Sehr geehrte Herren Direktoren - aktive und ehemalige,
sehr geehrte Damen und Herren aus Wirtschaft und Politik,
sehr geehrte ehemalige und aktive Mitarbeitende des BLW,
liebe EVD-Mitarbeiterinnen und - Mitarbeiter.

Zuerst möchte ich ganz herzlich gratulieren.

Ein so hoher Geburtstag ist für ein Bundesamt nicht selbstverständlich; ganz besonders in einer Zeit nicht, in der auch beim Bund kaum ein Stein auf dem anderen bleibt. In diesem Umfeld 125 Jahre alt zu werden, setzt geistige und körperliche Beweglichkeit voraus. Diese hatte und hat das BLW.

Aber auch für das BLW gilt: „Wer den Acker nicht bebaut, dem wächst Unkraut." Deshalb war Umpflügen und Verändern die wichtigste Konstante der letzten 125 Jahre im BLW.

Was 1882 mit dem Adjunkt Jakob Dreifuss - einem Aargauer - und zwei Kanzlisten begann, hat sich zu einem währschaften Amt mit über 1'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Budget von über 3 Milliarden Franken entwickelt.

Staatliche Förderung bedeutete damals wie heute, dass Beiträge bezahlt werden. Deshalb hat der Bund schon mit dem ersten Subventionsbeschluss von 1884 unter anderem in den

landwirtschaftlichen Unterricht investiert,
Versuchsstationen finanziert oder
die Rindvieh-, Pferde- und Kleinviehzucht gefördert.

So hat der Staat die Landwirtschaft begleitet.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde dann zunehmend gefördert und gestützt, geschützt und garantiert: Preise, Absatz, Margen. Im Stall hatte der Staat immer mehr und der Bauer immer weniger das Sagen.

Höhepunkt dieser Entwicklung waren die 80er-Jahre. Die damaligen Preisrunden waren legendär; der Bauernverband forderte, das BLW prüfte und der Bundesrat erhöhte die Preise - getreu den Forderungen. Die Landesregierung wurde zum Lebensmitteldetailhändler. 1982 beschloss man in Bern zum Beispiel

eine Milchpreiserhöhung von fünf Rappen pro Liter,
Fleischpreiserhöhungen von 10 bis 20 Rappen pro Kilogramm Lebendgewicht oder
eine Erhöhung des Eierpreises um einen Rappen pro Ei.

Der Bauer wurde zum reinen Administrator und zum Subventionsempfänger.

Die Preisrunde 1982 war wohl eine der erfolgreichsten für den Bauernverband.

Der Legende nach soll Bundespräsident Honegger damals Direktor Juri vom Schweizerischen Bauernverband gebeten haben, den Bundesrat in der Öffentlichkeit nicht zu fest zu rühmen, da sonst die Sozialpartner dem Bundesrat Nachgiebigkeit vorwerfen würden. Der Bauernverband liess dann jeweils verlauten: ein ungenügender Schritt in die richtige Richtung.

Der damalige BLW-Direktor Jean-Claude Piot musste sich dann mit den Folgen dieser Politik, mit den Überschüssen beschäftigen.

Eine detaillierte Schilderung der historischen Preisrunden können Sie dem Jubiläumsbuch entnehmen, das Mitarbeitende des BLW für diesen Anlass geschrieben und herausgegeben haben.

Für alle Beteiligten war diese Situation immer weniger zufriedenstellend. Deshalb sagte man sich: „Jetz isch gnueg Heu dune!" Es musste etwas geschehen, denn auch der Reform- und Preisdruck von aussen wurde immer stärker. Dieser konnte sich aber erst 1993 mit der Einführung der neuen Direktzahlungen entladen. Der Start einer eigentlichen agrarpolitischen Reformphase wurde eingeläutet.

Parallel zu diesen Reformen mussten

die Beschlüsse zur Öffnung des Weinmarktes,
die Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Abschluss der Uruguay-Runde des GATT sowie
die Aushandlung des Agrarabkommens im Rahmen der bilateralen Verhandlungen mit der EU umgesetzt werden.

Die 90er-Jahre waren eine sehr bewegte Zeit und auch für das BLW und seine Mitarbeitenden sicher nicht immer leicht. Durch Lebensmittelskandale und Seuchen wie BSE wurde die Situation noch schwieriger. Neben dem Umbau des agrarpolitischen Instrumentariums mussten drei Volksinitiativen behandelt und der neue Landwirtschaftsartikel in der Bundesverfassung verankert werden. Die Folge davon waren die Aufhebung der Preis- und Absatzgarantien mit der Agrarpolitik 2002 und ein neues Landwirtschaftsgesetz.

