Machen Sie aus den Herausforderungen von heute die Erfolge von morgen!

Zürich, 17.09.2015 - Rede von Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Bankiertag 2015

Sehr geehrte Damen und Herren

Ich bedanke mich für die Einladung zu Ihrer Generalversammlung.

Und ich bedanke mich im Namen des Bundesrats und persönlich herzlich für Ihren täglichen Einsatz zugunsten des Wirtschaftsstandorts Schweiz und seiner Arbeitsplätze.

Ich spreche heute über drei Themen:

1. Zu Frankenstärke und Regulierung,

2. zur Zukunft des Bilateralen Wegs und

3. zur Digitalisierung.

Lassen Sie mich jedoch zuvor schildern, was Bundesbern aktuell auch bewegt:

Anfangs September war die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in Bern. Gewisse positive Signale der Unterstützung waren auszumachen. Das zweite grosse Thema war natürlich die Flüchtlingswelle. Ein europäisches Drama - das auch uns betrifft. Der Bundesrat beschäftigt sich intensiv damit.

Letzte Woche durfte ich die jüngste Nespresso-Fabrik einweihen.Es ist eine sehr erfreuliche Nachricht, wenn globale Player wie Nestlé hier investieren und hier Arbeitsplätze schaffen. Klar: „Switzerland, what else". Das macht Mut, uns gegen jegliche Deindustrialisierung zu stemmen. Und dann der Sprung in diese Woche: Heute in aller Früh habe ich zusammen mit dem Chefökonomen des Bundes Parlamentariern die aktuellen Konjunkturzahlen präsentiert.

Die neuste SECO-Konjunkturprognose lautet im Detail: Für das laufende Jahr wird ein Wachstum von 0,9% vorausgesagt (0,1% mehr als im Juni), für 2016 von 1,5% (0,1% schlechter). Die Arbeitslosigkeit sollte Ende Jahr bei 3,3% verharren und 2016 auf 3,6% steigen. Damit, meine Damen und Herren, bin ich bei meinem ersten Thema angelangt, der Frankenstärke.

Wenn Sie mich fragen, wie es mir geht, sage ich: Heute geht es mir 1,097.

Der schwache Euro, der starke Franken haben dem ersten Halbjahr 2015 ihren Stempel aufgedrückt. Unser Land ist im ersten Halbjahr, etwas salopp ausgedrückt, knapp an einer (technischen) Rezession vorbeigeschlittert. Das ist die gute Nachricht. Aber die Wirtschaft stagniert. Je mehr die Unternehmen dem Wechselkurs ausgesetzt sind, desto stärker sind sie unter Druck. Besonders natürlich in der Exportindustrie, in gewissen Teilen des Tourismus und im Detailhandel. Die weltweite Wirtschaftsentwicklung ist neben dem Euro-Kurs entscheidend dafür, ob die SECO-Ansage zur Konjunkturentwicklung erreicht wird. Mit der EU und den USA sind zwei der wichtigsten Abnehmermärkte schweizerischer Exportprodukte auf den Wachstumspfad zurückgekehrt, auch wenn die europäische Entwicklung fragil ist. Sorgen bereiten derzeit vor allem die BRIC-Staaten.

Russland ist in der tiefsten Rezession seit Jahren. Brasilien rutscht aufgrund der kellertiefen Rohstoffpreise von Monat zu Monat mehr in die Krise. China hingegen hat sich nach dem Beben der letzten Wochen etwas beruhigt. Was das Wachstum im Reich der Mitte angeht, malen Kommentatoren meines Erachtens zu schwarz.

Nehmen Sie die absoluten Zahlen hinter den Prozenten: Entsprach das chinesische BIP-Wachstum 2005 von 11,3% noch 220 Milliarden US-Dollar, bedeuten die vermeintlich mickrigen 6,8% zehn Jahre danach 702 Milliarden! Jetzt müssen unsere Unternehmen in diesem attraktiven Markt den Vorsprung auf die Konkurrenz nutzen, den das Freihandelsabkommen bietet.

