Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren.

"Pecunia non olet"

So meinte Vespasian, als er die ersten Einnahmen aus seiner neu erhobenen Latrinensteuer in Händen hielt. Geld stinkt nicht, auch wenn dessen Herkunft nicht nach Rosen riecht.

Aber so einfach ist es nicht. Das können Sie als Vertreter der Schweizer Banken bestens aus eigener Erfahrung bestätigen.

Ich bin froh, heute unter Ihnen sein zu dürfen. Als Wirtschaftsministerin weiss ich natürlich um die Bedeutung des Finanzplatzes. Die Mehrheit der Schweizer ist stolz auf unsere Banken; zu Recht. Die wirtschaftliche Schlagkraft des Schweizer Finanzsektors ist tatsächlich bemerkenswert: Sie erwirtschaften etwa 15% des Bruttoinlandproduktes; Sie beschäftigen rund 200'000 Menschen in hochqualifizierten Arbeitsplätzen. Und wenn Ihre letzte Woche präsentierte Roadmap zum anvisierten Ziel führt, dann freut mich das. Wobei ich davon ausgehe, dass Sie Ihr Wachstum durch überzeugende Produkte und Dienstleistungen und nicht vorwiegend mit Steuererleichterungen zu Lasten der Bundeskasse planen.

Tatsache ist: Banken sind wichtige Intermediäre zwischen Kapitalgebern und Kapitalnachfragern. Auf ihre Dienste greift man weltweit zurück, wenn man einen Kredit benötigt oder Erspartes anlegen will. Und die Schweizer sind gut in diesem Geschäft: Fast 30% der weltweiten privaten Vermögen werden in Schweizer Finanzgesellschaften verwaltet. Damit steht der Schweizer Finanzsektor für eine professionelle und standardsetzende Teilnahme an der globalen Wirtschaft.

Tatsache ist weiter: Banken sind wichtige Dienstleister für Unternehmen und Investoren. Sie unterstützen die Unternehmen in der Finanzierung mit Krediten oder bei der Emission von Obligationen. Sie erledigen ihre Zahlungen und helfen bei der Verwaltung ihrer Liquidität. Sie unterstützen die Investoren und Financiers bei der Anlage ihrer Vermögen und beim Erwerb einer kontrollierenden Mehrheit.

In dieser letzten Rolle halfen die Banken in letzter Zeit verschiedenen Financiers Beteiligungen an traditionsreichen Schweizer Unternehmen aufzubauen.

Die zwei Rollen - der Dienstleister für Unternehmen und für Financiers - werfen zwei Themen auf:

Erstens, das Gute und das Böse bei Unternehmensübernahmen.
Zweitens, die Doppelrolle der Banken als Gehilfen der Financiers und als Finanzdienstleister der Unternehmen.

Wir haben in letzter Zeit in der Wirtschaft einige Übernahmekämpfe um traditionsreiche Schweizer Unternehmen beobachten können.

Hier wurde mit harten Bandagen gekämpft. In den Medien wurde diese Entwicklung wie ein Western alter Schule dargestellt.

Da gab es alle Rollen, die wir so sehr lieben:

Die bösen Financiers, die Schweizer Unternehmen unter ausländische Kontrolle bringen,
die guten Schweizer Verwaltungsräte, die sich heldenhaft dagegen wehren und
sogenannte Vermittler und Berater, die vom Konflikt profitieren.

Solche Geschichten können in einem Klima der Unsicherheit bestens gedeihen: Bürger, Arbeitnehmende und Politiker machen sich Sorgen darüber, ob hier nicht wertvolles Schweizer Know-How ausverkauft wird, ob die Schweizer Wirtschaft am Ende von fremden Magnaten beherrscht wird, ob Firmen zerstückelt werden und Arbeitsplätze verloren gehen? Die Frage schwebt in der Luft: Wer profitiert am Ende, Die Guten, die Bösen oder die Banken?

Ich meine, bei den Banken ist es wie beim Film - beim Farbfilm; es ist nicht alles schwarz-weiss, es gibt Grautöne, sogar Farbe ! Und bei Lichte betrachtet sieht alles oft viel einfacher aus.

Wenn etwas verkauft wird, gibt es immer einen Käufer und einen Verkäufer. Die Transaktion findet freiwillig statt. Es ist das Recht eines Eigentümers, seinen Anteil an einem Unternehmen zu verkaufen, wenn ihm der Preis dafür angemessen erscheint. Es ist das Recht eines Kaufwilligen, einen Unternehmensanteil zu erwerben, wenn ihm das Potential des Unternehmens über dem Preis zu sein scheint. Das muss ganz besonders dann gelten, wenn ein unternehmerischer Financiers überzeugt ist, dass sich aus einem Unternehmen mehr herausholen lässt, wenn er die Kontrolle übernimmt und seine Ideen umsetzt.

Denn das ist gut für Käufer, Verkäufer und für Konsumenten. Warum?

So kommt das beste Produkt zu den besten Konditionen zum Konsument,
so werden Unternehmen so gut wie möglich geführt,
so wird Wissen eingebracht, wo es etwas bringt,
so werden Neuerungen eingeführt, wo es sich lohnt,
so wird die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen gewahrt und
so werden letztlich Arbeitplätze nachhaltig gesichert.

