Anlass zur Netzüberführung zu Swissgrid

Bern, 29.01.2013 - Rede von Bundesrätin Doris Leuthard anlässlich der Überführung des Schweizer Übertragungsnetzes zu Swissgrid, Zürich-Oerlikon, 29.1.2013

Sehr geehrter Herr Graf
Sehr geehrter Herr Bult
Sehr geehrte Damen und Herren

Die Überführung des Übertragungsnetzes in eine nationale Netzgesellschaft ist ein wichtiger unternehmerischer Schritt. Die Vernetzung ist ein wichtiger Schritt in der Stromversorgung der Schweiz und in der globalisierten Welt zentral. Mit dem Stern von Laufenburg – einstmals ein historischer Meilenstein auf dem Weg zur Elektrifizierung Europas – haben wir ein globales Netz vor unserer Haustür.
Damit Laufenburg nicht zur historischen Reminiszenz verkommt und wir dieses Netz in den neuen europäischen Energiebinnenmarkt einbringen können, müssen wir in drei Bereichen handeln:

  • Den ersten Schritt in diese Zukunft haben wir mit der Überführung des schweizerischen Übertragungsnetzes in die nationale Gesellschaft Swissgrid per 2013 bereits bewältigt.
  • Den zweiten Schritt haben wir mit der nationalen Strategie Stromnetze eingeleitet.
  • Der dritte Schritt steht uns mit den hängigen Stromverhandlungen mit der EU erst noch bevor. Hier wird sich für uns die Frage stellen, wie wir die Schweiz optimal in die europäische Energie- und Netzzukunft einbinden können.

Den ersten Schritt haben Sie erfolgreich vollzogen. Den bisherigen Netzeigentümern und Swissgrid ist es gelungen, diesen komplexen Vorgang termingerecht, kostengünstig und – aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten – reibungslos abzuwickeln. Ich kann mir vorstellen, dass dies kein einfacher Prozess war. Viele werden sich gefragt haben: Was bringt dies uns? Was kostet es? Wie arbeiten wir in Zukunft zusammen? Die Überführung auf den 1. Januar 2013 hat geklappt – ohne Friktionen, ohne den Betrieb des Netzes zu beeinträchtigen und ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Dafür gebührt Ihnen Dank und Respekt.

Ich weiss: Diese Verhandlungen waren nicht immer einfach. Es geht schliesslich auch um viel Geld. Trotzdem haben Sie ein guteidgenössisches Resultat erzielt. Für Ihre intensiven und letztlich lösungsorientierten Arbeiten danke ich den Verantwortlichen auf beiden Seiten des Verhandlungstisches. Dieses Verhandlungsresultat ist wichtig.
Denn damit kann die Versorgungssicherheit der Schweiz beziehungsweise der einzelnen Landesteile gewährleistet werden.

Gleichzeitig ist dies ein zentraler Schritt für die weitere Liberalisierung des Strommarkts.

  • Die Schweiz kann ihren Trumpf als Drehscheibe im europäischen Stromübertragungsnetz noch besser ausspielen.
  • Die Unabhängigkeit der Netzgesellschaft gegenüber den Elektrizitätsversorgungsunternehmen steigt und wir sind gegenüber dem Ausland gut positioniert.

So aufgestellt kann Swissgrid als nationale Netzgesellschaft kompetent, vernetzt und von einer stabilen finanziellen Basis aus operierend auftreten. So kann Swissgrid die notwendigen Investitionen in die Erneuerung und den Ausbau des Übertragungsnetzes planen und zeitgerecht realisieren. Das ist besonders wichtig, weil wir aus diversen Gründen beim Aus- und Umbau des Netzes in Verzug sind. Verzögert sich dieser dringend nötige Aus- und Umbau, drohen Engpässe und auch höhere Netztarife.

