Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Stadträtin

Sehr geehrte Herren aus den Bereichen Sicherheit und Sport

Herzlich willkommen in Bern!

Ich freue mich, ein derart illustres und in seiner Zusammensetzung wohl einmaliges Team begrüssen zu dürfen.
Der Grund für unser Gespräch am Runden Tisch ist wenig erfreulich, denn es geht um die Bekämpfung der Gewalt im und um den Sport.
Wir sehen uns mit immer mehr und immer brutaleren Vorkommnissen konfrontiert.
Gewalt im Sport ist ein komplexes Problem, gegen das wir gemeinsam vorgehen müssen. Deshalb habe ich zu diesem Gespräch nach Bern eingeladen.

Meine Damen und Herren

Die Ausschreitungen beim "schwarzen Eishockey-Meisterschaftsfinal" am 7.4.2001 in Lugano (HC Lugano - ZSC) und die "Fuss-ballschande vom St.-Jakob-Park" (FC Basel - FCZ) vom 13.5.2006 sind uns allen noch präsent.
Die Attacken auf den Schiedsrichter eines 2.-Liga-Fussballspiels vor zwei Wochen in Morges sind ebenso bedenklich wie die Tat von fünf 14- bis 16-jährigen Fussballjunioren, die zusammen mit einem Zuschauer im Oktober 2006 in Aesch einen Schiedsrichter tätlich angriffen, so dass dieser den Platz nur mit Polizeischutz verlassen konnte.
Die Liste der Beispiele liesse sich - leider - beliebig verlängern.
Gewalt in der Super League, Nationalliga B, 2. Liga, bei den Junioren, in allen Ligen, auf dem Land und in der Stadt.

Manchmal frage ich mich: Sind all unsere Bemühungen für mehr Fairness im Sport gescheitert?

Liebe Anwesende

Meine Kollegen im Ausland bestätigen mir: Die Schweiz hat bezüglich Gewaltprävention und Gewaltbekämpfung im Sport einen schlechten Ruf.

Nicht weil wir schlechtere Leute haben, sondern weil wir zu wenig konsequent sind.
Unser Image als Land mit einem hohen Sicherheitsstandard ist angekratzt.
Es besteht die Gefahr, dass wir immer mehr zum Anziehungspunkt für die Hooligan- und Vandalen-Szene aus ganz Europa werden.

Dagegen müssen wir aktiv und geschlossen vorgehen!
Mit Fanprojekten und Informationskampagnen, aber auch mit den Instrumenten des BWIS I, die seit Anfang Jahr zur Verfügung stehen: Rayonverbote, Ausreisesperren, Meldepflicht und Polizeigewahrsam.

Mit der elektronischen Datenbank HOOGAN sollen gewalttätige Personen erfasst und der Datenaustausch zwischen den Sicherheitskräften gewährleistet werden.
Die Massnahmen sind auf Ende 2009 befristet; für eine Weiterführung braucht es entweder ein interkantonales Konkordat oder eine Ergänzung der Bundesverfassung.
Der Bundesrat hat am 17. Januar 2007 einen entsprechenden Verfassungszusatz in die Vernehmlassung geschickt (Frist: 20.4.2007).

Eines der grössten Probleme der Gewaltbekämpfung an Grossanlässen ist die Tatsache, dass sich Ausschreitungen immer häufiger von den Stadien in die Stadtzentren verlagern.
Das wird an der Euro 2008 nicht anders sein als an der Fussball-WM 2006 in Deutschland, wo es immerhin zu 9000 kurzzeitigen Arrestationen kam, von denen rund 3700 geahndet wurden.
Ich weiss, dass für die Sicherheit an der Euro 08 ein ganzes Massnahmenpaket vorgesehen ist, von der 3-D-Strategie (Dialog, Deeskalation, Durchgreifen) bis zu den Fan-Anlaufstellen.
Man kann aber nur erfolgreich sein, wenn die Massnahmen schon im "courant" normal stimmen, wenn man schon vorher eine klare Interventionskultur hat.
Was aber, so frage ich mich, geschieht in unserem "normalen" Sportbetrieb?
Reichen die Massnahmen aus?
Werden sie durchgesetzt?

