Studie zu IV-Renten für psychisch kranke junge Menschen zeigt Alternativen

Bern, 25.02.2016 - Um eine frühe Invalidisierung bei jungen Menschen vermehrt zu vermeiden, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zu diesem Schluss kommt eine heute veröffentlichte Studie des BSV, die den Werdegang von jungen psychisch Kranken zwischen 18 und 29 Jahren analysiert. Sie empfiehlt, die Früherkennung zu fördern und den Einsatz von beruflichen Massnahmen zu verstärken, damit die jungen Menschen eine qualifizierte Berufsausbildung abschliessen können. Die Anzahl junger Menschen, die eine IV-Rente wegen psychischer Erkrankung erhalten, gibt zur Sorge Anlass und war einer der Hauptgründe für die Reformbemühungen zur „Weiterentwicklung der IV“, die sich in der Vernehmlassung befindet.

Hinter einer psychischen Krankheit verbirgt sich oft eine Konstellation von schweren Krankheiten und Behinderungen, wie die Untersuchung der Krankheits-, Ausbildungs- und Unterstützungsverläufe von 18- bis 29-Jährigen zeigt. Bei der Mehrheit der untersuchten Fälle war nachvollziehbar, dass die jungen psychisch Kranken auf Grund ihrer schweren Beeinträchtigung rasch eine IV-Rente erhielten. Bei einer bedeutenden Minderheit jedoch wären alternative Wege der Unterstützung allenfalls möglich gewesen.

Bei dieser Gruppe von jungen psychisch Kranken mit der Diagnose Schizophrenie, affektive Störungen, neurotische Störungen und Persönlichkeitsstörungen (sogenannte erwachsenenpsychiatrische Störungen) liess sich feststellen, dass sie eine IV-Rente zugesprochen erhielten, obwohl die ärztlichen Informationen teils unklar waren. Die psychiatrischen Behandlungen waren oft von sehr kurzer Dauer und die IV-Eingliederungsmassnahmen wurden nicht voll ausgeschöpft. So erhielten die jungen psychisch Kranken relativ selten die Möglichkeit, via IV eine Ausbildung zu absolvieren.


Die Studie empfiehlt folgende Verbesserungen:

  • Die Früherkennung von psychischen Auffälligkeiten in Schule und Berufsausbildung muss gefördert werden. Die IV sollte systematischer mit den Schulen und Ausbildungsstätten zusammenarbeiten, und schon bei Schülern und Lehrlingen häufiger Frühinterventionsmassnamen durchführen.
  • Die Fähigkeiten der Schule oder Ausbildungsstätten sollten verbessert werden, damit sie auf die früh erkannten Entwicklungsstörungen reagieren und die Kinder und Jugendlichen möglichst im Bildungssystem halten können.
  • Berufliche Massnahmen wie zum Beispiel die von der IV finanzierte Erstmalige berufliche Ausbildung (EbA) sollten bei jungen psychisch Kranken mit erwachsenenpsychiatrischen Störungen deutlich häufiger und wiederholt verfügt werden, damit diese eine qualifizierte Berufsausbildung abschliessen können.
  • Diese Massnahmen zur Wiedereingliederung oder zur Erlangung eines Ausbildungsabschlusses sollten zudem deutlich länger eingesetzt werden, bevor die Ausrichtung einer IV-Rente in Erwägung gezogen wird; zusätzlich sollte auch das Mindestrentenalter für junge psychisch Kranke mit Leistungspotential aber mangelndem Problembewusstsein deutlich angehoben werden.
  • Bei den jungen psychisch Kranken mit erwachsenenpsychiatrischen Störungen sollten die IV-Stellen von Anfang an systematisch alle Beteiligten, d.h. die versicherte Person, den Regionalen Ärztlichen Dienst der IV-Stelle, die Berufsberatung, den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin sowie allenfalls Angehörige/Beistand miteinbeziehen und damit eine interdisziplinäre Beurteilung sicherstellen.

Psychische Erkrankungen sind heute die häufigste Ursache für eine IV-Rente. Zwar hat sich die Zahl der jährlich zugesprochenen neuen IV-Renten seit 2003 halbiert und der Anteil der IV-Rentnerinnen und -Rentner an der versicherten Bevölkerung ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gesunken. Betrachtet man jedoch einzelne Invaliditätsursachen und einzelne Altersgruppen, zeigt sich ein anderes Bild: Die Anzahl Neurenten für junge Menschen stagniert und der Anteil an IV-Berentungen aufgrund psychischer Erkrankungen nimmt bei den 18-29 Jährigen zu.

Die Studie „Profile von jungen IV-Neurentenbeziehenden mit psychischen Krankheiten“ wurde von einer Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus der Fachstelle für Psychiatrische Rehabilitation an der Psychiatrie Baselland, der Forschungsstelle Gesundheitswissenschaften an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW und der HSD University of Applied Sciences in Köln verfasst.

Die Empfehlungen der Studie decken sich zu einem grossen Teil mit den Zielen der Weiterentwicklung der IV, deren Fokus auf den Kindern, Jugendlichen und Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen liegt. Die Gesetzesvorlage strebt Verbesserungen bei den Übergängen von der Schule in die Arbeitswelt und bei der Zusammenarbeit mit den Beteiligten an und ist zurzeit in Vernehmlassung.


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Corinne Zbären-Lutz
Stv. Leiterin Geschäftsfeld Invalidenversicherung
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