Jubiläums-Generalversammlung der Regionalgesellschaft SRG Bern Freiburg Wallis
Bern, 10.05.2025 — Rede von Bundesrat Albert Rösti
(es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Genossenschafterinnen und Genossenschafter,
sehr geehrte Damen und Herren
«Hallo, hier Radio Bern auf Welle 302». Das waren die ersten Worte, die im November 1925 aus der Hauptstadt über den Äther gingen.
«Hallo, hier Bundesrat Rösti in Gratulationslaune», das kann ich 100 Jahre später mit Freude sagen. Denn wir feiern ein besonderes Ereignis. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Einladung. Es ist mir eine Freude und Ehre, Ihrer Regionalgesellschaft persönlich zum 100-jährigen Jubiläum gratulieren zu dürfen.
Vor 100 Jahren wurde Ihre Genossenschaft mit dem Ziel gegründet, Radio zu machen. Das Fernsehen war damals noch Zukunftsmusik – vom Internet ganz zu schweigen. Heute ist Radio einer von vielen Wegen, wie wir Medien konsumieren. Und in dieser Selbstverständlichkeit geht manchmal vergessen, wie wichtig das Radio bei seiner Entstehung für unsere Bevölkerung war – und welche Vorteile es auch heute und morgen noch ausspielen kann.
Das Radio war von Beginn an das Ohr zur Welt und die schnellste und bequemste Art, aktuelle Nachrichten aufzunehmen. Es hat Menschen auch an abgelegenen Orten über das tägliche Geschehen informiert und sie näher zusammengebracht.
Ich erinnere mich zurück an meine Kindheit. Auch als das Fernsehen längst erfunden war, spielte das Radio eine wichtige Rolle. Das Regionaljournal am Mittagstisch brachte mir in Kandersteg das Leben ennet der Gemmi und jenseits des Gantrisch näher. Das Radio war in der Küche, im Stall oder auch im Auto nicht nur eine Informations- sondern auch eine Bildungsquelle. Und in meiner gesamten politischen Laufbahn bis heute hat das Radio für mich einen hohen Stellenwert behalten, weil es mit dem O-Ton, der Schnelligkeit und der Einordnung über reine Schlagzeilen hinaus Qualitäten eines besonderen Leitmediums besitzt.
Und zwar durchaus auch eines kritischen Mediums. Als nämlich vor 25 Jahren eine Medienanalyse zur Berichterstattung über die Wahlen 1999 im Espace Mittelland durchgeführt wurde, hiess es da: «Einzig das Regionaljournal Bern-Freiburg-Wallis von Radio DRS, konzentrierte sich markant auf die kritische Leistungsbilanz der Parteien.»1 Trotz allem, in den 100 Jahren hat sich die Medienwelt rasant und grundlegend gewandelt. Lassen Sie mich deshalb ein paar Gedanken zur Gegenwart und den aktuellen Herausforderungen der SRG mit Ihnen teilen:
Für mich ist klar: die SRG hat in unserer Medienlandschaft eine zentrale Bedeutung. Sie bietet der Bevölkerung eine vielfältige und umfassende mediale Grundversorgung in den Bereichen Information, Bildung, Kultur, Unterhaltung und Sport. Möglich macht dies ihre Finanzierung durch die Radio- und Fernsehabgabe (die SRG ist zu 80 Prozent abgabefinanziert).
Wir sind uns einig: Unabhängige Qualitätsmedien sind unabdingbar für die demokratische Meinungs- und Willensbildung. Dies gilt für private Medien wie auch für die SRG.
Die SRG hat den Auftrag, ihre Service-public-Angebote auf sprachregionaler Ebene zu erbringen. Die regionale Verankerung des Unternehmens ist wichtig. Dies mit Bezug auf das publizistische Angebot, aber ebenso für die Verankerung in breiten Kreisen der Gesellschaft, die den Service public mittragen.
Aus diesem Grund habe ich mich seinerzeit für den Erhalt des Radiostudios Bern engagiert. Und mit Ihrer grossen Präsenz hier im Saal beweisen Sie: Die SRG hat in der Region Bern Freiburg Wallis Rückhalt. Sie sind bereit, sich für den Service public zu engagieren. Dafür danke ich Ihnen.
Die Umwälzungen in der Medienbranche stellen den Service public vor grosse Herausforderungen. Denken wir nur schon an das veränderte Mediennutzungsverhalten. Die Nutzung der traditionellen Medien – des linearen Radios und Fernsehens, aber auch der Printmedien – sinkt. Etwas pointiert gesagt, ist deren Nutzung vor allem noch bei den Altersgruppen 60+ sehr hoch. Alle Jüngeren sind eher Online und auf Social Media unterwegs.
Mit dem Aufkommen der Plattformen haben auch Phänomene wie Fake News und Desinformation eine neue Dimension angenommen. Sie fordern unsere Gesellschaft ebenso heraus wie Inhalte, die mit generativer KI erstellt werden.
Dabei stellen sich Fragen wie: Wem kann ich noch vertrauen? Welche Nachrichten und Videos sind echt?
Wir alle sind gefordert, Medienangebote kritisch zu hinterfragen und uns verstärkt Medienkompetenz anzueignen. Die Schweizer Medien sind ihrerseits gefordert, vertrauenswürdige Angebote bereitzustellen. Dies gilt in besonderem Masse auch für die SRG. Ihr kommt wegen ihrer Finanzierung und den Vorgaben in der Konzession eine besondere Rolle und Verantwortung zu.
