Messen geben dem Markt ein Gesicht

Basel, 06.02.2015 - Rede von Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF

Meine Damen und Herren.

Gestatten Sie mir, dass ich heute zu Ehren unseres Gastes aus Marokko in französischer Sprache beginne. C'est avec un très grand plaisir que je peux vous accueillir ici à Bâle, dans la plus vieille foire public de notre pays. Le Maroc tient une place privilégiée dans le cœur des Suisses. Non seulement en raison de l'attrait touristique du Royaume, dont la diversité géographique et culturelle apporte à nulle autre pareille son lot de belles découvertes, mais aussi de par une étroite coopération dans de nombreux domaines.

En tant que pays riverain du bassin méditerranéen, partenaire privilégié de l'Union européenne et porte d'entrée sur l'Afrique de l'Ouest et centrale, le Royaume fait partie des partenaires qui comptent pour la Suisse sur le continent africain. Pourtant les relations bilatérales économiques ont encore un potentiel de développement important, comme SE M. Mohamed Abbou, Ministre délégué chargé du commerce extérieur et moi-même l'avons noté lors de nos entretiens de ce matin.

Que ce soit sur le plan des échanges commerciaux comme sur celui des investissements. Je suis confiant que la participation du Maroc en qualité d'hôte d'honneur de la MUBA et représentée par ce magnifique pavillon que je viens de visiter contribuera à mieux faire connaître en Suisse ses séduisants produits de l'agriculture et de l'artisanat.

Et j'espère aussi, que ce rendez-vous à Bâle ouvre de nouvelles opportunités pour faire connaitre nos produits Suisse dans votre pays, M. le Ministre.

Es ist mir eine grosse Freude, mit Ihnen zusammen mit der Muba die erste grosse Messe dieses Jahres in unserem Land eröffnen zu dürfen. Nun bin ich mir aber nicht ganz sicher, ob die Freude Ihrerseits die gleiche ist. Nach dem letzten Jahr komme ich nämlich nun zum zweiten Mal in Folge nur wenige Tage nach unerwarteten Ereignissen. Ereignisse, die unsere Wirtschaft und unsere Politik vor grosse Herausforderungen stellten und stellen.

Ereignisse, an deren Auswirkungen wir noch zu beissen haben werden. Im letzten Jahr war es die Zuwanderungsinitiative, jetzt ist es der Entscheid der Nationalbank, die Untergrenze des Frankens wieder aufzuheben. Ich hätte also alles Verständnis, wenn Sie mich nicht noch ein drittes Mal nach Basel einladen würden.

Mit dem Nationalbank-Entscheid von Mitte Januar beginnt in unserem Land eine neue wirtschaftliche Zeitrechnung. Die starke Aufwertung des Frankens stellt nicht nur die Exportindustrie und den Tourismus vor gravierende Herausforderungen. Er trifft unsere Finanzindustrie. Er trifft unsere Landwirtschaft.

Kurz: Es trifft uns überall dort, wo die Kosten in Franken anfallen, die Einkünfte aber aus Fremdwährungen bestehen. Und natürlich sind damit auch die Zulieferer stark betroffen, unter ihnen tausende KMU.

Zahlreiche Unternehmen, die dank der Untergrenze und grossen eigenen Anstrengungen wieder Boden unter den Füssen gefunden hatten, sind mit einem Schlag auf Feld eins zurückgeworfen. Ich habe in den letzten Tagen und Wochen viele Unternehmerinnen und Unternehmer getroffen. Ich habe Dutzende Gespräche mit Chefs und Angestellten geführt.

Beispielsweise ganz aktuell heute Morgen, als ich mir in Laufen bei Ricola ein Bild machte, wie die Lage vor Ort - oder „an der Front" - derzeit aussieht. Weitere Gespräche werde ich heute Nachmittag mit Ausstellern und Unternehmern aus der Region führen. Eines konnte ich in all den Gesprächen immer wieder feststellen: So unterschiedlich die Branchen, so ähnlich sind die Sorgen.

Und gleich gross ist der Wille der Unternehmen, die gewaltigen Herausforderungen angehen und meistern zu wollen. Es ist aber klar: Damit die Firmen das packen, brauchen sie auch die Politik. Am Wechselkurs kann die Politik zwar nichts ändern - die Geldpolitik macht die Nationalbank, und an ihrer Unabhängigkeit ist nicht zu rütteln.