Das gilt es zu verhindern. Denn eine Netzinfrastruktur, die sich nicht am Bedarf orientiert, wirkt sich negativ auf die Versorgungssicherheit und auf den Strompreis aus. Engpässe im Übertragungsnetz führen dazu, dass Kraftwerke nicht optimal betrieben werden können, dass Strom – künftig auch aus dezentralen Anlagen – nicht optimal gemanagt werden kann. Das ist ökonomisch falsch, und die Schweiz ist ja gerade in Fragen der Systemsteuerung kompetent und bestens gerüstet.

Deshalb dürfen wir es nicht bei der Überführung des Übertragungsnetzes belassen. Deshalb ist der zweite Schritt wichtig, das Detailkonzept zu einer Nationalen Strategie Stromnetze. Ziel dieser Netzstrategie ist,

  • die Schweiz eng an das europäische Netz anzubinden,
  • die Hochspannungs- und Verteilnetze zeit- und bedarfsgerecht zu erneuern und auszubauen,
  • erhöhte Planungssicherheit durch verbindliche Vorgaben zu den erforderlichen Funktionalitäten der Stromnetze zu garantieren,
  • Unsicherheiten hinsichtlich der Rahmenbedingungen durch Vorgabe von energiewirtschaftlichen Szenarien zu beseitigen,
  • die Akzeptanz durch einen transparenten Prozess bei der Ermittlung des Bedarfs und unter Einbindung aller Stakeholder zu erhöhen,
  • die Investitionssicherheit durch eine Vorab-Bestätigung des Bedarfs für Leitungsprojekte zu steigern und
  • den technologische Schritt hin zu intelligenten Netzen, den Smart Grids, zu fördern. Im Rahmen einer „Smart Grid Road Map“ soll geklärt werden, welche neuen Funktionen die Netze der Zukunft übernehmen sollen. Es geht hier auch darum, Plattformen für neue Geschäftsmodelle zu schaffen, sodass hier in Abweichung von der klassischen Betrachtung der Netze als Kostenfaktor auch neue Effizenzpotenziale geschaffen werden können.

Der für die dezentrale Produktion und die Speicherung von Elektrizität notwendige Umbau des Stromnetzes muss mit dem Zubau von Photovoltaik-Anlagen (und dem Zubau anderer Technologien) Schritt halten können. Dabei höre ich immer wieder Klagen von den Verantwortlichen, weil die Verfahren zu lange dauern. Ich höre von Beschwerden gegen Stark- und Schwachstromanlagen. Je eher das Netz aber in einem langfristig geplanten Erneuerungszyklus und nicht unter lokalem Sachzwang ausgebaut werden kann, umso effizienter kann dieser Umbau stattfinden.

Deshalb schlagen wir bereits in der Vernehmlassungsvorlage zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 vor, das Bewilligungsverfahren zu beschleunigen. Die laufenden Verfahrenszeiten kosten Geld und sind  investitionsfeindlich. Beschwerden bei der Plangenehmigung von Stark- und Schwachstromanlagen sollen daher nur noch dann bis vor Bundesgericht gezogen werden können, wenn es um Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung geht. Wir gehen davon aus, dass der Verfahrensweg so um zwei bis drei Jahre verkürzt werden kann. Die Behörden erhalten ausserdem Ordnungsfristen von maximal 2 Jahren zur Durchführung der Sachplan- und Plangenehmigungsverfahren.

Der Entwurf des Detailkonzeptes zur Strategie Stromnetze befindet sich bis Ende Februar 2013 in einer schriftlichen Konsultation und Sie haben aktuell die Möglichkeit sich einzubringen. Der Bundesrat wird im zweiten Quartal 2013 nach Auswertung der Konsultation über das bereinigte Detailkonzept zur Strategie Stromnetze befinden und das weitere Vorgehen festlegen. 

