„Politik bedeutet, Zukunft gestalten“

Bern, 09.05.2015 - Rapperswil, 09.05.2015 - Rede von Bundesrat Didier Burkhalter anlässlich des Wahlkampf-Kickoff der Jungfreisinnigen - Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Jungfreisinnige

Ich freue mich, heute hier in Rapperswil bei Ihrem Wahlkampfauftakt dabei zu sein, in diesem wunderbaren Schloss, am schönen Zürichsee und unter freisinnig-liberalen Freunden.

La politique, c’est aimer la jeunesse. Denn die Politik beschäftigt sich mit der Zukunft. Es geht darum, Zukunftsperspektiven für die Menschen zu schaffen. Politik bedeutet, an die Zukunft, an die Jungen zu denken. Es bedeutet, die politischen Prioritäten so zu setzen, dass sie auch morgen und übermorgen richtig sind.

Ihr, die Jungfreisinnigen, habt auf eurer Website treffend umschrieben, was Politik ist. Ich zitiere: „Die Entscheide, die heute gefällt werden, wirken sich in den nächsten Jahren aus. Unsere Generation wird die Folgen der heutigen Politik erben – besser also, wenn wir schon heute mitbestimmen.“ Genau darum geht es und ich gratuliere für diese verantwortliche Einstellung. Politik geht uns alle an und wir sind aufgefordert, an der Zukunft zu bauen, damit die Zukunft nicht verbaut wird.

Die Schweiz ist ein Hort des Friedens, der Sicherheit und der Freiheit. Eine Studie hat kürzlich gar festgestellt, dass die Schweiz das glücklichste Land der Welt ist...

Es ist für uns selbstverständlich geworden, dass wir uns in der Schweiz frei und sicher bewegen können und dass wir sagen können, was wir denken. Fast ebenso selbstverständlich sind die guten Arbeits- und Zukunftschancen in der Schweiz. Politik heisst in diesem Sinne, dass der Schulweg sicher und die Schule für alle Kinder offen sein und bleiben muss.

Freiheit, Frieden und Wohlstand sind aber alles andere als selbstverständlich. Das zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Vor genau 70 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Dutzende Millionen Menschen sind gestorben, bevor die Welt von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreit war. Freiheit und Frieden mussten sprichwörtlich und unter unglaublichen Opfern erdauert und erkämpft werden. Die Schweiz ist den Menschen der Alliierten und aller anderen Staaten, die zur Beendigung des Kriegs beitrugen, in tiefer Dankbarkeit verbunden. Allein die ehemalige Sowjetunion hatte über 28 Millionen Menschenleben zu beklagen; 28 Millionen Mal ist ein Mensch für die Freiheit gefallen.

Mit Sorge müssen wir feststellen: Frieden, Freiheit und Wohlstand sind auch heute wieder in Gefahr. Ein Blick über unsere Grenzen reicht, um das festzustellen. Es gibt eine Häufung von Krisen in der östlichen und südlichen Nachbarschaft Europas. Etwa die Gewaltkonflikte in der Ukraine, in Syrien oder in Libyen, aber auch nichtmachtpolitische Herausforderungen wie Ebola oder Klimawandel.

Diese Krisen destabilisieren nicht nur die jeweiligen Regionen, sondern haben auch Rückwirkungen auf uns. Die Schweiz ist einzigartig, aber sie ist keine Insel. Aussenpolitik ist Innenpolitik und geht uns alle an. Uns geht es besser, wenn es unseren Nachbarn gut geht und die Welt möglichst frei, sicher und stabil ist.

Die liberale Verfassung: Das Fundament des Erfolgsmodells

Das liberale Erfolgsmodell Schweiz basiert auf inneren Stärken und auf einer verantwortungsvollen und eigenständigen Aussenpolitik.

Das Fundament des Erfolgsmodells Schweiz ist die von unseren freisinnig-liberalen Vorfahren geschaffene Verfassung. Sie ist Herz des politischen Systems. Verfasst nach dem Grundsatz: im Zweifel für die Freiheit.