Aber: Wir, von politischer Seite, können und müssen jetzt die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen verbessern.

Als erste Massnahme habe ich letzte Woche das Staatsekretariat für Wirtschaft beauftragt, den vom starken Franken geschüttelten Unternehmen Zugang zur Kurzarbeitsentschädigung zu verschaffen. Damit bieten wir die Möglichkeit, dass unsere Unternehmen schnell und unbürokratisch auf Schwierigkeiten reagieren können - ohne dass sie dabei ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Wissen und Können längerfristig verlieren. Das Instrument hat sich in den Jahren nach 2008 sehr bewährt - es wird auch dieses Mal den Unternehmen in Not viel bringen.

Ich kann Ihnen sagen: Schon Minuten nach der Bekanntgabe des Entscheids läuteten bei uns die Telefone. Mein allererstes Ziel ist es, eine Abwanderung der Industrie und eine Schrumpfung des Tourismus zu verhindern.

Zentral in der aktuellen Situation sind Strukturreformen, welche

  • die Kosten bei den Unternehmen senken, und
  • die Unsicherheit über die Standortqualitäten reduzieren.

Natürlich geschieht das nicht mit einer grossen Massnahme; das „Ei des Kolumbus" der Frankenstärke existiert nicht. Es braucht vielmehr viele kleine Verbesserungen, welche in ihrer Gesamtheit zum Erfolg führen - quasi Fünfer um Fünfer zurück zur Wettbewerbsfähigkeit. Was heisst das? Wenn den Unternehmen die Margen wegbrechen, dann müssen sie die Kosten senken. Hier setzen wir an! Es gibt zum Beispiel keine unnützeren Kosten als die der unnötigen Bürokratie, der komplizierten Formulare, der peniblen Auflagen.

  • Wir müssen wieder den Einheitssatz bei der Mehrwert-Steuer diskutieren;
  • Wir müssen die kantonalen Bauvorschriften harmonisieren: Erst 14 Kantone haben dies bisher getan;
  • Wir müssen die Frage der Arbeitszeiterfassung pragmatisch und unbürokratisch lösen;
  • Wir müssen Zollverfahren erleichtern (Stichwort: e-Zoll);
  • Wir brauchen mehr Wettbewerb im Inland. Handlungsbedarf haben wir speziell, was die Importpreise angeht;
  • Und wir müssen die Reform der Unternehmenssteuern dringlich und mit Vorrang an die Hand nehmen.

Dann bewahren wir attraktive Steuerverhältnisse und schaffen Rechtssicherheit, die für Unternehmer und Investoren grundlegend sind;

  • Dann: Erschliessen wir unseren Unternehmen neue Chancen. Mein Departement ist intensiv daran, weitere Freihandelsabkommen im asiatischen Raum auszuhandeln - mit Malaysia, mit Vietnam und mit Indonesien.

Dies ist selbstverständlich kein vollständiger Massnahmen-Katalog. Aber es ist ein Anfang. Keine Lösung sind hingegen derzeit Konjunkturprogramme. Wir können die aktuellen Schwierigkeiten nicht einfach mit Geld verdecken. Geld, das auf diese Weise verpuffen würde. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, wo wir können. Wer da „Alarmismus", „Panik"oder den Griff in „ideologische Schubladen" kritisiert, wie es in den letzten Tagen hie und da getan wurde, der legt sich keine Rechenschaft ab, um was es ganz konkret geht:

Es geht um die Arbeitsplätze in unserem Land. Ich verfolge weiterhin meine Hauptzielsetzung, nämlich: möglichst allen unseren Bürgerinnen und Bürgern eine Perspektive, d.h. einen Job zu geben. Exakt in diesen Tagen hat der Bundesrat einen Bericht aus meinem Departement verabschiedet, der sich mit der Frage des künftigen Wachstums beschäftigt.