In diesem Zusammenhang interessiert mich heute Abend zu erfahren, wie Sie das Thema Renminbi-Hub einschätzen. Die staatlichen Kontakte wurden Anfang September 2015 beim Finanzdialog und dem Financial Roundtable in Peking vertieft. Ein erster Erfolg liegt mit der baldigen Etablierung der China Construction Bank in Zürich vor. Weitere chinesische Banken sind interessiert. Wenn ich vorhin unter den von der Frankenstärke besonders belasteten Branchen die Ihrige nicht aufgezählt habe, dann geschah das selbstverständlich nicht aus Versehen oder gar Ignoranz. Es ist mir wichtig, mich in persönlichen Gesprächen ebenso wie an dem von mir einberufenen „Runden Tisch der Wirtschaft zur Frankenstärke" regelmässig mit dem Finanzplatz auszutauschen.

Zusammengefasst scheint mir die folgende Aussage korrekt: Ihre Branche spürt die Folgen der Frankenstärke in Form der Negativzinsen sehr direkt - aber sie kann bisher damit gut umgehen. Sie wissen, dass sich der Wirtschaftsminister zu diesem Aspekt zurückhalten muss. Die Zinspolitik ist Domäne der Nationalbank. Meine Domäne sind die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Und diesbezüglich lege ich mir keine Zurückhaltung auf. Ja, ich komme mir mittlerweile gar vor wie ein Wanderprediger, der landauf, landab reist und die - längst nicht für alle so erfreuliche Botschaft - verkündet:

Wir müssen die Unternehmen administrativ entlasten! Der Finanzplatz ist von dieser Problematik stark betroffen: Neben der „Too big to fail"-Gesetzgebung haben Sie sich auf eine völlig neue Finanzmarktarchitektur einzustellen. FinfraG, FidleG, FiniG heissen die sperrigen Stichworte. Diese neuen Regulierungen verlangen von Ihnen einen gewaltigen finanziellen und personellen Aufwand.

Weder Sie noch ich wehren sich kategorisch gegen Regeln: Erstens sind Stabilität und Sicherheit auch ein Trumpf, den die Schweiz ausspielen kann. Zweitens ist die neue Regulierung zumindest teilweise auch eine Anpassung an neue ausländische Bestimmungen - und damit ein Preis, denn die Schweiz für den Erhalt des Markzugangs zahlen muss.

Aber alles hat sein Mass.

Deshalb steht die Politik weiterhin in der Pflicht, diese Regulierung mit der geringstmöglichen Belastung für die Banken umzusetzen. Und nicht noch leichtfertig zusätzliche zu schaffen. Messen Sie den Bundesrat an seiner durchaus selbstkritischen Haltung dazu im neusten Bericht zur Administrativen Entlastung.

Ich verspreche Ihnen, mich weiterhin für weniger Bürokratie einzusetzen - für alle Branchen. Denn Administrative Entlastung ist ein zentraler Teil des innenpolitischen Reformschubs, den unser Land nötig hat, um auch in Zukunft die besten Rahmenbedingungen zu bieten. Nur dann wird auch weiterhin bei uns investiert und werden hier die Arbeitsplätze gesichert. Und mit keinem anderen Ziel mache ich meine Politik.

Mesdames et Messieurs,

Il n'y a pas que sur le plan interne que nous devons rester performants. Il faut éviter à tout prix un blocage des réformes semblable à celui des années 90. Cela nous a valu ladite « décennie perdue » pour l'économie. De même, sur le plan de la politique extérieure, il faut tout faire pour éviter une paralysie comme celle qui a suivi le refus de l'EEE. Cela m'amène à mon deuxième sujet : la politique européenne, à savoir la voie bilatérale. Ces dernières années, elle a constitué pour notre pays la solution idéale. Elle a permis un une véritable ouverture économique tout en garantissant la plus grande indépendance politique possible. Une solution qui s'est avérée avantageuse à la fois pour la population et pour l'économie.

Minimiser l'importance des Bilatérales est un jeu dangereux. C'est pourquoi il nous faut trouver un consensus politique interne qui soit également acceptable pour l'UE. Une clause de sauvegarde, par exemple. Le Conseil fédéral entend réduire l'immigration et la réguler, il est aussi déterminé aussi à préserver les Accords bilatéraux. Pour débloquer les autres dossiers, il faut trouver une solution pour mettre en œuvre la décision du peuple suisse du 9 février 2014. La place financière, tout comme la place industrielle, a besoin de l'accès aux pays européens. Le Conseil fédéral veut le garantir à l'aide de trois instruments.

