Bewegung statt Stillstand

Uster, 22.11.2015 - Rede von Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Ustertag

Sehr geehrte Ustermerinnen und Ustermer

Ich danke Ihnen vielmals für die Einladung. Es ist eine Ehre, am traditionsreichen Ustertag zu Ihnen sprechen zu dürfen. Und als Liberaler ist es auch eine Herzensangelegenheit. Ich freue mich, mit Ihnen den Weitblick zu pflegen: Der Ustertag bietet Gelegenheit zur Reflexion über das politische Alltagsgeschäft hinaus. Gegen Ende eines Wahljahrs tut das Ihnen und mir gut besonders gut. Ich komme darauf zurück.

I. Das starke Signal vom Zimiker Hügel

Meine Damen und Herren

Der Ustertag geht weit zurück, ganze 185 Jahre.

Was sich am 22. November 1830 auf dem Zimiker Hügel abspielte, war mehr als eine blosse Kundgebung, mehr als eine Demonstration- es war eine politische Weichenstellung, die nicht nur dem damaligen Kanton Zürich,

- sondern auch der heutigen Schweiz ihre liberale Prägung gab. Es ging um die Gleichstellung von Stadt und Land,- um den Zugang zur Bildung, um politische Rechte und um faire Steuern

- kurz: es ging um die gleichberechtigte Mitverantwortung aller für das Ganze. Es war eine grundlegende, fast revolutionäre und überfällige Veränderung. Die Missstände waren schlimm, das Signal von Uster war wuchtig, die Folgen waren konkret: Es folgte die Regeneration, und 18 Jahre später trat die neue Bundesverfassung in Kraft - die moderne Schweiz war geboren.

1830 - da gab es noch keine AHV, Ferien waren ein Fremdwort, Volksrechte ebenfalls, dafür gab es den 12-Stundentag. Die Schweiz hatte 2 Millionen Einwohner. Heute leben 8,2 Millionen in unserem modernen Staat mit ausgebauten Sozialwerken, direkter Demokratie, international gesehen einzigartigem Wohlstand und rekordhohem Bildungsniveau.

Nicht Stillstand prägt die Geschichte unseres Landes. Sondern stete Veränderungen, neue Lagebeurteilungen und die Suche nach der jeweils zweckmässigen, aber immer unabhängigen Rolle in einer Welt, die gleichzeitig zusammenwächst und auseinanderdriftet. Was 1830 eingeläutet wurde, war denn auch nicht die Schlussrunde - sondern eine der Wegmarken der fortwährenden Weiterentwicklung der Schweiz.

II. Grosse Entwicklungsschübe prägen die jeweilige Zeit

Das Besondere an dieser Entwicklung ist, dass sie nicht linear verläuft, sondern dass sie immer schneller immer grössere Kreise zieht:­

  • Die Industrialisierung hat die Türen zum Welthandel geöffnet und zur Gründung von Schweizer Firmen mit bleibendem Weltruf geführt.
  • ­Soziale Konflikte haben die grossen sozialen Errungenschaften ermöglicht.

Vergessen wir nicht, dass die Schweiz noch Mitte des 19. Jahrhunderts Kinderarbeit, Hungersnot, Massenarmut und Auswanderungswellen kannte. In Uster haben 1831 Heimweber eine Maschinenweberei gestürmt und angezündet, weil sie sich durch die mechanische Produktion in ihrer Existenz bedroht sahen.

  • Unterbrochen von schrecklichen Kriegen und tiefen Gräben entwickelte sich dann das 20. Jahrhundert zur Epoche des Wachstums.

Die Bildung wurde demokratisiert, die Gleichstellung schrittweise erkämpft, die Sozialwerke ausgebaut, die Mitsprache erweitert.

  • Nicht eine langsame Veränderung, sondern eine eigentliche Revolution war und ist die Digitalisierung.

Sie hat alle bisherigen Vorstellungen von Ort, Menge und Zeit gesprengt. Im Guten und im Schlechten. Denn sie hat auch die gegenseitige Ansteckungsgefahr von Allem und Jedem erhöht. Althergebrachte Geschäftsmodelle haben ausgedient. War früher der Zugang zum Wissen ein Problem, ist es heute der Überfluss.

