Personenfreizügigkeit: Schweizer Arbeitsmarkt weiterhin attraktiv für Arbeitskräfte aus dem EU/EFTA-Raum

Bern, 23.06.2015 - In den letzten Jahren verzeichnete die Schweiz eine im internationalen Vergleich starke Nettozuwanderung. Auch 2014 fiel der Wanderungssaldo mit 73‘000 Personen - 50‘600 davon stammten aus dem EU-Raum - erneut hoch aus. Während die EU seit Ausbruch der letzten Wirtschaftskrise eine Phase regional stark divergierender Wirtschaftsentwicklung durchlief, hatte die Schweizer Wirtschaft eine vergleichsweise gute Wachstumsperformance und eine stabile Arbeitsmarktentwicklung vorzuweisen. Die Zuwanderung im Rahmen der Personenfreizügigkeit hat dabei das Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum hierzulande genährt. Besondere Herausforderungen stellten sich vor allem in den Grenzregionen der lateinischen Schweiz, wo zu einer starken Zuwanderung von Arbeitskräften ein bedeutender Zuwachs der Grenzgängerbeschäftigung hinzukam. Dies zeigt der am 23. Juni 2015 veröffentlichte 11. Bericht des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU.

Die regional stark divergierende Wirtschaftsentwicklung innerhalb Europas hat die Migrationsströme in den vergangenen Jahren wesentlich geprägt. Während etwa Italien und Spanien aufgrund ihrer schwachen Wirtschaftsentwicklung als Zielländer für Migrantinnen und Migranten aus anderen EU-Staaten an Attraktivität einbüssten und selber wieder steigende Auswanderungsraten verzeichneten, wies Deutschland in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg der Zuwanderung - insbesondere aus Osteuropa - auf. Die ungleiche Wirtschaftsentwicklung innerhalb Europas spiegelt sich auch in der Zuwanderung in die Schweiz. So stieg der Wanderungssaldo von Personen aus Portugal, Italien und Spanien von 13‘500 im Jahr 2008 auf 22‘300 im Jahr 2014. Eine Zunahme des Saldos von 4‘600 auf 10‘500 war im gleichen Zeitraum infolge der schrittweisen Öffnung des Schweizer Arbeitsmarktes auch gegenüber den zehn osteuropäischen EU-Staaten festzustellen. Demgegenüber verringerte sich die Nettozuwanderung aus Deutschland von 29‘000 auf 6‘800. Insgesamt belief sich der internationale Wanderungssaldo 2014 auf 73‘000 Personen, wovon 50‘600 aus EU/EFTA-Staaten stammten. Gegenüber dem Vorjahr ging die Nettozuwanderung von EU/EFTA-Staatsangehörigen um rund 25% zurück und kam damit leicht unter dem Durchschnitt der letzten sechs Jahre zu liegen.

Hohe Bedeutung der Zuwanderung für die Beschäftigungsentwicklung
Nach wie vor handelt es sich bei der Zuwanderung aus dem EU-Raum in erster Linie um eine Arbeitsmigration. 2014 gingen über 60% der an EU/EFTA-Bürger ausgestellten Bewilligungen an Zuwanderer, die zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in die Schweiz einreisten. Zwischen 2003 und 2014 stieg der Anteil von EU27/EFTA-Zuwanderern an den Erwerbstätigen unter Berücksichtigung von Grenzgängern und Kurzaufenthaltern schweizweit um 6 Prozentpunkte auf 23% an. Im europäischen Vergleich hatte in den letzten Jahren einzig Luxemburg eine noch stärkere Zunahme des Erwerbstätigenanteils von EU27/EFTA-Zuwanderern zu verzeichnen. Einen besonders starken Beschäftigungszuwachs konnten EU/EFTA-Staatsangehörige im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Bereich der freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen verzeichnen, beides Bereiche in denen auch Schweizer/innen ihre Erwerbstätigkeit ausbauen konnten. Ausgeprägt war der Beschäftigungszuwachs von EU/EFTA-Zuwanderern ferner in der Industrie, m Handel und im Baugewerbe.

Weiterhin günstige Qualifikationsstruktur der Zuwanderer
Trotz der Verschiebungen bei den Herkunftsregionen hat sich die Qualifikationsstruktur der zugewanderten Arbeitskräfte kaum verändert. Auch unter den kürzlich zugewanderten Erwerbstätigen aus der EU/EFTA lag der Anteil an Personen mit tertiärem Bildungsabschluss bei über 50% und damit deutlich höher als in der ansässigen Erwerbsbevölkerung. Die Erwerbstätigkeit von EU/EFTA-Staatsangehörigen nahm zudem auch in den letzten Jahren vor allem in Berufsgruppen mit hohen Qualifikationserfordernissen zu.

Stabiler Arbeitsmarkt 
Die Erwerbslosenquote gemäss ILO stieg in der Folge der Wirtschaftskrise in der Schweiz nur leicht an. 2014 wies im EU/EFTA-Raum einzig Norwegen eine noch tiefere Erwerbslosenquote auf. Das Reallohnwachstum fiel in den Jahren 2002-2014 mit durchschnittlich 0.7% pro Jahr ebenfalls solide aus.

Herausforderungen in den Grenzregionen
Trotz der insgesamt erfreulichen Arbeitsmarktentwicklung kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Konkurrenz für die Ansässigen durch ausländische Arbeitskräfte in einzelnen Regionen und Arbeitsmarktsegmenten verstärkt hat. Besonderen Herausforderungen sahen sich in den letzten Jahren etwa die Grenzregionen in der lateinischen Schweiz gegenüber, in denen zusätzlich zur stärkeren Zuwanderung auch ein deutlicher Anstieg der Grenzgängerbeschäftigung zu verzeichnen war. Mit der Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro hat der Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung in der Schweiz für Personen aus den Nachbarländern noch zugenommen. Im Tessin sind heute mehr als ein Viertel, in Basel-Stadt und Genf je knapp ein Fünftel aller Erwerbstätigen Grenzgänger/innen. Im Gesamtbild verschiedener Arbeitsmarktindikatoren spiegeln sich etwa in der Lohnentwicklung oder im Verlauf der Erwerbslosenquoten gemäss ILO gewisse regionale Muster, die mit der regional unterschiedlich ausgeprägten Zunahme ausländischer Arbeitskräfte in Zusammenhang stehen könnten. In der Regel sind die regionalen Unterschiede allerdings klein und können auch durch andere Faktoren mitbeeinflusst sein.

Zuwanderung ist Ausdruck der guten Wirtschaftsentwicklung
Insgesamt bleibt das Bild für die Schweiz somit konsistent mit früheren empirischen Befunden, wonach - wenn überhaupt - nur geringfügige negative Auswirkungen von der Zuwanderung auf Löhne, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit ausgingen. Viel eher ist die Zuwanderung Ausdruck der im europäischen Vergleich guten Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz. Angesichts der vorläufig noch starken Zuwanderung und der jüngst wieder eingetrübten Konjunkturaussichten bleibt die fortlaufende Beobachtung der Arbeitsmarktentwicklung allerdings wichtig. Sehr hohe Priorität behält auch die Kontrolle und Durchsetzung der Lohn- und Arbeitsbedingungen im Rahmen der Flankierenden Massnahmen, wobei auf die Grenzregionen der lateinischen Schweiz weiterhin ein besonderes Augenmerk zu legen ist.


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