Gebühr für Behandlung in Spitalnotaufnahme: Bundesrat lehnt Vorlage ab
Bern, 20.08.2025 — Der Bundesrat kommt zum Schluss, dass eine Gebühr für die Behandlung in der Spitalnotaufnahme die Notaufnahmen nicht entlasten würde. Dies teilt er am 20. August 2025 in seiner Antwort an den von der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats veröffentlichten Bericht zur parlamentarischen Initiative 17.480 «Gebühr für Bagatellfälle in der Spitalnotfallaufnahme» mit. Die Vorlage würde den Kantonen die Kompetenz erteilen, bei jeder Konsultation der Spitalnotaufnahme einen Zuschlag von höchstens 50 Franken auf den Selbstbehalt der Patientinnen und Patienten zu erheben. Der Bundesrat beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten.
In den vergangenen Jahren hat die Anzahl Konsultationen von Patientinnen und Patienten im Spitalnotfall zugenommen. Darunter befinden sich gemäss Erfahrung der Spitäler auch viele sogenannte Bagatellfälle. Mit dem Ziel, die Patientenströme besser zu lenken und die Notaufnahmen zu entlasten, wurde im Rahmen der parlamentarischen Initiative 17.480 Bäumle über die Einführung einer Gebühr für Bagatellfälle in der Spitalnotaufnahme diskutiert. Der Entwurf der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) geht aber nicht mehr auf Bagatellfälle ein, sondern sieht vor, dass versicherte Personen bei jeder Behandlung in einer Spitalnotaufnahme ohne schriftliche Überweisung – durch eine Ärztin oder einen Arzt, eine Apotheke, einem Zentrum für Telemedizin oder eine kantonale Notfallnummer – einen Zuschlag von höchstens 50 Franken auf den Selbstbehalt bezahlen müssen.
Von dieser Regelung ausgenommen wären nur Schwangere, Kinder sowie Personen, die von Transport- oder Rettungsunternehmen in die Spitalnotaufnahme eingeliefert werden. Der Entscheid über die Einführung und die Höhe eines solchen Zuschlags auf den Selbstbehalt würde den einzelnen Kantonen überlassen.
Begrenzte Lenkungswirkung der Patientenströme
Der Bundesrat befürwortet grundsätzlich das Ziel der Vorlage, die Spitalnotaufnahmen zu entlasten, damit diese ihre Hauptaufgabe, nämlich die schnelle und effektive Behandlung schwerer Fälle, gut erfüllen können. Der Bundesrat ist jedoch – wie die grosse Mehrheit der betroffenen Akteure (Spitäler, Ärztinnen und Ärzte, Krankenversicherer, Kantone) und knapp 87 Prozent der Vernehmlassungsteilnehmenden – der Meinung, dass die Ziele mit dieser Vorlage nicht erreicht werden können.
Eine Lenkung setzt voraus, dass Patienten und Patientinnen eine Alternative zur Spitalnotaufnahme haben. Insbesondere zu Randzeiten und an Wochenenden ist die Spitalnotaufnahme aber oft der einzige Zugang zu medizinischer Versorgung. Vor allem in ländlichen Gebieten ist es schwierig, einen Hausarzt oder eine Hausärztin mit freien Kapazitäten zu finden.
Erhöhter Verwaltungsaufwand und Mehrkosten
Es ist dem Bundesrat ein grosses Anliegen, die administrative Belastung der medizinischen Leistungserbringer auf ein vertretbares Mass zu beschränken, damit diese ihre teilweise knappen personellen Ressourcen für die Behandlung von Patientinnen und Patienten einsetzen können. Zu den Leistungserbringern gehören etwa die Spitäler, zuweisende Ärztinnen und Ärzte, Apotheken oder telemedizinische Zentren.
In diesem Zusammenhang sind der Bundesrat wie auch der Spitalverband H+ und viele andere Akteure der Meinung, dass die Vorlage bei der Umsetzung der neuen Regelung mehr Verwaltungsaufwand für die Kantone, Krankenversicherer und Leistungserbringer verursacht sowie den Aufwand für die Versicherten erhöht. So müssten beispielsweise die Kantone ihre rechtlichen Grundlagen anpassen, die Umsetzung beaufsichtigen, Informationskampagnen umsetzen sowie haftpflichtrechtliche Fragen klären. Die Krankenversicherer müssten abklären, ob eine Person in einem Kanton versichert ist, der den Zuschlag eingeführt hat oder nicht. Sie müssten auch unterscheiden, ob sich eine versicherte Person mit oder ohne Überweisung in der Notaufnahme behandeln liess und ob eine Ausnahme vorliegt. Bei den Leistungserbringern entstünde ebenfalls zusätzlicher Verwaltungsaufwand für die Ausstellung und Kontrolle der schriftlichen Überweisungen.
Der Mehraufwand für alle beteiligten Akteure könnte zu Mehrkosten führen. Diese Mehrkosten stehen in einem ungleichen Verhältnis zur vermutlich bescheidenen Wirksamkeit der Massnahme. Der Bundesrat beantragt deshalb, nicht auf die Vorlage einzutreten.
Der Bundesrat ist der Ansicht, dass ein guter und niederschwelliger Zugang zu Angeboten der medizinischen Grundversorgung und eine gezieltere Information und Sensibilisierung dazu beitragen können, dass weniger Personen mit leichten Beschwerden die Notaufnahme aufsuchen.
Weitere Informationen:
17.480 | Gebühr für Bagatellfälle in der Spitalnotfallaufnahme | Geschäft | Das Schweizer Parlament