Schweizer Theaterpreise

Winterthur, 28.05.2015 - Rede von Bundesrat Alain Berset anlässlich der Verleihung der Schweizer Theaterpreise – Es gilt das gesprochene Wort.

Der heutige Preisträger des Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring ist ein Virtuose, wenn es darum geht, die Trennung zwischen Bühne und Zuschauer aufzuheben. Oder authentische Veranstaltungen kurzerhand zu Theaterstücken zu erklären und diese damit als Inszenierungen des
Authentischen zu entlarven.

Das bringt mich natürlich etwas in Verlegenheit. Denn es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass ich diese Rede als Bundesrat anfange und als Bundesrat-Darsteller beende. Deshalb sehe ich mich gezwungen, klipp und klar zu erklären: „Beim Schweizer Theaterpreis handelt es sich weder um ein Schauspiel noch um ein Theaterstück". Ich bitte darum, das so im Protokoll festzuhalten.

Verschwimmende Grenzen zwischen Realität und Fiktion - das mögen wir Politiker nämlich gar nicht. Denn dafür sind wir ja schliesslich
selber zuständig.

Der Geehrte sorgt - allein oder im Kollektiv - seit rund 15 Jahren für Aufsehen auf deutschen, schweizerischen und zahlreichen internationalen Bühnen.

Seine Methode? Er verunsichert uns.

Bekannt wurde besagtes Kollektiv damit, dass in seinen Theaterstücken nicht Schauspieler auf der Bühne stehen - sondern einfach
Menschen, die von ihrem Leben sprachen. Das heisst: Kaum wurde allgemein davon ausgegangen, dass echte Menschen - „Experten des Alltags" genannt - die Schauspieler bei seinen Produktionen ersetzen, wurden diese wiederum von echten Schauspielern ersetzt. Oder auch gleich von den Zuschauern selbst.

Sein künstlerisches Credo hat er einmal folgendermassen formuliert: „Sobald wir etwas gefunden haben, versuchen wir, das Theater nochmals neu zu erfinden oder unser Label zu benutzen, um etwas anderes auszuprobieren."

Die Zuschauer sollten nie aufhören, sich zu fragen: „Was ist eigentlich die Grundregel dahinter?" Die Grundregel dieses auf- und
anregenden Theaters ist also, dass es keine gibt. Und doch ist die Methode immer dieselbe: Uns scheinbar Vertrautes wird durch Verfremdung bis zur Kenntlichkeit entstellt.

So wird die Generalversammlung eines Weltkonzerns zum Theaterstück erklärt, die Zuschauer erhalten statt einer Eintrittskarte eine
Aktie. Und der Präsident des Verwaltungsrats gerät ins Schwitzen, als ob er selber nicht ganz davon überzeugt wäre, dass es sich nicht um ein Schauspiel handelt.

Der Träger des Grand Prix Theater und seine imaginären Mitträger fürchten sich nicht vor grossen Themen. Und nicht vor grossen
Dimensionen. Sie bringen ganze Städte auf die Bühne, zu 100 Prozent. Dies mittels einer Zahl repräsentativ ausgewählter Bewohnerinnen und Bewohner. Man lernt so die Stadt kennen - und nicht deren Wahrzeichen. Die echte Stadt - und nicht deren Positionierung als Standort. Denn die Stadt, das sind die Menschen, die in ihr leben.

Aber auch das beklemmende Kammerspiel gehört zum Repertoire des Geehrten, der in verschiedenen und doch sehr konstanten Konstellationen arbeitet. In einem Stück mutieren die Zuschauer zu Protagonisten und müssen entscheiden. Und zwar über Leben und Tod - mittels
Joystick, mit denen Drohnen gesteuert werden. Nur ein Spiel? Gerade heute, wo Computerspiel und Kriegsführung zu verschmelzen scheinen, bedeutet das Wort „Spiel" vielleicht genau das Gegenteil: „blutiger Ernst". Auch hier wieder findet sich das erwähnte Leitmotiv: Die verschwimmenden Grenzen zwischen Realität und Fiktion. 

Le théâtre est plus étroitement lié aux régions linguistiques de notre pays et à sa diversité que d'autres domaines artistiques. C'est aussi cela qui rend le paysage théâtral suisse si unique, si précieux. Ici à Winterthour, nous avons la chance de découvrir les différentes facettes de ce paysage. De découvrir ce qui se passe sur les scènes des différentes régions linguistiques du pays.

Qu'est-ce qui relie ces différentes cultures théâtrales ? Qu'est-ce qui les distingue ? En répondant à ces questions, on définit ce qu'est l'autre, ce que sont les autres dans notre pays. Et par là, ce que nous sommes, nous.

Une chose est sûre : les cultures théâtrales suisses se caractérisent par leur vitalité et le foisonnement d'idées qu'elles recèlent et par le regard acéré qu'elles portent sur les particularités et les états d'âme d'une société.

Ici, à Winterthour, c'est donc la Suisse qui rencontre la Suisse. Or l'identité de notre pays se nourrit de ces rencontres. La Confédération entend renforcer la cohésion sociale de notre pays grâce à ces échanges entre les régions. Et par là renforcer aussi la présence nationale des
compagnies au potentiel créatif élevé.

Non, j'arrête là de vous réciter par le menu le Message culture du Conseil fédéral. Sinon, vous allez encore imaginer qu'il s'agit d'une mise en scène et non d'une véritable cérémonie - justement parce qu'elle a l'air si authentique. Revenons-en au lauréat 2015.

Assister à une pièce qu'il a créée, c'est ressentir l'inépuisable force du théâtre. S'agit-il de jeux de rôle ? Est-ce l'effet de la distance que l'on prend par rapport à la réalité ? Et qui fait que, contrairement à toute logique, on s'en rapproche ?

Une chose est sûre : si l'on se prend au jeu, on change invariablement de perception. Même lorsque la différence semble imperceptible, elle n'en est pas moins là, irréversible. Autrement dit : pour le prix d'un billet, les spectateurs se voient offrir une nouvelle perspective. Découvrent une autre approche. Observent le monde sous un autre angle.

C'est immense. Peut-on, doit-on attendre autre chose de la culture, du théâtre ?

Comme les spécialistes l'auront déjà deviné, cette année, le Grand Prix suisse de théâtre / l'Anneau Hans Reinhart 2015 va à Stefan Kaegi du "Rimini Protokoll".

Félicitations !


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