"Und sie bewegt sich doch!"

Sehr geehrte Unternehmerinnen und Unternehmer,
meine verehrten Damen und Herren.

Als Galileo Galilei vor bald 400 Jahren seine Erkenntnis verteidigte, dachte er keineswegs an die Post. Die Post, konkret der Geschäftsbereich „Poststellennetz", hat jetzt aber bewiesen, dass sich auch Verwaltungsangestellte bewegen können. Und zwar nicht nur vom Bürostuhl in die Cafeteria und umgekehrt.

Vorausschauend haben sich die Preisträger des diesjährigen Esprix-Awards bewegt. Sie haben die bequeme Position des Monopolisten aufgegeben, sich aus einer starren, traditionell gewachsenen Struktur gelöst und den Kunden ins Zentrum gestellt. Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt und ihren Geschäftsbereich in wenigen Jahren in ein wettbewerbsorientiertes Unternehmen verwandelt. Dafür gebührt Patrik Salamin, Chef des Poststellennetzes und seinen Mitarbeitenden unsere Anerkennung.

Doch auf diesen Esprix-Lorbeeren dürfen sich die Post-Verantwortlichen ebenso wenig ausruhen wie frühere Preisträger. Damit der Award Nachhaltigkeit entwickelt, sind verschiedene Faktoren nötig:

Zum einen muss die Post flexibel auf das sich weiter wandelnde Kundenverhalten reagieren. Denn kein Weg führt daran vorbei, dass immer weniger Briefe, Pakete und Einzahlungen über den Postschalter abgewickelt werden und der Wettbewerb zunimmt.
Zum anderen muss die Post den Service public mit Postdienstleistungen zu angemessenen Preisen und in guter Qualität gewährleisten - und zwar auch in den Rand-Regionen.
Schliesslich sollte der Umbau so erfolgen, dass niemand auf der Strecke bleiben wird; weder bei der Post, noch in der Bevölkerung. Den Grundstein dazu haben Sie in rund 4'000 - wohl nicht immer einfachen - Gesprächen gelegt, wo Sie mit den Kantonen, Gemeinden und Betroffenen das Poststellennetz neu definiert haben.

Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass dieser Auftrag quasi einer „Quadratur des Zirkels" gleich kommt. Man will einen Rundum-Service, der aber nichts kosten darf und erst noch alle Freiheiten zulässt. Dies umzusetzen macht „the art of leadership" aus. Und damit sind wir beim Thema der heutigen Veranstaltung.

Wer ein Unternehmen zum Esprix-Award führt, der bringt als Firmenchef jenes Quäntchen mehr an Eigenschaften mit, die ihn zum echten Leader machen. Ein Leader ist nicht nur der Chefmaschinist, der für ein reibungsloses Ineinandergreifen der unternehmerischen Zahnräder sorgt. Ein Leader zeichnet sich durch das aus, was Antoine de Saint Exupéry einmal so treffend definierte: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer."

Für jeden Leader ist das Produkt, die Effizienz oder der Shareholder Value zwar wichtig. Bei echter Leadership wird die Unternehmung aber in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang gestellt und das Unternehmen wird Mittel zum Zweck. Und dieser Zweck besteht nicht ausschliesslich in der Maximierung des Gewinns, sondern in der Maximierung des Gemeinnutzens.

Dies zu erkennen, meine Damen und Herren, setzt eine Wertehaltung voraus. Deshalb erschallt heute der Ruf nach mehr Ethik auch für die Wirtschaft und in der Wirtschaftspolitik. Exorbitante Unternehmensgewinne, „kreative Buchführung" oder so genannte „goldene Fallschirme" stossen immer häufiger auf Widerstand. Eine solche Fallschirmpolitik kann heute schnell zu einem Fallstrick für ein Unternehmen werden, wenn es deswegen in negative Schlagzeilen gerät. Der Staat kann dies nicht verhindern, aber er kann Leitplanken setzen.

Verstehen Sie mich recht; ich bin auch der Ansicht, dass der Unternehmer zuallererst den Gewinn anzustreben hat; und das in einem möglichst freien Umfeld. Nachhaltig erfolgreich wird das Unternehmen jedoch erst dann, wenn man die Menschen - Mitarbeiterinnen, Kunden und Konkurrenten - nicht dem System unterordnet, sondern das System den Menschen dient.