Wir haben das Recht und die Pflicht, Chaoten und Gewalttäter zu behandeln, wie das Chaoten und Gewalttäter verdienen.
Oder müssen wir zuerst Tote unter den Fussball-Zuschauern beklagen wie in England, damit wir zur Einsicht kommen?
"Ohne die Katastrophen, die vielen Toten und die schrecklichen Bilder wäre in englischen Stadien nichts passiert" sagt der Chef für die Stadion-Sicherheit des englischen Fussballverbandes (NZZ 10.1.2007).

Die Engländer haben in ihren Stadien dank

Sitzplatzobligatorium (die wirkungsvollste Massnahme),
Videoüberwachung,
einer "Null-Toleranz-Politik"
(z.B. striktes Alkoholverbot schon in den Zügen und Bussen zum Stadion) sowie mit
hartem Durchgreifen bei Vergehen
das Hooliganproblem zumindest in der obersten Liga im Griff.

Damit steigen auch die Zuschauerzahlen wieder, nicht zuletzt weil sich Frauen, Familien mit Kindern und ältere Menschen wieder ins Stadion wagen.
Und wie steht es bei uns?

Sehr geehrte Frau Maurer, sehr geehrte Herren

Auch Sie sind empört, verärgert oder gar geschockt über Gewalt, Vandalismus und Rassismus im Sport.

Natürlich weiss ich, dass Sie in Ihren Organisationen nicht untätig waren.

Swiss Olympic hat deshalb zu Handen der Sportverbände und Clubs "12 Thesen zur Sicherheit" erarbeitet, mit entsprechenden Empfehlungen, Massnahmen und Verantwortlichkeiten,
die Sportverbände, namentlich auch der Eishockey- und der Fussballverband, haben Grundlagenpapiere und Reglemente zur Wahrung der Sicherheit in Kraft gesetzt,
und selbstverständlich ist es mir auch nicht entgangen, dass in einigen Organisationen der Sicherheitsbereich personell verstärkt und die Fanbetreuung intensiviert wurde.

Trotzdem wage ich zu behaupten:

Es geschieht zwar viel, aber es passiert noch zu wenig!

Aus meiner Sicht fehlen zum Beispiel

die zeitgerechte und vernetzte Umsetzung der geplanten Massnahmen und
die Einbindung aller Führungspersonen in die Gewaltbekämpfung, also auch derjenigen, denen der eigene Profit wichtiger ist als eine gewaltfreie Veranstaltung,
ich vermisse die vorbehaltlose Solidarität und gegenseitige Unterstützung aller Verantwortungsträger aus den Bereichen Sport, Politik, Sicherheit und Sponsoring sowie
das Verantwortungsbewusstsein für den Sport als Ganzes und für das Image der Schweiz, das auf internationaler Ebene durch den Sport mitgeprägt wird.

Ein konkreter Schritt zur Behebung von Mängeln und Defiziten kann die "Erklärung des Schweizer Sports zur Bekämpfung von Gewalt im und um den Sport" sein, die wir am Ende dieses Gesprächs am Runden Tisch verabschieden wollen.
Die Erklärung verlangt eine Vielzahl von konkreten Massnahmen, von denen die meisten bis zum Beginn der Saison 2007/2008 (konkret bis zum 30. Juni 2007) initiiert und umgesetzt sein müssen.
Vorerst aber wollen wir zum Thema "Massnahmen gegen Gewalt im Sport" noch mehr hören. Ich danke Ihnen für Ihre engagierte und kompetente Arbeit und bin gespannt auf Ihre Ausführungen!

Politische Standortbestimmung - Runder Tisch "Massnahmen gegen Gewalt im Sport"