  • Und schliesslich führt uns die Globalisierung eine völlig neue Dimension vor Augen: Den Planeten als Ganzes, die Menschheit als Ganzes, die Wirtschaftsräume als Ganzes, den Erfolgszwang als Ganzes.

Und auch wenn die Welt in vielem eine Schicksalsgemeinschaft ist, driften politische und wirtschaftliche Grossmächte auseinander. Für uns als kleines Land bedeutet das, dass wir Schritt halten und unsere Position in einem immer neuen Umfeld klug und bewusst definieren müssen. Mit mutigen Reformen im Inneren - und mit Offenheit gegenüber der Welt und dem Welthandel.

III. Der Weg der Schweiz

Die Schweiz ist das innovativste und das wettbewerbsfähigste Land der Welt. Ausländische Gäste fragen mich immer wieder, wie das kommt. Denn die Schweiz ist ja nicht aus einer geographischen, kulturellen oder wirtschaftshistorischen Logik heraus entstanden.

Weder Bodenschätze noch Machtpolitik oder Meeranstoss unterstützten unseren Gang an die Spitze. Knappe Ressourcen zwingen zu Innovation. Aus Wenigem Besseres und Neues zu machen, erfordert Phantasie, Können und Effizienz. Veredelung bedeutet für uns nicht Hochglanz, sondern Präzision und Qualität. Die Doppelstrategie von Innovation und Präzision hat das Label „Swiss made" zum Sinnbild von Qualität gemacht. Daraus ist das duale Bildungssystem hervorgegangen, mit Spitzenleistungen an beiden Enden.

Der Mix von Eigenständigkeit und Öffnung ist eine strategische Erfolgsposition. Denn um die Öffnung führt für ein kleines Land mit einem kleinen Heimmarkt kein Weg herum. Schon im Mittelalter brachten unsere Bauern ihre Tiere auf die Märkte in Frankreich oder in der Lombardei. Und auch heute verdienen wir jeden zweiten Franken im Ausland. Wir könnten keinen grösseren Fehler machen, als uns von den internationalen Märkten abzuschotten.

Wer von Natur aus wenig hat, muss härter kämpfen und darf bei Erfolgen weder zurücklehnen noch abheben. Das hat die Schweiz geprägt. So hat die Schweiz hat auf ihrem Weg Schritt für Schritt zentrale Erfolgsvoraussetzungen errungen.  Allerdings haben wir uns an Wohlstand und Besitzstand gewöhnt. Das ist gefährlich, denn beides ist alles andere als selbstverständlich.

So rasch, wie sich die Welt dreht, ist unser Erfolg von heute für morgen keineswegs gesichert. Spitzenpositionen wollen immer aufs Neue erkämpft sein, sonst haben plötzlich andere die Nase vorne. Deshalb genügen die alten Erfolgsvoraussetzungen allein nicht mehr.

Neue müssen dazu kommen:

  • Wachsamkeit,
  • Reformbereitschaft,
  • Absage an Gewohnheiten
  • sowie ein geschärfter Sinn für die Unausweichlichkeit stets neuer Wege, die wir nur zum Teil selber bestimmen können.

Denn die Fragen der Welt sind immer mehr auch Fragen der Schweiz. Die Terroranschläge in Paris haben uns dies auf schreckliche Art erneut vor Augen geführt. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und unseren französischen Nachbarn. Sicherheit und Freiheit - das sind zwei unserer höchsten Güter, die eben nicht garantiert sind. Wir müssen sie immer wieder verteidige - und wir werden sie verteidigen.

IV. Veränderungen erkennen und akzeptieren

Wie manch einer von uns tut sich auch die Politik schwer,mit Wandel umzugehen. Ich erlebe das immer wieder: Eigentlich liegen alle Karten auf dem Tisch. Aber allzu oft fehlt dann der Mut, dringende Reformen anzupacken und rechtzeitig zu verwirklichen, weil sie politisch unangenehm sind.

Viele Steine werden uns nicht von aussen in den Weg gelegt. Wir türmen sie selber auf - und müssen dann viel Zeit damit verbringen, sie wieder aus dem Weg zu räumen. So wissen wir heute aufgrund von Demographie und Tiefstzinsen, dass der AHV das Geld ausgeht, und dass sie ohne Reform innert Kürze in jährliche Milliardendefizite schlittert. Haben bei der Gründung 1948 noch 6,5 Erwerbstätige 1 Rente finanziert, werden es 2030 nur noch 2,3 Zahler sein.