Zum dritten Schritt: Das geplante Stromabkommen mit der EU ist von absoluter Notwendigkeit für die Schweiz. Hier gilt es genau abzuwägen, wie wir uns einbringen können. Denn wer nicht dabei ist, der droht den Zugang zu verlieren. Die Verhandlungen sind schwierig. Heute fliessen 10% des gesamten europäischen Stromhandelsvolumens durch die Schweiz. Das beschert der Schweiz einen Handelssaldo von mehr als einer Milliarde Franken pro Jahr. Damit sind viele Arbeitsplätze verbunden.

Gerade aus Netzperspektive ist es von zentraler Bedeutung, auf einer klar geregelten Zusammenarbeit aufbauen zu können. Dafür brauchen wir ein bilaterales Abkommen. In den energiespezifischen Bereichen sind gute Lösungen auf dem Tisch oder zumindest absehbar. Allerdings will die EU zunächst eine Lösung für die institutionellen Fragen finden, bevor sie neue sektorielle Abkommen abschliesst. In den nächsten Monaten müssen wir uns darum überlegen, wo wir Hand bieten können. Wir wollen uns in diesen Verhandlungen bestmöglichst positionieren, ohne dass uns der Preis von andern diktiert wird. Für den Bundesrat ist zentral: Die Versorgungssicherheit kann heute kein Land mehr alleine garantieren. Denn durch den anhaltenden Zubau von Produktionsanlagen aus erneuerbaren Quellen im EU-Raum entstehen Netzsicherheitsprobleme, die nur durch internationale Zusammenarbeit gelöst werden können. Diese Kooperation wird durch Swissgrid im Rahmen ihrer ENTSO-E Mitgliedschaft wahrgenommen und bedingt nebst operationellen Massnahmen auch technische Veränderungen im Netz.
Swissgrid ist darauf angewiesen, sich dort auf gleicher Augenhöhe wie die Übertragungsnetzbetreiber unserer Nachbarländer zu positionieren und dabei vielleicht auch einer klügeren Schweizer Lösung zum Durchbruch zu verhelfen.

Der EU-Energiebinnenmarkt wird 2014 Tatsache. Es gilt daher, die Verhandlungen nach Jahren der Gespräche mit immer neuen Richtlinien, neu Remit zum Abschluss bringen zu können. Dies wird nur möglich sein, wenn der Bundesrat beziehungsweise das federführende EDA Fortschritte erreicht bei den institutionellen Fragen. Denn ohne die Schweiz, wird das auch für die EU kompliziert. 2013 ist daher ein wichtiges Jahr und ich fordere alle Partner auf, sich intensiv mit diesen Fragen zu befassen uns zu unterstützen und sich mit den Nachteilen für die Schweiz auseinanderzusetzen, die wir ohne Abkommen zu bewältigen hätten.

Die Energiezukunft wird effizienter, technologisch anspruchsvoller und von der Produktion her dezentraler. Wir haben die Wegweiser in diese Energiezukunft gesteckt:

  • Mit der Energiestrategie 2050,
  • mit dem Detailkonzept Strategie Stromnetze,
  • mit der Revision des Stromversorgungsgesetzes und der Strommarktöffnung, die in Erarbeitung ist und
  • mit dem Energieabkommen mit der EU, das in Verhandlung ist.

Es sind Veränderungen, die uns fordern. Eine gute Vernetzung bleibt zentral. Dann werden wir auch in Zukunft einen guten Anschluss an die grossen Stromautobahnen Europas haben. Dann wird die Schweiz nicht zum blinden Fleck auf der Stromkarte Europas. Dann können wir unsere Trümpfe auch in Zukunft ausspielen:

  • Die Speicherkapazitäten unserer Pumpspeicherkraftwerke sind wichtig.
  • Die Wasserkraft als Fundament und wichtigste einheimische erneuerbare Energie lässt sich weiterhin verkaufen und ist langfristig ein Vorteil.
  • Unsere gute Ausgangslage im Handel und bei der Benutzung unseres Netzes ist zentral.

Ich danke Ihnen für Ihre grosse Vorarbeit und dafür, dass Sie weiterhin unbeirrte diesen Wegweisern folgen.

 

 

 


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