Diese freiheitliche Grundordnung, in welcher der Staat für den Menschen da ist und nicht umgekehrt, gilt es zu erhalten und zu verteidigen. Eine nächste Gelegenheit hierfür bieten die Abstimmungen vom 14. Juni…

Die liberale Wirtschaftsordnung, stabile Finanzen, Bürgernähe, eine gelebte Sozialpartnerschaft, Kompromisssuche und Dialog, Machtteilung und Konkordanz sowie der Respekt für Minderheiten sind Stärken der Schweiz. Diese Stärken gilt es zu verteidigen, in der Schweiz und in der Welt.

Das ist eine gemeinsame Verantwortung von uns allen. Und die Jugend und die Jungparteien wie die Jungfreisinnigen können und sollen hier Verantwortung übernehmen. Setzt euch ein für eine innovative, fortschrittliche, offene und liberale Schweiz, die allen Bewohnern eine faire Zukunftschance bietet. Und setzt euch auch international für diese Werte ein.

Verantwortungsvolle Aussenpolitik

Der Erfolg des liberalen Erfolgsmodells hängt aber nicht nur von innenpolitischen Weichenstellungen ab. Wir optimieren unsere Zukunftschancen am besten, wenn wir uns auf internationaler Ebene aktiv für unsere Interessen und Werte einsetzen. Es ist dabei nicht nur eine Frage der Interessen und Werte, sondern auch eine Frage der Verantwortung. Das liberale Motto „Freiheit und Verantwortung“ gilt nicht nur bis an den Bodensee oder bis nach Chiasso, es gilt auch jenseits unserer Landesgrenzen.

Der Bundesrat hat 2012 seine aussenpolitische Strategie verabschiedet. Wenn ich diese Strategie etwas vereinfache, dann gibt es zwei Schwerpunkte:

- Europa: die Beziehungen der Schweiz zur EU und zu ihren Nachbarn;
- das Engagement der Schweiz für Sicherheit und Frieden.

Diese Schwerpunktsetzung hat sich als richtig erwiesen. Die Themen werden künftig immer wichtiger. Und darum ist es wichtig, dass wir über diese Herausforderungen sprechen. Und es ist wichtig, dass die Jugend – also Sie – mitreden und mitentscheiden.

Bilateraler Weg: Garant für Wohlstand und Unabhängigkeit

Zuerst zu den bilateralen Beziehungen mit der EU.

Die Gestaltung der Beziehungen ist für die Schweiz sicherlich eine der grössten Herausforderungen. Es geht nämlich um die Zukunft unseres Landes auf unserem Kontinent. Das betrifft Ihre Zukunft und Ihre Zukunftschancen, liebe Jungfreisinnige, ganz zentral.

Der Bundesrat will den bisher erfolgreichen bilateralen Weg mit der EU weitergehen. Das ist die Zukunftsstrategie des Bundesrats. Diese Strategie gilt auch nach den Abstimmungen vom letzten Jahr und sie beinhaltet zwei Zielsetzungen: die bessere Steuerung und Kontrolle der Zuwanderung sowie die Konsolidierung und Weiterführung des bilateralen Wegs.

Wo stehen wir in diesem Dossier?
Einerseits gibt es Fortschritte zu verzeichnen. So etwa im Bereich der institutionellen Fragen. In drei der vier zentralen Fragen in diesem Dossier konnten Lösungen gefunden werden. Andererseits gestalten sich die Diskussionen – in diesem Dossier werden noch keine Verhandlungen geführt – über die Personenfreizügigkeit schwieriger. So ist klar, dass der Verfassungsartikel vom 9. Februar nicht vereinbar ist mit der Personenfreizügigkeit. Ebenso klar ist aber auch, dass die Migrationsfrage einen Platz haben muss in den Gesprächen mit der EU.

Es ist ein schwieriges Unterfangen, beide Ziele – bessere Migrationskontrolle und Weiterführung des bilateralen Wegs – zu erreichen. Beide Ziele sind vom Souverän vorgegeben und beide reflektieren den Willen der Mehrheit der Bevölkerung. Es ist unser Auftrag gute Lösung zu finden. Und ich bin überzeugt: Lösungen sind möglich. Daran ändert auch nichts, dass die Union derzeit bei einigen Dossiers auf die Bremse steht. Letztendlich haben beide Seiten ein Interesse an guten und stabilen Beziehungen – auch die EU. Denn die Schweiz ist in wirtschaftlicher Stabilitätsanker für Europa.

