Sehr geehrter Herr Präsident des Stiftungsrates,
verehrte Preisträgerinnen und Preisträger,
meine Damen und Herren.

„Ich bin kein Journalist, der über Ereignisse schreibt. Ich mache Ereignisse, über die Journalisten berichten."

In dieser absoluten Schärfe sah Winston Churchill die Rolle der Medien im Staat. Aber eine solche messerscharfe Trennung zwischen Journalisten und Politik gibt es nur in den Lehrbüchern.

In der Realität gibt es Journalisten, die gerne in der Politik mitmischen; diejenigen, die Kampagnen machen, oder jene, die es mit uns gut meinen und uns pfleglich behandeln.

Und dann gibt es jene Politiker, die sich

mehr oder weniger erfolgreich,
mehr oder weniger lustig,
mehr oder weniger sarkastisch

wöchentlich als Schreiber irgendwelcher Kolumnen selber verwirklichen wollen.

Ich finde beides nicht gut. Politiker brauchen keine pflegliche Behandlung; auch wenn viele - besonders in einem Wahljahr - die medialen Streicheleinheiten geradezu suchen. Die Medien brauchen keine Politiker als Mit-Schreiber, um den Bürgerinnen und Bürgern die Politik zu erklären und so eine aktive politische Teilnahme an der direkten Demokratie zu ermöglichen.

Sie als Journalistinnen und Journalisten und wir als Politikerinnen und Politiker haben unsere Rollen zugewiesen erhalten.

Deswegen sollten wir uns auch nicht ins gleiche Boot setzen. Wenn Sie uns in einem anderen Boot begleiten, habe ich nichts dagegen. Das ist sogar von Vorteil, denn Sie können genau beobachten und dort Distanz halten, wo Politiker in gefährliche Strudel hineinmanövrieren.
Deswegen finde ich das Idealbild von sachgemässer Information über alle Angelegenheiten von politischem und damit öffentlichem Interesse gut.
Deswegen erwarte ich auch eine kritische Begleitung, Berichterstattung und Überprüfung aller Absichten und Beschlüsse der Behörden.

Sie müssen unabhängig sein von den Politikern. Wir müssen unabhängig sein von den Medien. Beide müssen wir uns bemühen, diese gegenseitige Unabhängigkeit hochzuhalten. Für den Politiker sollte ebenso wenig die Zahl der eingereichten Vorstösse als auch die Zahl der selber inszenierten Medien-Hipes zur Messlatte für die Wiederwahl werden. Nicht die Indiskretion sollte zum Instrument der politischen Gestaltung werden. Viel wichtiger als die schnelle Schlagzeile ist die unspektakuläre, sachbezogene Kleinarbeit in der Gemeinde, im Kanton und unter der Bundeskuppel.

Dass die Medien gerne Selbstdarsteller in das Scheinwerferlicht rücken und Indiskretionen genüsslich ausbreiten, ist ihnen dabei nicht übel zu nehmen. Die „Täter" sitzen anderswo und ihr heimliches Tun ist keine Heldentat. Scheinheilig sind jedoch jene Medien, die aktiv Plattformen oder sogar Entschädigungen an Indiskretionisten anbieten.

Indiskretionen bringen uns aber nicht weiter. Sie führen zu Fehlinformationen, verunmöglichen eine sachliche Debatte und eine umfassende Meinungsbildung, verhärten die Fronten und führen zu Verdächtigungen - auch im Bundesrat. Um Indiskretionen nicht möglich zu machen, werden schwierige Geschäfte immer mehr im engsten Kreis vorbereitet und Mitberichte in letzter Minute eingereicht. Dadurch bleibt dem Kollegium wenig Zeit für seriöses Aktenstudium. Das Risiko ungenauer Entscheide steigt.