Premièrement : Les négociations bilatérales.
Vous savez que nous visons à améliorer l'accès aux marchés clés. Prenons l'exemple de la directive MiFID 2 : Les Etats membres de l'UE ont une certaine latitude dans l'aménagement des barrières concernant l'accès à la clientèle privée. Avec l'Allemagne, nous avons convenu d'une procédure de dispense simplifiée pour les banques. Les négociations avec d'autres pays - l'Italie, la Grande-Bretagne et la France - sont en cours.

Deuxièmement : La reconnaissance d'équivalences.
Par cette procédure, l'UE peut reconnaître les réglementations et la surveillance exercée par des pays tiers comme équivalents. Elle facilite ainsi l'accès au marché des prestataires de services financiers concernés, Au minimum, elle réduira les exigences administratives. Nous travaillons activement pour obtenir une équivalence dans tous les domaines dans lesquels la Suisse tire un avantage. Notre système de surveillance des assurances vient d'obtenir une telle reconnaissance. Celle de la Bourse suisse devrait suivre sous peu. Plusieurs autres procédures sont prévues, par exemple dans le domaine du commerce de produits financiers.

Troisièmement : L'accord sur les services financiers.
Comme il n'est pas certain que la voie des reconnaissances d'équivalence permette de supprimer toutes les entraves à l'accès aux marchés, nous réfléchissons à la possibilité de négocier un accord sur les services financiers avec l'UE. Mais gardons aussi ceci à l'esprit : l'UE n'acceptera pas de nouvel accord d'accès à son marché sans la conclusion d'un accord-cadre institutionnel.

Ich komme zum dritten Thema, der Digitalisierung.

Wenn ich besonders weitsichtige Mitarbeitende, die gerne mit dem Wort „langfristig" operieren, etwas provozieren will - dann kriegen sie einen Spruch aus meiner früheren Unternehmerzeit zu hören:

„Langfristig sind wir alle tot."

Das ist natürlich kein Plädoyer, nicht über das Alltagsgeschäft hinauszublicken. Aber mit der notwendigen Bodenhaftung. Wie hat doch der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt gesagt: „Wer eine Vision hat, soll zum Arzt gehen." Sprechen wir also nicht von Vision, sondern von Innovation: Innovationsfähigkeit war für alle Branchen in unserem Hochkostenland stets überlebenswichtig.

Die Digitalisierung stellt die Innovationsfähigkeit unserer Unternehmen ohne Zweifel auf die Probe - in vielleicht nie dagewesener Weise. Sie bietet ihr aber auch enorme Chancen. Wenn es darum geht, „das Unmögliche zu wollen, das Undenkbare zu denken und das Unsägliche zu sagen", wie dies der österreichische Schriftsteller Franz Grillparzer einst so treffend formulierte, dann dürfen wir keine Zeit verlieren.

Bereits heute wird das Undenkbare realisiert. Auch in Ihrer Branche. So drängen neue Player in traditionell aufgeteilte Marktfelder, beispielsweise im Hypothekar- und Beratungsgeschäft oder Zahlungsverkehr. Sie erhalten unter dem Stichwort „Shadow Banking" neue Konkurrenz; die Frage der gleich langen Spiesse mit nicht regulierten Bereichen stellt sich. „Fintech" ist also das Wort der Stunde. Banking wird „smart", digital und vernetzt. Ich bin nicht hier, um über diese Entwicklungen zu dozieren - Sie kennen Sie alle besser als ich. So hoffe ich jedenfalls, Sie wüssten alle bestens, was unter Robo-Advisor, Krypto-Währungen, Blockchain-Technologien und „smart bonds" zu verstehen ist...

Klar ist aber auch, dass die Digitalisierung in allen Branchen von den Unternehmen hohe, teilweise risikoreiche Investitionen verlangt. Das ruft nach geeigneten Finanzierungsinstrumenten. Neue Dienstleistungen und Wertschöpfungsketten entstehen, und gleichzeitig verändern sich auch die bankinternen Prozesse, die dahinter stehen, fundamental. Sie als renommierte Banken tun gut daran, diese neue Welt nicht den Start-ups zu überlassen.

Denn wer auf technologische Revolutionen - und um nichts weniger handelt es sich hier - nicht oder zu spät reagiert, wird aus dem Markt gedrängt. Erinnern Sie sich noch an Olivetti, einst zweitgrösster PC-Anbieter Europas? Oder an Kodak, vor wenigen Jahren noch unbestrittener Weltmarktführer in der analogen Fotografie? Oder an Nokia, vor kurzem noch die industrielle Perle Finnlands?

