Wer einen Stein ins Wasser wirft, verursacht Wellen!
Sehr geehrte Frau Zentralpräsidentin,
meine verehrten Damen.

Werfen Sie mehr Steine - im positiven Sinn - und schaffen Sie sich Platz und Anerkennung im öffentlichen Bewusstsein. Denn diese Anerkennung haben Sie sich in den letzten 119 Jahren aus zwei Gründen verdient.

Erstens, weil der Dachverband Schweizerischer Gemeinnütziger Frauen viele jener Aufgaben übernimmt, die der Staat nicht bewältigen kann und - als Folge der Sparpolitik - auch nicht mehr bewältigen will.
Zweitens, weil Sie mit Ihrer Tätigkeit wesentlich zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft beitragen und damit politischer handeln als mancher Parteipolitiker.

Ihre Arbeit ist umso bedeutungsvoller, weil heute fast alle nach dem Motto leben: Was nichts kostet, ist auch nichts wert! Die bezahlte Arbeit hat einen höheren Stellenwert. Die individuelle Selbstverwirklichung steht vor dem Gemeinsinn.

Wo aber kämen wir hin, wenn alle nach diesem Muster handeln würden? Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass es in der hektischen Arbeitswelt immer weniger Platz für Gemeinnützigkeit gibt. Man ist oftmals müde und will sich höchstens noch der Familie widmen. Ich bin mir auch bewusst, dass es sich nicht alle leisten können, gemeinnützige Arbeit zu verrichten; aber alle könnten freiwillig einen Dienst zugunsten der Öffentlichkeit ausüben. Und ich weiss schliesslich, dass jede Arbeit ihren Preis hat und haben muss. Aber gerade in der Just-in-time-Gesellschaft von heute, wo alles subito und effizient umgesetzt werden muss, wo die materiellen Werte dominant sind, braucht es Menschen, die Zeit haben; Zeit zum Mitdenken und Zeit zum Mithandeln.

Eigentlich ist es ernüchternd, dass die Gemeinnützigkeit von der Politik ziemlich stiefmütterlich behandelt wurde und wird. Dies ist umso erstaunlicher, als heute jede vierte Person in irgend einer Form freiwillig informell tätig ist; etwa 29% der Frauen und rund 17% der Männer. Ungefähr 740 Millionen Arbeitsstunden (informelle und institutionalisierte Freiwilligenarbeit) werden so pro Jahr geleistet; Arbeiten, für die sonst viel Geld zu bezahlen wäre; Geld, das heute niemand hat. Daraus wird ersichtlich: Gemeinnützigkeit nützt allen und Organisationen wie der SGF sind wichtige Pfeiler in unserer Gesellschaft.

Wie wichtig, zeigt die Gartenbauschule Niederlenz, vom SGF im Jahre 1906 gegründet und noch heute von Ihnen geführt. Aus der emanzipatorischen Not haben Sie eine wirtschaftliche Tugend gemacht, die weiter Bestand hat. Damals haben Sie Wellen verursacht und Beständiges geschaffen, obwohl Ihnen das die Herren der Schöpfung damals nicht zugetraut haben. Gärtner Hannes meinte gegenüber Emma Coradi-Stahl, einer der Mitbegründerinnen: „Dumms Züüg! Wie wettid d'Wyber chönne Gärtner lehre?" Später meinte er nur noch kleinlaut: „Ich säg nüd meh." Und heute nimmt mancher Mann froh entgegen, was die gemeinnützigen Frauen zustande bringen; etwa an einem Sonntagnachmittag im Altersheim-Kaffee... Heute tragen Sie wie damals zum Wohle der Gemeinschaft bei; Sie bilden in Niederlenz Lehrlinge aus, und das freut mich als oberste Lehrlingsverantwortliche ganz besonders. Sie tragen zur Stabilisierung der Gesellschaft bei und zur Förderung der Wirtschaft.

Aus all diesen Gründen muss der Staat ein eminentes Interesse daran haben, dass seine Bürgerinnen und Bürger unentgeltlich für das Gemeinwohl aktiv sind. Dass es wieder selbstverständlich wird, sich in Vereinen, in Kultur oder Politik für und mit anderen zu engagieren. Aus all diesen Gründen erwarte ich eine grössere Achtung dieser Arbeit durch die Gesellschaft und durch die Politiker - nicht nur in einem Wahljahr. Aus all diesen Gründen muss der Staat den politischen Rahmen so setzen, damit sich freiwillige und gemeinnützige Arbeit entwickeln kann.

Wenn ich vom politischen Rahmen spreche, dann geht es mir nicht in erster Linie um Steuerentlastung, AHV-Bonus oder gar um neue Paragraphen für die institutionelle Besserstellung solcher Organisationen. Das mag zwar alles wichtig sein. Es geht mir jedoch hauptsächlich um die Achtung solcher Tätigkeiten (beispielsweise mit einem Sozialzeitausweis). Es geht mir darum, dass die in einem speziellen Bereich erworbenen Schlüsselkompetenzen auch anderswo, in der bezahlten Arbeitswelt, anerkannt werden.

Meine Damen, die Gesellschaft kann gar nicht funktionieren ohne das Engagement von Idealistinnen und Idealisten. Der Staat braucht die Entlastung durch diese Menschen. Denn wo wären wir ohne die freiwillige Arbeit des SGF? Wertvolle Erfahrungen und soziale Kontakte gingen verloren. Eine kulturelle Verarmung würde sich breit machen. Viele Gemeindeaufgaben wären nicht mehr zu erledigen; ich denke nur etwa an gewisse Betreuungsaufgaben in Kinderhorten. Deshalb erscheint es mir nur logisch, dass wir diese Leistung auch gebührend anerkennen.

Deshalb braucht es den SGF, der als starke Organisation so grosse Wellen verursachen kann, dass dieser Dienst an der Gemeinschaft auch tatsächlich wahrgenommen wird.

Deshalb sage ich heute offiziell Danke.

Danke, dass sich der Dachverband Schweizerischer Gemeinnütziger Frauen seit über 100 Jahren für die Allgemeinheit einsetzt. Danke, dass Sie weitermachen. Danke, dass wir zusammen als Vorbilder den Wert der Freiwilligenarbeit hoch halten.

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft für ihre wertvolle Arbeit an der Gemeinschaft.

Es gilt das gesprochene Wort !

Für Gemeinnutz und gegen Eigennutz