Schon vor der Aufhebung des Franken-Mindestkurses war klar: Wir brauchen weiterhin Wachstum. Denn nur mit Wachstum können wir innovativ sein und unsere Arbeitsplätze sichern; Nur mit Wachstum können wir die Altersvorsorge garantieren; Nur mit Wachstum können wir den Wohlstand erhalten oder gar verbessern. Für den Bundesrat ist gleichzeitig selbstverständlich: Nicht Wachstum in die Breite ist gefragt - also immer mehr - sondern vor allem ein qualitatives Wachstum, der Fachbegriff heisst: Arbeitsproduktivität.

Ein solches Wachstum dient den Menschen - in unserem Land. In Zeiten erhöhten wirtschaftlichen Drucks müssen wir zusammenrücken und uns auf unsere Qualitäten besinnen. Trotz enormen Herausforderungen und ohne dass sich unser Land auf nennenswerte Rohstoffe abstützen könnte, ist die Schweiz im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte zu einem der reichsten Länder dieser Erde geworden.

Dank Werten, die uns schon unsere Väter vorgelebt haben, haben wir es zu grossem Wohlstand gebracht. Diese Werte heissen Wille, Ausdauer und Arbeit. Diese Werte heissen Fleiss und Qualitätsbewusstsein. Wir haben ein erstklassiges Bildungssystem, das ausgezeichnete Resultate sowohl in der Grundlagenforschung wie in der angewandten Forschung verspricht.

Wir haben bestens ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wir haben kluge und risikobereite Investoren und Unternehmerinnen und Unternehmer. Wir haben die Professionalität und die Innovationkraft, Lösungen für morgen zu erarbeiten. Wir haben eine Gesetzgebung, die es, wenn wir sie entsprechend entschlacken, den Unternehmern erlaubt, auch weiterhin erfolgreich unternehmerisch tätig zu sein.

Und wir haben eine Sozialpartnerschaft, die es in ihrer weltweiten Einzigartigkeit ermöglicht, Lösungen auf dem Arbeitsmarkt zu finden, die gerechter, tragfähiger und stabiler sind als alle Gesetze dieser Welt. Das zusammengezählt heisst liberale Wirtschaftsordnung. Wir haben zahlreiche Standortvorteile, die wir jetzt nicht kleinreden sollten. Ich fordere im Gegenteil uns alle auf , diesen Sorge zu tragen.

Und wir haben die Erfahrung, mit schwierigen Situationen fertig zu werden. Denken Sie zurück an die wachstumsschwachen neunziger Jahre. Denken Sie zurück an die Krise nach der grossen Internet-Blase anfangs dieses Jahrtausends. Denken Sie zurück an die Finanz- und Wirtschaftskrise vor 5 Jahren. Diese Krisen haben uns nicht nur heftig durchgeschüttelt, sie haben uns auch stärker gemacht.

Deshalb zähle ich jetzt auf alle, wenn es darum geht, die negativen Folgen des Nationalbankentscheides abzufedern. Auf den Bund, die Kantone und Gemeinden, aber auch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Lassen wir uns daran messen, wie wir gemeinsam die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen gemeistert haben.

Sich messen und sich messen lassen gehört bekanntlich zum Kern des Wirtschaftens. Nirgends sieht man das so deutlich und so eindrücklich wie heute und in den nächsten Tagen in diesen Hallen. Hier zeigen sich etwas über 450 Ausstellerinnen und Aussteller. Sie werben um die Gunst eines kritischen Publikums. Sie fordern sich gegenseitig heraus mit gleichen oder ähnlichen Produkten und Dienstleistungen und versuchen, sich von ihren Konkurrenten abzuheben.

An Messen wie der Muba bekommt der Markt sein Gesicht. Das ist Wirtschaft zum Anfassen. Sinnlich, spürbar, erlebbar. Das stärkt das Vertrauen zwischen Bevölkerung und Wirtschaft. Hier zeigt der Wettbewerb die positive Energie, die in ihm steckt. Und wenn ich von Wettbewerb rede, dann denke ich nicht nur an die Produkte oder Dienstleistungen, die hier miteinander in Konkurrenz stehen.

Wenn ich von Wettbewerb spreche, denke ich auch an die Muba selber. Auch sie muss sich dem Wettbewerb stellen, selbst wenn sie auf eine Geschichte von 99 Jahren zurückblicken kann, auf eine Geschichte, die höchst erfolgreich ist. Die Muba leistet einen ausserordentlich wichtigen Beitrag zum Messewesen in der Schweiz, das - wie VRP Vischer eben betonte - jährlich 6 bis 7 Milliarden Franken generiert.