Und doch bringen wir seit Jahren keine Rentenreform zustande, welche diese die Errungenschaft AHV wieder auf gesunde Beine stellt. Das meine ich, wenn ich von der verlorenen Zeit reden, die wir mit dem Wegräumen von Steinen verbringen, die wir uns selber in den Weg legen. Alternativen haben wir nicht: Diesmal muss die Reform gelingen, sonst bürden wir unseren Kindern eine Last auf, die sie nicht tragen können.

Andere Entwicklungen haben ihren Ursprung zwar nicht in der Schweiz, betreffen uns aber doch:

  • Kriege und Terror führen zu Flüchtlingsströmen,
  • Wirtschafts- und Währungskrisen bremsen das Wachstum,
  • überbordende Staatsverschuldung raubt Entwicklungschancen,
  • hohe Arbeitslosigkeit führt zu Spannungen,
  • die Euro-Schwäche bewirkt eine gefährliche Franken-Stärke.

Auch das gehört zum Bühnenbild, vor dem die Schweiz in ihrer Rolle bestehen muss. Deshalb ist unausweichlich, dass sich unser Land mit offenem Visier den Realitäten des 21. Jahrhunderts stellt.

V. Vier Erkenntnisse als Zwischenfazit

Das führt mich zu vier Erkenntnissen als Zwischenfazit: Wir müssen immer besser werden. Die Schweiz hat sich über die Jahre einen herausragenden Wohlstand erarbeitet, um den uns alle Welt beneidet. Aber das ist nicht in Stein gemeisselt.

Erfolg ist ein fragiles Gut. Um auch in Zukunft auf Vollbeschäftigung mit hohen Löhnen und sozialer Stabilität zählen zu können, müssen wir uns der Verletzlichkeit unseres Erfolgsmodells bewusst sein und schwierige Hausaufgaben selber machen. Denn niemand macht sie für uns: Alle anderen haben selber noch grössere eigene Probleme zu bewältigen - oder wollen uns als Konkurrenten auf dem Weltmarkt überholen. Und überhaupt: Verantwortung ist kein Wanderpokal.

Demokratie heisst Mitverantwortung aller für das Ganze. Seit die Zürcher Landbevölkerung in Uster die Aristokraten zurückgestutzt hat, teilt die Schweiz die Macht stets mehrfach auf und gibt so viel wie möglich nach unten weiter. Wichtige und verantwortungsvolle politische, militärische und gesellschaftliche Leistungen werden ehrenamtlich erbracht. Direkte Demokratie, Föderalismus, Subsidiarität und Milizsystem sichern die Nähe zur Alltagswelt, verbinden Staat und Bevölkerung nahtlos und spornen die Eigeninitiative an. Alle wesentlichen Entscheide liegen somit nicht bei einem starken Staatspräsidenten oder bei einer Regierungsmehrheit. Sondern beim Volk. Das eigene Schicksal liegt in der eigenen Hand. Die Schweiz war schon immer offen für Neues. Der Erfolg der Schweiz war fast immer an ihre Fähigkeit geknüpft, grosse Veränderungen früh zu erkennen, sie als Herausforderung anzunehmen und sich darauf einzustellen. Sonst wären wir nicht Innovationsweltmeister.

VI. Warum der Umgang mit neuen Welten so schwierig ist

Kaum etwas ist schwieriger, als Menschen für Veränderungen zu gewinnen, wenn es ihnen noch gut geht. Wenn es um die Folgen des Handelns geht, fehlt es nie an Diskussionsstoff. Die Folgen des Nichthandelns machen hingegen ebenso wenig Lärm wie Stillstand. Zu Unrecht, denn beides ist gefährlich. Nun, wir sind uns gewohnt, eins ums andere anzugehen. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht.