Alle drei Unternehmen sind verschwunden in der Bedeutungslosigkeit. Weil sie es alle verpasst haben, sich im richtigen Moment der Zukunft zu stellen. Wie als Beleg dieser These musste Hewlett Packard diese Woche einen massiven Abbau um 30‘000 Stellen bekannt geben. Nach dem Personal Computer scheint nun der Laptop Opfer der Mobilisierungswelle - sprich der Tablets - zu werden.

Die Verdrängung wird sich beschleunigen: Eine Prognose sagt, dass die Hälfte der Fortune500-Unternehmen in 10 Jahren nicht mehr zu diesem illustren Kreis gehören wird. Vor dieser Entwicklung ist auch der ebenso traditionsreiche wie erfolgreiche Schweizer Finanzplatz nicht gefeit. Sie als Verantwortliche der Finanzinstitute müssen deshalb unternehmerische Lösungen finden, um die neuen Möglichkeiten zu Ihrem Erfolg zu nutzen.

Sie als Branche, als Bankiervereinigung, müssen Strategien definieren, wie Sie als Finanzplatz mit dem Wandel umgehen, und vor allem: was Ihre Erwartungen und konkrete Forderungen an die Politik sind, um Ihre Strategie erfolgreich umzusetzen zu können. Und wir als politische Instanz haben die Aufgabe, Sie mit bestmöglichen Rahmenbedingen zu unterstützen. Verhindern wir gemeinsam, dass der Zug ohne uns abfährt - etwa im Silicon Valley, wo ich letztmals im Juli einen Augenschein von der amerikanischen Innovationskraft nahm, oder in London mit seiner bemerkenswerten start-up-Szene.

Die Schweiz verfügt zweifellos über ein enormes Potenzial, um auch in der digitalen Zukunft wettbewerbsfähig zu sein: Wir haben als Basis ein ausgezeichnetes Bildungssystem. Von der einzigartigen dualen Berufsbildung - dank der es auch ein KV-Stift mit Talent, Leistungsbereitschaft und harte Arbeit zum Bank-Chef bringen kann - bis zu hervorragenden Hochschulen. Sie haben es alle gehört: Die ETH Zürich ist diese Woche unter die besten 10 Hochschulen der Welt vorgestossen, dicht gefolgt von der EPFL auf Platz 14. Das ist fantastisch!

Wir haben einen Forschungsplatz auf Champions-League-Niveau. Wir haben - noch - die notwendige internationale Offenheit und Vernetzung. Wir haben innovative Unternehmen und innovative Unternehmer ebenso wie hervorragend qualifizierte Mitarbeitende. Und wir sind zu Recht stolz auf unseren liberalen Arbeitsmarkt, der den nötigen Freiraum schafft, und die Sozialpartnerschaft, die manches gesetzliche Korsett überflüssig macht. Tragen wir diesen Trümpfen Sorge! Und verhindern wir regulatorisches Mikromanagement, das neue Geschäftsideen im Keim erstickt.

Meine Damen und Herren

Der Wirtschaftsstandort Schweiz und unser Finanzplatz ganz besonders stehen vor grossen Herausforderungen. Aktuell heissen sie vor allem Frankenstärke, Negativzins und die Zukunft des Bilateralen Wegs. Die nächsten Jahre werden immer stärker im Zeichen des technologischen Wandels und der Digitalisierung aller Wirtschafts- und Gesellschaftszweige stehen.

Ich will, dass unser Finanzplatz zu den Top-3 der Welt gehört - auch noch in zehn, auch noch in zwanzig Jahren. Wir werden dieses Ziel erreichen, wenn wir unsere Hausaufgaben machen und die Weichen richtig stellen: Sie in den Unternehmen, indem Sie innovativ bleiben und die Zukunft erobern, statt verdrängt zu werden. Das ist Swiss Finish!

Wir in der Politik, indem wir die Rahmenbedingungen hartnäckig optimieren und die Bürokratie abbauen. Die Finanzbranche leistet einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg der Schweiz - für Wachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand in unserem Land. Dafür danke ich Ihnen ganz herzlich, und rufe Ihnen zu:

Machen Sie aus den Herausforderungen von heute die Erfolge von morgen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Es gilt das gesprochene Wort!


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