Sie glauben es mir wohl nicht, aber es ist so: Im Bundesrat geht es nicht um Machtspiele. Im Bundesrat wird echt diskutiert mit dem Ziel, eine sachlich fundierte und abgestützte Entscheidung treffen zu können. Dabei hilft uns zur Vorbereitung departementsfremder Geschäfte auch die Berichterstattung.

Deshalb bringt uns und das Land die sachliche Berichterstattung und die fundierte Kritik weiter. Die Erwartungen, die ich an Politik und Verwaltung habe, habe ich auch an die Medienschaffenden. Von Ihnen erwarte ich mehr als nur Cola-Effekte. Nur die Flasche kräftig zu schütteln, den Deckel effekthascherisch zu entfernen und den Schaum für ein Ereignis zu halten, das ist zu einfach. Was hat man davon? Klebrige Finger und die Hälfte verschüttet!

Sie wollen wohl weder Hofnarr noch Hofberichterstatter sein. Sie wollen das Wirken der Politiker und die Wirkungen ihres Tun's oder Nichttuns aufzeigen. Wir wollen nicht nur funktionierende Polit-Roboter sein. Wir wollen als Personen wahrgenommen werden, die sich in den Dienste der Öffentlichkeit gestellt haben.

Ich begrüsse es daher, wenn sich Journalistinnen und Journalisten - sei es als Korrespondenten auf einem Aussenposten etwa in Bern oder in den Redaktionen - die Mühe der sachlichen, hartnäckigen Auseinandersetzung machen und ein Thema länger als nur 20 Minuten lang verfolgen.
Ich begrüsse es, wenn Journalisten für längere Zeit am Ball bleiben und das Geschehen verfolgen können. Die so gesammelten Erfahrungen dienen der qualitativen Meinungsbildung von Politik wie Gesellschaft.
Ich begrüsse es, wenn sich Journalisten und Politiker statt im ständigen Grabenkampf gegenüberzustehen in gegenseitigem Vertrauen begegnen.
Ich begrüsse deshalb solche Anlässe wie die Verleihung des Zürcher Journalistenpreises, wo man sich austauschen kann ohne die nächste Schlagzeile im Nacken zu haben.

Die Flut der Information ist für Politiker, für Journalisten und für Leser und Zuschauerinnen nur zu bewältigen, wenn diese Informationen nicht nur als grelle Mosaiksteinchen, sondern als zusammenhängende und vernetzte Bilder präsentiert werden. So können Medien das Funktionieren der direkten Demokratie am besten unterstützen. Legislative, Exekutive und Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind auf eine sachliche, nachhaltige und kritische Berichterstattung angewiesen.

Ich danke dem Zürcher Presseverein, dass er sich mit diesem Preis dem Qualitätsjournalismus und damit der Sachlichkeit verpflichtet.

Denn nur Qualität führt dazu, dass

die Marktmacht nicht zur Verflachung führt,
Journalistinnen und Journalisten nicht per se als „potentielle Feinde" betrachtet werden,
das Verfalldatum Ihrer Beiträge das „Data" auf dem Joghurt überdauert und die Medienlektüre nicht zum intellektuellen „Junkfood" wird.

Meine Damen und Herren, auch wenn sich Churchill eine messerscharfe Trennung zwischen Journalisten und Politikern wünschte; er kannte die mediale Realität ganz genau: „Wartende Journalisten sind gefährlich, vergeblich wartende Journalisten sind noch gefährlicher. Am gefährlichsten aber sind vergeblich wartende Journalisten, die untereinander Informationen austauschen."

Für mich sind wartende Journalisten dann am gefährlichsten, wenn sie beginnen, Gerüchte für Fakten zu halten und diese auch noch verbreiten.

Deshalb will ich Sie jetzt nicht länger warten lassen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und gratuliere den Journalistinnen und Journalisten zu ihren Preisen und dem Journalismus zu so qualifizierten Berufsleuten.

Es gilt das gesprochene Wort !

Eine Frage von Nähe und Distanz oder Die Rolle der Medien im Staat