Ich denke da nicht nur an den finanziellen Beitrag der Muba zu diesem Ergebnis, ich denke da vor allem auch an die Reputationsleistung, welche die Muba für den Wirtschaftsstandort Basel und damit für unsere Schweiz erbringt. Nicht umsonst besuchen im Schnitt 160‘000 Menschen die Muba. Das sind viermal mehr als bei Spitzenspielen des FCB. Dieser Erfolg macht Freude. Aber er darf nicht dazu verleiten, sich auf ihm aufzuruhen. Erfolg hat nur, wer auf der Höhe der Zeit bleibt.

Auch als Messe steht man im Konkurrenzkampf, oder anders gesagt: Auch als Messe muss man sich messen. Heute heisst das, in der Lage zu sein, sich mit dem world wide web auseinanderzusetzen. Noch haben Messen gute Chancen, den Kampf gegen das Netz für sich zu entscheiden. Die Chancen heissen Erlebnis und Begegnung, Sinnlichkeit und persönliche Betreuung. Diese Chancen müssen genutzt werden.

Im Kampf gegen das Anonyme hat das Menschliche weiterhin einen Vorsprung. Gerade jetzt, wo zum Internet noch der starke Franken als Herausforderung dazu kommt. Als ob nicht das eine schon gereicht hätte! Der Einkaufstourismus hat mit der Schwächung des Euros vor allem in grenznahen Gebieten neuen Schub bekommen. Das trifft die einheimischen Detailhändler und damit die Aussteller an der Muba ganz empfindlich. Hier hoffe ich mit Ihrem Verwaltungsratspräsidenten, dass sich die derzeitige Frankenstärke nicht negativ auf die Tausenden von Grenzgängern auswirkt, die bekanntlich nicht nur als Arbeitskräfte in die Schweiz kommen, sondern auch als Kunden und als Konsumenten. 

Aber ich weiss gleichzeitig: Wir, die Basler und die Schweizer, wir haben das Zeug, um auch in härteren Zeiten erfolgreich zu bleiben. Basel, gleichzeitig Zentrum der wirtschaftlich hochattraktiven oberrheinischen Tiefebene wie Schweizer Eingangstor von und zur Welt, ist hervorragend aufgestellt. Ich komme zum Schluss. In meiner letztjährigen Rede habe ich die Bedeutung der Offenheit betont. Offenheit als Voraussetzung von Wandel und Innovation. Das wiederhole ich heute. Gerade wenn die Zeiten schwieriger werden, ist Offenheit ein Gebot der Stunde.

Wir müssen alles daran setzen, dass wir die bilateralen Verträge erhalten können. Wenn gewisse Stimmen - auch aus der Wirtschaft - meinen, diese Verträge seien nicht nötig, dann sage ich klar und deutlich: Die Bilateralen haben einen ganz wesentlichen Anteil an unserem heutigen Wohlstand. Sie öffnen uns die Türen zu einem riesigen und potenten Markt. Sie öffnen uns die Türen zu den Staaten der Europäischen Gemeinschaft.

Und selbst wenn der Euro schwächelt und durch die Situation in Griechenland zusätzlich Unsicherheit entstanden ist -, die EU ist mit knapp 60 Prozent immer noch der grösste Absatzmarkt für unsere Wirtschaft. Dass der Zugang zu diesem Absatzmarkt auch künftig möglichst reibungslos sein soll, liegt in unserem zentralen Interesse. Ich habe das stets betont und ich sage es auch heute wieder: Mein Ziel ist es, dass alle Menschen in unserem Land Arbeit haben.

Denn Arbeit schafft materielle Sicherheit. Arbeit ist aber noch mehr. Arbeit schafft Zufriedenheit, Arbeit schafft Sinn. Arbeit ist entscheidend für das Selbstwertgefühl. Und damit schafft Arbeit für jeden Menschen eine Perspektive. Wir haben es in der Hand. Packen wir gemeinsam die grossen Herausforderungen!

Ich zähle auf Sie.


Es gilt das gesprochene Wort


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