Was wir fortan bewältigen müssen, ist jedoch simultan, dynamisch und vernetzt. Das wirkt bedrohlich. Umso schwieriger ist es, die Bürgerinnen und Bürgern zu überzeugen, dass neue Wege Chancen sind. Das war schon früher nicht leicht und es ist es auch heute nicht: Unsere Bevölkerung sieht, dass wir eine rekordtiefe Arbeitslosigkeit haben. Für sie ist die 3%-Marke das Abbild der Realität. Was der Lauf der Welt mit dieser Marke im Schilde führt, sieht sie nicht. Dabei wäre das die Wirklichkeit. Das erinnert mich an das Höhlengleichnis von Plato aus der Schulzeit.

  • Dort waren Gefangene in einer Höhle so an einen Balken gefesselt, dass sie nur nach vorne schauen konnten.
  • Sie sahen also nur Schatten von dem, was draussen geschah. Und diese Schatten waren für sie die Wirklichkeit.
  • Berichte aus der wirklichen Welt wären ihnen fremd und sie würden sie nicht glauben.

Was uns Plato sinnbildlich zeigt, ist, wie schwierig es schon vor zweieinhalbtausend Jahren war, die Leute mit ungewohnten Perspektiven zu konfrontieren. Wie ungleich anspruchsvoller ist es erst recht im Wirbel der heutigen Schnelllebigkeit, wo der Überblick viel schwieriger ist. Und doch ist es unerlässlich, unwillkommene Störungen der vertrauten Bilder als Realität zu akzeptieren, wenn wir die grossen Herausforderungen unserer Zeit rechtzeitig lösen wollen.

VII. Hausaufgaben und Lösungspisten

Um die gesteckten Ziele zu erreichen, müssen wir das eigene Haus in Ordnung halten, den engen Kontakt zur globalisierten Welt ausbauen und zeitgemässe Voraussetzungen für Spitzenleistungen schaffen. Ich illustriere dies anhand von vier wichtigen Pfeilern:

1. Die Bildung

Unser wichtigster Rohstoff ist das Dreigespann Bildung, Forschung und Innovation. Unsere Kronjuwelen sind das duale Bildungssystem, die beiden international glänzend rangierten ETH und der Innovationsreichtum der Industrie. Diese Quellen des Fortschritts müssen wir mit vereinten Kräften stärken und international vernetzen. Dieser Rohstoff ist erneuerbar. Und was erneuerbar ist, muss stetig erneuert werden.

Dass wir weiterhin stark ins Wissen und Können investieren müssen, bestätigen mir Gespräche mit Vertretern von Ländern, die kaum mehr Auswege aus der Jugendarbeitslosigkeit sehen. Unser Schutzwall dagegen heisst unter anderem Berufsbildung. Deshalb hat der Bundesrat die Mittel für die Höhere Berufsbildung um 100 Millionen Franken erhöht. Generell sollen die Bundesbeiträge im Bereich Bildung, Forschung und Innovation weiterhin überdurchschnittlich steigen.

Die Schweizerische Forschung spielt in der Chamions League - weltweit. Die Hochschulen, die Industrie und viele kleinere Betriebe machen unser Land zu einem führenden Forschungslabor. Hier müssen wir an der Spitze bleiben. Die Rolle der Politik besteht dabei ganz wesentlich darin, den Unternehmen Hürden aus dem Weg räumen, statt ständig neue zu aufzutürmen.

Bei der Innovation ist primär die Wirtschaft und flankierend der Staat am Steuer. Innovation ist, wenn aus wissenschaftlicher Forschung wirtschaftliche Leistungen entstehen. Oder anders: Innovation ist, was sich am Markt bewährt. Es ist entscheidend, bei den Weltbesten zu sein. Deshalb haben wir Förderinstrumente wie die KTI entwickelt, welche unsere Volkswirtschaft konkret antreiben, indem sie Hochschulen und Firmen als Forschungspartner zusammenbringen und unterstützen. Bald werden wir die KTI neu aufstellen, damit sie das noch besser kann.

2. Die Offenheit und Eigenständigkeit

Die Schweiz ist wie kaum ein anderes Land weltweit verbunden. Ich sage es heute zum zweiten Mal, weil es mir so wichtig ist: Internationale Wettbewerbsfähigkeit und offene Zugänge entscheiden darüber, ob die Schweiz ihre heutigen Stärken behaupten kann.Gerade in einer Welt, in der sich die Märkte stark verschieben, müssen wir die wirtschaftliche Offenheit bewahren und weiter ausbauen.