Die SRG steht politisch und finanziell unter Druck: Die SRG-Initiative will die Höhe der Haushaltabgabe auf 200 Franken senken und die Unternehmensabgabe gänzlich streichen. Wird die Initiative in der Volksabstimmung angenommen, sinkt der Abgabenanteil der SRG auf 630 Millionen Franken. Damit könnte die heutige regionale Verankerung nicht mehr aufrechterhalten werden. Das Unternehmen wäre zur Zentralisierung und einem radikalen Abbau des Angebots gezwungen. Ihre heutige Rolle bei der demokratischen Meinungs- und Willensbildung könnte sie so nicht mehr wahrnehmen.
Der Bundesrat lehnt die Initiative ab. Er sieht aber in finanzieller und publizistischer Sicht Handlungsbedarf. Deshalb hat er ein Gegenprojekt auf Verordnungsstufe verabschiedet. Ich gehe davon aus, dass wir der Initiative damit erfolgreich begegnen können.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich in meiner früheren Rolle als Nationalrat die Lancierung der Initiative unterstützt habe. Mit Initiativen will man eine Diskussion anstossen und etwas bewegen. Mit den vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen ist dieses Ziel meiner Meinung nach erreicht. Mehr braucht es nicht. Unter diesen neuen Rahmenbedingungen setze ich mich mit Überzeugung für eine starke SRG ein. Gegenentwürfe des Parlaments, die weiter gehen als das Gegenprojekt des Bundesrats auf Verordnungsstufe, lehne ich ab.
Aber es ist auch klar: die Massnahmen des Bundesrats haben finanzielle Konsequenzen. Eine Budgetreduktion von etwa 17 Prozent stellt eine Herausforderung dar. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich die SRG mit dem gestarteten Transformationsprojekt Enavant den geänderten Rahmenbedingungen anpassen und zukunftsfähig werden wird. Wichtig scheint mir dabei, dass der SRG unternehmerischer Handlungsspielraum gewährt wird und nicht jeder Entscheid sofort politisiert wird.
Dass ich hier vor allem über die SRG spreche, ist natürlich dem Anlass geschuldet. Lassen Sie mich aber noch ein Wort zu den privaten Medien sagen:
Es ist wichtig und richtig, dass in unserem kleinen und mehrsprachigen Land private Medien und die SRG nebeneinander bestehen und, wo dies möglich ist, zusammenarbeiten. Auf der Basis dieser Überzeugung wird der Bundesrat die neue SRG-Konzession ausarbeiten. Die SRG soll da, wo es möglich und sinnvoll ist, Rücksicht auf die privaten Medien nehmen. So sieht es unsere Verfassung vor.
Meine Damen und Herren, wir teilen das Anliegen für solide, unabhängige und verlässliche Medien. Sie sind das Rückgrat unserer Demokratie. Und seien Sie versichert, es ist meine persönliche Meinung und auch meine Meinung als Bundesrat: Wir müssen Sorge tragen zu unseren Medien und sie fit halten im Wettbewerb mit anderen. Dafür setze ich mich ein.
Ich habe eingangs davon gesprochen, dass manchmal vergessen geht, welche Vorteile das Radio auch heute und morgen noch ausspielen kann. Bis es einem schlagartig wieder bewusst wird: Denken Sie an den Blackout, der vor wenigen Tagen Spanien und Portugal während Stunden praktisch lahmgelegt hat. Internet, Telefon, Fernsehen. Alles fiel aus. Und die Betroffenen haben verzweifelt nach Informationen gesucht. Gefunden haben sie diese im Jahr 2025 vor allem dank batteriebetriebenen Radios - ….und dank Notstromagregaten der Radiostationen.
Und auch die SRG Bern Freiburg Wallis hat entsprechende Erfahrungen. In einem Interview im Oktober 2020 sagte Peter Brandenberger, der damalige Leiter der Regionaljournals Bern, Freiburg, Wallis: «Wir sind das Katastrophen-Regi». Nicht etwa, weil der Strom ausgefallen wäre, sondern weil das Radio in den zwei Jahren davor von zahlreichen Naturkatastrophen in der Region berichtete und so wichtige Informationsleistungen für die Bevölkerung erbrachte.
Sie sehen: Das Radio ist nicht nur wertvoll, sondern bis heute auch immer wieder unabdingbar. Die wahre Katastrophe wäre, wenn dies vergessen ginge.
Hundert Jahre SRG Bern Freiburg Wallis – das sind hundert Jahre Engagement, Leidenschaft und Verantwortung. Ich danke allen, die in diesen Jahren mitgewirkt haben: den Journalistinnen und Journalisten, den Technikerinnen und Technikern, den Verwaltungsräten, den unzähligen Ehrenamtlichen und natürlich Ihnen, dem treuen Publikum.
Ich wünsche der SRG Bern Freiburg Wallis weiterhin viel Mut, Neugier und Unabhängigkeit. Bleiben Sie der Region und ihren Menschen so nahe wie bisher. Und bleiben Sie offen für die Veränderungen, die die nächsten hundert Jahre bringen werden. Wir brauchen Sie.