Denn ethisches Verhalten - political correctness und economical correctness - lohnt sich. Erfolg, Sicherheit und Wohlstand festigen demokratische und gesellschaftliche Werte wie Toleranz und Fairness. Wirtschaftliche Stagnation umgekehrt führt zu harten Verteilkämpfen und Rückschritt - zu Ich-bezogenem Verhalten. Wachstum und Wertvorstellungen schliessen sich daher nicht aus; im Gegenteil, sie ergänzen und befruchten sich. Deshalb ist alles zu unternehmen, dass es nicht zu steigenden wirtschaftlichen Ungleichheiten kommt. Deshalb müssen wir mit unserer Wirtschaftspolitik höhere Wachstumsraten anstreben.

Heute stelle ich eine gewisse Trendwende fest. Man folgt nicht mehr ausschliesslich einem Credo, das von einem wertfreien Wirtschaftssystem ausgeht. Freier Markt, freies Unternehmertum - möglichst ohne staatliche Leitplanken - stehen nicht mehr allein im Vordergrund. Heute wird immer klarer, dass wir den Markt ordnen müssen, damit er möglichst frei und für alle gleich und ohne Verzerrungen wirken kann. Denn der Markt kennt keine Mechanismen, die automatisch zur Aufrechterhaltung von Fairness, Respekt, Gerechtigkeit und sozialer Verantwortung führen. Spielregeln, die korrigierend und allenfalls sanktionierend eingreifen, braucht es daher - von der Politik oder von Branchenorganisationen in Form von Selbstregulierung oder Aufsicht. Spielregeln sind auch in einer liberal-sozialen Wirtschaftsordnung möglich, die den Unternehmern den nötigen Freiraum gibt. Ein zu enges Korsett aus Gesetzen, Vorschriften und Paragraphen fördert Korruption, Schwarzmarkt oder Günstlingswirtschaft. Der Staat soll nur regelnd eingreifen, um mit diskriminierungsfreien Gesetzen Freiräume zu schaffen für freie Märkte und für eine Kultur der Chancen. Wir haben dies beispielsweise mit dem Binnenmarktgesetz oder mit dem Kartellgesetz gemacht. Darüber hinaus setzen wir uns ein für:

flexible Arbeitszeitmodelle, die zu einem besseren Gleichgewicht von Beruf und Familie führen,
tiefe Lohnnebenkosten, damit Arbeitsplätze und die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen erhalten bleiben oder
die Förderung von Innovation.

Wenn die Globalisierung zur weltweiten Anhebung des Wohlstandsniveaus führen soll, dann müssen wir uns alle an gewisse Grundsätze halten. Hier ist die Wirtschaftspolitik gefordert im Innern und die Aussenwirtschaftspolitik im Äusseren. Als wirtschaftliches Kompetenzzentrum des Bundes will das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement in der Schweiz für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum sorgen. Dies streben wir mit einer Politik an, die für einen möglichst freien Zugang zum Weltmarkt, für unternehmensfreundlichen Strukturen und für eine gute Bildungspolitik steht. Darüber hinaus setzen wir uns etwa in der Welthandelsorganisation (WTO) oder bei der UNO für Standards ein; für allgemein verbindliche Mindestregeln für alle globalen Players, für die Respektierung etwa des Schutzes von geistigem Eigentum.

Meine Damen und Herren, Esprix-Gewinner zeichnen sich dadurch aus, dass die Mitarbeitenden nicht für den Chef, sondern für den Kunden arbeiten. So halte ich es auch in meinem Departement: Die Staatsangestellten arbeiten nicht für mich, sondern für das Land und die Bürgerinnen und Bürger. Nur wenn wir ein solches Werte-Umfeld zulassen, dann sind Innovationen möglich, dann schaffen wir Qualität und fördern Leistungsbewusstsein und Engagement mit Leib und Seele, dann wird Ethik zum Wachstumsmotor!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und gratuliere den Preisträgern sowie allen, die sich mit Esprix und motivierten Mitarbeitern erfolgreich auf den Weg zu Kundennähe und Wettbewerbsfähigkeit gemacht haben.

Es gilt das gesprochene Wort !

Leadership als Wachstumsmotor