Das heisst:

  • Den Bilateralen Weg für die Zukunft sichern,
  • das Freihandelsnetz noch dichter knüpfen und damit neue Wachstumsmärkte erschliessen - die Stichworte lauten Malaysia, Indien, Indonesien oder auch TTIP: Zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU wollen und müssen auch wir Anschluss erhalten, um unseren Exportfirmen die besten Chancen zu sichern.

Das erfordert einerseits, dass wir uns den Respekt der Staaten und Staatengemeinschaft sichern, mit denen wir täglich zusammenarbeiten. Denn Beziehungen sind immer zweiseitig. Es ist aber vor allem auch eine innenpolitische Aufgabe. Damit komme ich zu dem, was wir selber in der Hand haben:

3. Liberale Wirtschaftsfreiheit und Sozialpartnerschaft

Mein Credo ist mein ganzes Berufsleben das gleiche geblieben: Ich setze mich mit ganzer Kraft dafür ein, dass alle einen Job und damit eine Perspektive haben. Das geht nur, wenn unsere Leistungen für Europa und die Welt so attraktiv und akzeptiert bleiben, dass weiterhin kein Weg an uns vorbei führt. 

Technologische und industrielle Umbrüche, Wirtschafts- und Währungsturbulenzen sowie immer schärfere Konkurrenzkämpfe erfordern eine Schweizer Wirtschaft in Höchstform. Eine Voraussetzung dafür ist, dass wir unsere Rahmenbedingungen kontinuierlich verbessern. Damit meine ich, nebst der wirtschaftlichen Öffnung, dreierlei:

Erstens:
Nur eine liberale Wirtschaftsordnung gibt unseren Unternehmen den Sauerstoff, um im Konkurrenzkampf zu bestehen. Dazu gehört, dass wir den Regulierungsdschungel roden, unnötige administrative Hürden abbauen und die Belastungen senken. Nur ein gesundes und motiviertes Unternehmertum übernimmt Risiken, schafft Arbeitsplätze und ermöglicht Wohlstand. Der regelmässige Blick in die weit verzweigte Unternehmenslandschaft zeigt mir, dass hier mehr Vertrauen am Platz ist.

Zweitens:
Unser Arbeitsmarkt muss zweitens die Chancen vor allem der Älteren weiter verbessern und die hervorragenden Perspektiven für die Jungen bewahren. Nur dann bleiben Wirtschaft und Sozialwerke leistungsfähig und der gesellschaftliche  Zusammenhalt intakt. Das gelingt uns heute im internationalen Vergleich sehr gut. Trotzdem finden ältere Arbeitskräfte, die ihren Job verlieren, nur sehr schwer in den Arbeitsmarkt zurück. Hier wollen und können wir besser werden. Mit der Fachkräfteinitiative arbeiten Bund, Kantone und Sozialpartner intensiv und gemeinsam auf dieses Ziel hin.

Drittens:
Ein Garant unserer Stabilität ist die gelebte Sozialpartnerschaft. Ich kenne keinen besseren Weg, um auch in schwierigen Zeiten zukunftsfähige Arbeitsplätze zu sichern. Und mit Blick auf die ungesunde Frankenstärke stehen wichtige Teile unserer Wirtschaft in wahrlich schwierigen Zeiten. Jede zwischen Sozialpartnern getroffene vertragliche Lösung ist besser als ein Gesetz, das Unternehmen und Arbeitnehmer in ein zu enges Korsett zwängt. Ein aktuelles Beispiel ist die neue Regelung der Arbeitszeiterfassung, die mehr Flexibilität bringt - und auf einem Kompromiss der Sozialpartner basiert.

Die Sozialpartnerschaft ist auch Garant für den wohl einzigartigen Arbeitsfrieden in unserem Land. Der ist viel Wert! Sozialpartnerschaft bringt die Schweiz voran - ich setze darauf, dass das auch in Zukunft so ist. Deshalb hole ich die Arbeitnehmer und Arbeitgeber immer wieder an meinen Tisch. Manchmal kommen sie gerne, manchmal weniger. Aber sie kommen. Und sie sprechen miteinander. Oft ist das der Beginn von Lösungen, die alle weiter bringen. Denn Dialog heisst zuhören, sich einbringen, einander verstehen und das Gemeinsame suchen.