Liebe Jungfreisinnige

Die Zukunft des bilateralen Wegs ist eine zentrale politische Frage. Die kommenden Jahre werden entscheidend sein und zeigen, ob es uns gelingt, den erfolgreichen Weg weiterzugehen und damit die Kerninteressen der Schweiz – Unabhängigkeit und Wohlstand – zu wahren.

Wir alle können einen Beitrag leisten. Wir können an der Zukunft bauen. Gefragt ist hier vor allem auch das Engagement der Jungen, denn es geht um ihre Zukunftschancen. Es freut mich darum zu sehen, dass sich die Jungfreisinnigen mit dieser Frage beschäftigen und sich für den bilateralen Weg engagieren.

Macht weiter so und bringt eure Überzeugungen in die Diskussion ein. Es braucht auch einen frischen Blick auf die Europafrage und es braucht kreative Lösungen. Packt diese Chance der Mitbestimmung in der direkten Demokratie.

Engagement für Sicherheit und Frieden

Um Verantwortung geht es auch beim Engagement der Schweiz für Sicherheit und Frieden. Hier übernehmen wir Verantwortung, indem wir die inneren Stärken des Landes in der Aussenpolitik anwenden. Wir verfügen über viel Erfahrung in Fragen der Machtteilung, der Vermittlung von Verhandlungslösungen und der Förderung des Friedens.

Diese inneren stärken hat die Schweiz im letzten Jahr im Rahmen der Präsidentschaft der OSZE angewendet. So haben wir beispielsweise in der Ukrainekrise Schweizer Prinzipien hochgehalten. Wir haben auf Dialog gesetzt, Brücken gebaut und auf Kooperation gesetzt. Und wir haben mit der Modell-OSZE der Jugend eine Stimme gegeben. Dieses Projekt wird weitergeführt. Das ist eine hervorragende Möglichkeit, sich zu engagieren. Packt solche Chancen.

Die Schweiz setzt ihr Engagement auch nach dem Präsidialjahr fort. Dies im Rahmen der Troika sowie mit bilateralen Programmen in der Ukraine. Denn unsere Verantwortung für mehr Stabilität und Sicherheit geht weiter – sie ist ein Verfassungsauftrag.

Ein Themenbereich, den es zu stärken gilt, ist die Vermittlung und die Dialogförderung. Wir wollen nicht nur Innovationsweltmeister und Glücksweltmeister sondern auch Mediationsweltmeister werden. Hier gibt es grosse Nachfrage. Und wir haben viel zu bieten. Ich denke dabei nicht nur an die Ukraine, wo bereits mehrere Schweizer in wichtigen vermittelnden Positionen engagiert sind.

Auch in anderen Konflikten ist Schweizer Expertise gefragt. So zum Beispiel in Sri Lanka. Hier unterstützt die Schweiz den politischen Dialog zwischen der Regierung und den Tamilen. Dieser Dialog konnte nach dem Regierungswechsel in Sri Lanka wieder aufgenommen werden. Ich konnte mich vor Ort von der Nützlichkeit des Schweizer Engagements überzeugen.

Ein weiteres Beispiel, wo die Schweiz dank ihrer Expertise international gefragt ist, ist das Thema Wasser und Sicherheit.
Wir sind hier im Schloss Rapperswil von drei Seiten von Wasser umgeben. Wasser ist überall und genügend vorhanden in der Schweiz. Wir teilen das Wasser friedlich. An vielen Orten ist aber Wasser knapp und ein Konfliktgrund. An dieser Problematik wollen wir künftig verstärkt arbeiten und uns dafür einsetzen für grenzüberschreitende Kooperation in diesem Bereich. Wasser soll ein Instrument des Friedens werden. Die Schweiz plant hierzu eine internationale Plattform in Genf zu schaffen, die diesem Ziel dient.

Vermittlung und Dialogförderung sowie das Engagement für Wasser und Sicherheit sind meines Erachtens sehr wichtig. Es sind zwei Beispiele, wie die Schweiz nützliche Beiträge leisten kann zur Lösung von konkreten und drängenden Problemen. Das ist verantwortliche und zukunftsgewandte Aussenpolitik.


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