Bundesrat will das Erwachsenenschutzrecht punktuell anpassen
Bern, 05.12.2025 — Der Bundesrat will Selbstbestimmung und Familiensolidarität im Erwachsenenschutzrecht weiter stärken. Er schlägt dazu punktuelle Änderungen im Zivilgesetzbuch (ZGB) vor. An seiner Sitzung vom 5. Dezember 2025 hat er die entsprechende Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet. Zudem hat er das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, bis Ende 2026 eine Vernehmlassungsvorlage zur Abschaffung der umfassenden Beistandschaft auszuarbeiten. Diese markiert den nächsten Schritt zu weiteren Reformen im Kindes- und Erwachsenenschutz.
Die 2013 in Kraft getretene Neuregelung des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts hat sich nach anfänglicher Kritik eingespielt und bewährt. In einzelnen Punkten sieht der Bundesrat jedoch weiteren Verbesserungsbedarf und schlägt punktuelle Änderungen vor, mit welchen Erkenntnisse der bisherigen Praxis und verschiedene parlamentarische Vorstösse umgesetzt werden sollen. Nach überwiegend positiven Stellungnahmen in der Vernehmlassung hat der Bundesrat bereits am 7. Juni 2024 die Eckwerte für eine entsprechende Änderung des Zivilgesetzbuches (ZGB) festgelegt und an seiner Sitzung vom 5. Dezember 2025 nun die Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet.
Mehr Selbstbestimmung und verstärkte Familiensolidarität
Das Selbstbestimmungsrecht soll gestärkt werden, indem der Vorsorgeauftrag künftig in der ganzen Schweiz bei einer Amtsstelle hinterlegt werden kann. Weiter soll jede Person bereits im Vorfeld selbst bestimmen können, wen sie als Beiständin oder Beistand einsetzen möchte. Wird jemand urteilsunfähig, so sind die Wünsche dieser Person möglichst zu berücksichtigen. Zur Stärkung der Familiensolidarität sollen künftig auch faktische Lebenspartnerinnen und Lebenspartner das Recht haben, ihre urteilsunfähigen Partnerinnen und Partner zu vertreten. Ausserdem soll die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) prüfen müssen, ob nahestehende Personen als Beiständin oder Beistand eingesetzt werden können. Auch wenn sie diese Aufgabe nicht übernehmen, sollen nahestehende Personen stärker in die Verfahren sowie die Tätigkeit der Beistandspersonen einbezogen werden. Der Bundesrat ist überzeugt, dass die Mitwirkung nahestehender Personen für den Erfolg von Schutzmassnahmen wichtig sein kann.
Melderechte und Meldepflichten werden angepasst
Weiter schlägt der Bundesrat vor, die Regelung der Meldung bei Gefährdung erwachsener Personen anzupassen. So sollen auch Personen mit Berufsgeheimnis eine Meldung machen können, ohne vorher davon entbunden zu werden. Zudem soll die Meldepflicht neu auf Personen ausgeweitet werden, die zwar keine amtliche Tätigkeit ausüben, jedoch beruflich regelmässig Kontakt mit hilfsbedürftigen Personen haben, zum Beispiel Mitarbeitende privater Unterstützungsorganisationen. Schliesslich soll in Zukunft eine schweizweite Statistik des Bundes zu den Kindes- und Erwachsenenschutzmassnahmen eine bessere Übersicht verschaffen.
Separate Vorlage zur Abschaffung der umfassenden Beistandschaft
Ausserdem will der Bundesrat die umfassende Beistandschaft abschaffen. Er erachtet es nicht mehr als zeitgemäss, einer Person die Handlungsfähigkeit von Gesetzes wegen zu entziehen. Der Schutz der betroffenen Person kann mit anderen, weniger weitgehenden Massnahmen ausreichend sichergestellt werden. Die umfassende Beistandschaft wird schon heute in vielen Kantonen nur in Ausnahmefällen angeordnet. Das EJPD wird bis Ende 2026 eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage ausarbeiten.
Weitere Handlungsfelder im Kindes- und Erwachsenenschutz
Zusätzlich zu den genannten Vorschlägen will der Bundesrat das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht konsequent weiter verbessern. So wird er voraussichtlich im Jahr 2026 gestützt auf eine laufende Evaluation einen Bericht zum gesetzgeberischen Handlungsbedarf bei der fürsorgerischen Unterbringung von Erwachsenen (FU) vorlegen. Auch wird derzeit eine Verbesserung der Regeln über die ausserfamiliäre Unterbringung von Kindern im Rahmen einer Kindesschutzmassnahme geprüft. Mit der mehrteiligen Reform des Kindes- und Erwachsenenschutzes sollen die vier Grundprinzipien Selbstbestimmung, Subsidiarität, Solidarität und Partizipation weiter gestärkt werden.