All diese Neuerungen blieben natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die Mitarbeitenden und die Strukturen des BLW. Der damalige Direktor Hans Burger musste nicht nur die Veränderungen einleiten, sondern auch das Amt auf die neuen Visionen ausrichten - auch indem zahlreiche Bereiche personell redimensioniert wurden.

Und die Strukturanpassungen werden weitergehen; Aufgaben werden wegfallen und neue werden dazukommen. Agrarpolitik wird noch enger verknüpft mit Regionalpolitik, Tourismus und Umwelt. Agrarpolitik wird interdisziplinär. Diesen Prozess muss Direktor Manfred Bötsch laufend optimieren; er muss das Feld weiter beackern.

Dieser Veränderungsprozess wird von drei Seiten beeinflusst:

Erstens sind es die technologischen und biologischen Fortschritte mit den entsprechenden Forderungen der Konsumenten.
Zweitens ist es die Globalisierung und mit ihr unser Bestreben, einen möglichst ungehinderten und diskriminierungsfreien Zugang zu den Weltmärkten zu garantieren - auch für unsere Bauern.
Drittens werden durch die Herausforderungen von Umwelt und Klima neue Rollen auf die Landwirtschaft zukommen.

Gefordert sind wir dort, wo es gilt, für die Schweizer Bauern sowie für die vor- und nachgelagerte Industrie gute Marktchancen zu schaffen und für die Konsumentinnen und Konsumenten gute Produkte zu fairen Preisen zu erzeugen. Wir streben dies selbstbewusst an mit Freihandelsabkommen mit der EU oder mit anderen Staaten sowie mit der aktiven Ausgestaltung von Rahmenbedingungen innerhalb der Doha-Runde der WTO, aber auch durch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch die Senkung der Kosten.

Gefordert sind wir aber auch, wenn es darum geht, bei begrenzter landwirtschaftlicher Nutzfläche eine nachhaltige Produktion von genügend Nahrungsmitteln zu garantieren. Diese Aufgabe steht zunehmend in Konkurrenz zur Produktion von Energie aus nachwachsender Biomasse. Angesichts der Zunahme der Weltbevölkerung von heute 6,2 auf 9 Milliarden innert 30 Jahren ist der Selbstversorgungsgrad ein wichtiger Faktor. Gelingt es nicht, diese Herausforderung zu meistern, sind gravierende Spannungen nicht auszuschliessen.

Gefordert sind wir schliesslich dort, wo die genetischen Ressourcen in der Tier- und Pflanzenwelt bedroht sind. Wir müssen der biologischen Vielfalt national und international Sorge tragen. Denn sie ist auch ein Garant für intakte Ökosysteme und das wiederum ist ein wichtiges Element für hohe Lebensqualität und - für touristische Gebiete - ein zentraler Standortfaktor.

In all diesen Themen spielt das BLW auch international eine wichtige Rolle; zuletzt etwa mit der Organisation der ersten internationalen FAO-Fachkonferenz über tiergenetische Ressourcen, die letzte Woche in Interlaken stattgefunden hat.

Ich stelle fest: Das BLW hat sich in der Vergangenheit immer den agrarpolitischen Herausforderungen gestellt und war Hüterin für eine ausreichende Selbstversorgung, für ein angemessenes Einkommen für leistungsfähige Betriebe, für die Einhaltung von hohen Umweltstandards und für die Pflege öffentlicher Erholungsräume. Dass die staatliche Lenkung der Entwicklung hin zu mehr Ökologie, zu hochwertigen, forschungsunterstützten Qualitätsprodukten richtig ist, zeigen aktuelle Probleme in anderen Staaten bei der Lebensmittelsicherheit.

Bundesamt, Agrarforschung, Beratung und Gestüt haben sich daher gewandelt und angepasst - sie sind in den letzten Jahren schlanker geworden.

Und es ist ganz eindeutig: Aus dem Verwalter ist ein Gestalter geworden.

Diese Eigenschaft werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in Zukunft benötigen - Sie bleiben gefordert. Der Verfassungsauftrag ist zwar unbestritten. Weil sich aber andere wichtige Rahmenbedingungen ändern, sind Anpassungen am Instrumentarium unumgänglich.

Die Zukunft wächst aus der Vergangenheit. Deshalb ist ein kritischer Rückblick auf die letzten 125 Jahre wichtig. Er soll uns herausfordern und anspornen, uns mit den künftigen agrarpolitischen und institutionellen Herausforderungen zu befassen.

Diese künftigen Herausforderungen will ich zusammen mit dem BLW aktiv anpacken.

Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung und für Ihre kreative Mitarbeit.

Es gilt das gesprochene Wort !

Vom Verwalter zum Gestalter