Ich komme nach Bildung, Offenheit und liberalem Wirtschaftssystem zum vierten Pfeiler:

4. Brennende Probleme lösen - statt dringende bewirtschaften

Arbeitspsychologen sagen, zu oft erledige man das Dringende statt das Wichtige. Das gilt auch für die Politik. Sie lässt sich allzu gern und allzu oft von Tagesaktualitäten in Beschlag nehmen und bewirtschaftet mit viel Zeitaufwand, was Schlagzeilen macht. Oft geht das auf Kosten des langfristig Wichtigen, ohne das die entscheidenden Ziele nicht erreicht werden können.

Einige dieser langfristigen Projekte habe ich schon angesprochen. Wir müssen:

  • Die Beziehungen zur EU regeln.
  • Die Altersvorsorge aus der Unterfinanzierung führen und damit den absehbaren Kollaps verhindern.
  • Die Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen sichern.
  • Stärkere Staatsverschuldung mit Haushaltsdisziplin und Effizienz vermeiden. 
  • Die Rechtssicherheit und die Flexibilität für Unternehmen wieder zurückbringen; denn Beschäftigung und Wohlstand stehen und fallen mit dem Erfolg des Unternehmertums.
  • Antworten auf den anhaltenden Migrationsdruck geben können; das ist nur möglich mit klaren Regeln und grenzüberschreitender Kooperation.

VIII. Vom Wert geschlossener Reihen

Liebe Ustermer

Ich komme zum Schlussgedanken: Die Schweiz ist klein. Der Lösungsbedarf ist gross. Wir müssen die Reihen schliessen! Das zu Ende gehende Wahljahr war zentrifugal. Da profiliert man sich mit Differenzen. Im nächsten Jahr brauchen wir jedoch Antworten und einen möglichst starken gemeinsamen Nenner, von dem aus die Politik möglichst verhandlungsstark und zielgerichtet handeln kann. Sonst wird der Pendenzenberg höher und die Politik hektischer, ohne dass unser Land in wichtigen Fragen vom Fleck kommt. Natürlich wird es immer grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten geben. Aber auch grosse Differenzen kann man mit Respekt austragen. Streit und Respekt: Beides gehört zu unserer lebhaften, aber stabilen Demokratie.

Es mag spektakulär sein, wenn die Fetzen fliegen. Doch wenn sich die Kräfte gegenseitig blockieren, verlieren wir die Fähigkeit zum rechtzeitigen Handeln. Die Schweiz kann sich weder bei den wichtigen Reformen im Inland noch bei der wirtschaftlichen Öffnung verpasste Züge leisten. Wir müssen uns also zusammenraufen.

Politischer Streit im konstruktiven Sinn garantiert, dass alle Standpunkte nachhaltig vertreten werden. Im Dialog liegt meistens ein Gewinn, weil ja nie einer nur Recht hat und der andere nur Unrecht. Ein Kompromiss ist deshalb nicht kleinster gemeinsamer Nennen - sondern als Ganzes mehr als seine Einzelteile.

Nachdem jedoch die Differenzen einmal ausgetragen und die Entscheide getroffen sind, müssen wir geschlossen handeln und geschlossen nach aussen auftreten. Denn in der Geschlossenheit liegt die Durchschlagskraft. 1830 brauchte es den schmerzhaften Aufstand auf dem Zimiker Hügel, um aus der Schieflage zu kommen. Damals ging es den Leuten schlecht.

Heute geht es uns gut. Wir können aus einer Position der Stärke handeln. Wenn wir die Lehren richtig ziehen, sollten wir es heute schaffen, ohne unnötige  Zerreissproben auf Erfolgskurs zu bleiben. Unsere Erfolgspositionen können wir behaupten. Davon bin ich überzeugt. Aber es gelingt nur, wenn wir die Realitäten unserer hochkomplex vernetzten Zeit anerkennen.

Wenn wir unsere Rolle im Wirtschafts- und Weltgeschehen so bestimmen, dass auf die Schweiz als Partner Verlass ist - und wir gleichzeitig souverän handlungsfähig bleiben.Und wenn wir - liberale - Reformen umsetzen, statt uns zu blockieren: Bewegung statt Stillstand.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Es gilt das gesprochene Wort!


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