissen der Wissenschaft. Das macht Sinn: nur der unabhängigen Wissenschaftsgemeinde, nur den Peers ist klar, was wissenschaftliche Topleistungen wirklich sind.

Damit bettet sich der Prix Latsis ideal ein in die Grundgedanken der Forschungsförderung durch den Bund. Ich nehme dazu vier Gedanken auf.

Erstens:

Die Förderung ist grundsätzlich kompetitiv und delegiert an externe, unabhängige Gremien und deren Fachexperten. Das Bottom-up-Prinzip wird hochgehalten, auch was die Ausrichtung der Förderinstrumente betrifft. Es herrscht grosses Vertrauen der Politik in die Wissenschaft.

Das schlägt sich nieder in den grosszügigen Leistungsvereinbarungen des Bundes unter anderem mit dem Schweizerischen Nationalfonds oder dem ETH-Bereich. Das Vertrauen zahlt sich aus, das zeigen die Resultate. Unser kleines Land ist im internationalen Vergleich ein BFI-Goliath: ob bei den Scientific Papers, beim Citations-Index, bei Projekten der Forschungsrahmenprogramme der EU, bei den Patenten oder im internationalen Innovation-Index, die Schweiz erregt Aufsehen!

Zweitens:

Der Bund unterstützt eine grösstmögliche thematische Breite der Förderung, er will eine vielfältige, bunte Forschungslandschaft. Die Politik ist sich der Unerreichbarkeit bewusst, im Bereich der Wissenschaft die Zukunft vorauszusehen. Auf welchen Gebieten, in welchen Forschungszweigen die grossen Potenziale und Fragestellungen von morgen liegen, das weiss man heute nicht.

Auf möglichst vielen Feldern möglichst hohe nationale Forschungskompetenzen zu haben und zu bewahren, muss darum unser Ziel sein.
Dabei der freien Grundlagenforschung eine hohe Priorität bei der Zuteilung der Fördermittel beizumessen, ebenfalls.

Drittens:

Der Transfer, das Wechselspiel zwischen Grundlagenforschung, angewandter Forschung und Innovationsaktivitäten findet über Köpfe statt. Die Schweiz braucht immer wieder neue Köpfe. Um über solche Köpfe aber zu verfügen, muss man Talente dann erkennen und fördern, wenn sie noch jung sind. Wenn sie noch den Willen und den Mut haben, auf Wissenschaft und Forschung und deren Unwägbarkeiten zu setzen. Deshalb besteht beim SNF ein bedeutendes Portefeuille für die Karriereförderung. In den Jahren 2013-2016 beträgt es 600 Mio. CHF. Diese Mittel dienen explizit der Finanzierung verschiedenster Instrumente für den Nachwuchs, angefangen von Mobilitätsbeiträgen für Doktorierende bis hin zur SNF-Förderprofessur. Bei alldem gilt: Nur die jeweils Besten kommen zum Zug.

Viertens:

Der Latsis-Preisträger wird vom öffentlichen SNF auserkoren, der Preis als solcher ist aber selbstverständlich eine äusserst verdankenswerte private Initiative. Der Prix Latsis als private Investition in die Forschung steht exemplarisch für die verschiedenen Formen der Private-Public- Partnership, die den Denk- und Werkplatz im internationalen Wettbewerb so stark machen.

Die Schweizer Unternehmen forschen mit massiven Mitteln nicht einfach hinter verschlossenen Türen, sondern suchen auch immer wieder, und immer häufiger, die Zusammenarbeit mit den Hochschulen. Und die Hochschulen, namentlich auch die Universitäten, erkennen ihrerseits immer mehr, dass Private-Public- Partnership nicht heisst, die reine Seele der Wissenschaft an die Wirtschaft zu verkaufen. Sie dürfen, ja sie müssen auf ihre Autonomie pochen und werden von den Privaten diesbezüglich durchaus verstanden.

Der Bund fördert das Zusammenkommen dieser zwei Welten mittels verschiedener Instrumente: via die Kommission für Technologie und Innovation, via die Nationalen Forschungsschwerpunkte, via die europäische Forschungszusammenarbeit und anderes mehr.

Sehr geehrter Herr Fellay,

Sie sind einer dieser erwähnten neuen jungen Köpfe, die die Schweizer Wissenschaft so dringend braucht und zum Glück immer wieder hervorbringen darf. Mit dem Prix Latsis haben Sie unter anderem bewiesen, dass Sie sich Ihre SNF-Förderprofessur verdient haben.

Sie forschen mit Ihrem Team erfolgreich auf einem hochkomplexen Gebiet, das ein Laie wie ich zwar nicht versteht. Aber Sinn und Zweck Ihrer Arbeiten und Ihr Vorgehen dabei leuchten uns ein. Um offene Fragen im Bereich der Immunologie angehen zu können, braucht es Grundlagenwissen. Und wenn man wie Sie Grundlagenwissen in die Praxis umsetzt, um aus der Praxis-Erfahrung wiederum zu neuen grundlegenden Fragestellungen zu kommen, dann erzeugt die Wechselwirkung zwischen Erkennen und Anwenden fortlaufend einen Mehrwert für die Forschung einerseits und für die Gesellschaft andererseits.

Einen bedeutenden Wissenschaftspreis zu erhalten, bedeutet auch, im Rampenlicht zu stehen, eine Vorbildfunktion zu haben für die Forschung insgesamt. Diese Vorbildfunktion bitte ich Sie, auch zuhanden der Öffentlichkeit auszuüben. Halten Sie uns vor Augen, dass das vorderste und darum beste Ziel von Forschung die Befriedigung der puren Neugierde ist, an der Welt, an einem Molekül, an einem chemischen Prozess, an der Gesellschaft, am Menschen oder an seinen Verhaltensweisen. Wirklich neue Erkenntnis kann nur auf diese Weise entstehen.

Deswegen ist die Freiheit der Forschung und die wissenschaftliche Autonomie der Hochschulen ein hohes Gut, für das ich einstehen werde.

Cher Monsieur Felley

Je vous présente mes sincères félicitations  et vous souhaite plein succès pour la suite de votre carrière scientifique que je souhaite - pour vous et pour nous - riche et fructueuse. Je félicite aussi très chaleureusement l'institution qui vous accueille -  l'EPFL. Sa capacité de concourir dans l'élite mondiale des Hautes-Ecoles, lui permet de vous offrir, - comme d'ailleurs à de nombreux autres jeunes talents -, un environnement particulièrement propice pour vos travaux. Mais - bouclons la boucle - c'est aussi votre talent qui permet à cette institution de s'affirmer sur la scène internationale.

Grâce à des chercheurs comme vous, l'EPFL continuera à  vivre des journées mémorables  qui marqueront la science et la recherche.

Je vous remercie de votre attention.

Es gilt das gesprochene Wort!


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