Dabei darf die Nationalität eines Käufers keine Rolle spielen. Gute Ideen brauchen keinen Pass. Wir sind schlechte Patrioten, wenn wir gute Ideen und fähige Unternehmer ausgrenzen, nur weil sie nicht vollständig in der Schweiz entstanden sind. Neue Ideen und bewährte Traditionen sollen sich gegenseitig befruchten können.

Zudem können wir selber viel dazu beitragen, dass Schweizer Unternehmen ein grosses Schweizer Aktionariat haben und dass Top Manager Schweizer sind - hier oder anderswo.

Man muss manchmal aus dem dunklen Kinosaal heraustreten und die Dinge bei Lichte betrachten: in den Übernahmegeschichten sind die Guten, die Bösen und die Kriegsgewinnler oft frei erfundene Akteure, wie in einem schlechten Film. Dabei sind Übernahmekämpfe oft nur Kämpfe zwischen Managern, die ihr Gärtchen verteidigen wollen. Vergessen wir nicht: Manager sind Angestellte der Eigentümer. Deren Interessen haben sie zu wahren und zu schützen.

Dies heisst aber nicht, dass es immer nur Geschichten sind. Und es ist auch nicht immer so, dass die Interessen der Eigentümer getreu gewahrt werden. Deshalb braucht es Regeln: Rechte von bestehenden und zukünftigen Eigentümern müssen geschützt werden, das Vertrauen von Anlegern in den Markt muss gepflegt werden.

Für einen Eigentümer, der zugleich auch das Unternehmen führt, ist das kein Problem. Anders ist es in Publikumsgesellschaften: Das Gesetz muss sicher stellen, dass die Interessen der Eigentümer - auch der kleinen - gewahrt werden - gegenüber Managern, die sich gegenseitig übertriebene Löhne zuschanzen und gegen Grossaktionäre, die andere Interessen haben als Kleinaktionäre.

Dafür wird heute das Aktienrecht revidiert: es soll dafür gesorgt werden, dass Eigentümer, das heisst die Aktionäre, die notwendigen Instrumente haben, um ihre Rechte wahrzunehmen. Es braucht Vorschriften zur Transparenz, zur Vertretung der Aktionäre in der Generalversammlung, zur Stimmabgabe und zur Rechnungslegung.
Dazu gehört eine erhöhte Transparenz über Managerlöhne: Am 1. Januar setzte der Bundesrat eine entsprechende Änderung des Obligationenrechts in Kraft.
Dafür gibt es das Börsengesetz: man muss das Recht haben, zu wissen, mit wem man als Eigentümer im Boot sitzt und für wen man als Arbeitnehmer arbeitet. Deshalb gibt es eine Offenlegungspflicht.

Diese Regeln müssen auch durchgesetzt werden. Und es ist wichtig, dass sie ernst genommen werden. Sie müssen geradlinig, sichtbar und spürbar durchgesetzt werden.

Denn hier gibt es keinen Platz für populistische Massnahmen

Weder für staatliche Eingriffe in das Recht des Eigentümers, die Löhne seiner Manager zu bestimmen
noch für protektionistische, nationalistisch eingefärbte Barrieren für potentielle Käufer, die ein Unternehmen verbessern könnten.

Solche Massnahmen würden uns letztlich allen schaden.

Es geht bei der Einhaltung und der Durchsetzung solcher Regeln um die Glaubwürdigkeit eines liberalen Wirtschaftssystems.

Aus diesem Grund dürfen Regeln auch keine Slalomstangen sein, die man einfach möglichst geschickt umfahren soll.

Leider wurden in letzter Zeit Regeln nicht sauber eingehalten und es scheint, es wurde alles daran gesetzt, sie nur dem Buchstaben gemäss einzuhalten. Welche Rolle hier gewisse Banken spielten, ist heute in Abklärung
Ich erwarte von allen Akteuren, Financiers, Unternehmen und Banken, dass Regeln getreu - formal und materiell - eingehalten werden.
Ich erwarte, dass transparent gehandelt wird.

Meine Damen und Herren, es geht dabei auch um Verantwortung. Es kann nicht sein, dass man in der Öffentlichkeit wegschaut und hinter den Kulissen mithilft, wenn es klar ist, dass jemand die Regeln umgehen will. Es kann nicht sein, dass jemand dabei als Manager auch noch persönlich profitiert und damit das Vertrauen der Eigentümer und seiner Mitarbeiter missbraucht. Es kann nicht sein, dass ein Vorgesetzter wegschaut, solange die Kasse stimmt und sich erst abwendet, wenn schief geht, was schief gehen muss.

Wenn etwas schief geht, trifft es im Bankensektor oft nicht nur die Direktbetroffenen. Die Scharnierfunktion der Banken in der Wirtschaft sorgt dafür, dass wir am Ende alle leiden. Das erleben wir jetzt auch in der Kreditkrise, die in den USA durch fahrlässig verliehene Hypothekarkredite ausgelöst wurde: Solange die Sonne scheint, verdient man gut damit; sobald Regen folgt, bricht Panik aus und Unbeteiligte werden niedergetrampelt.

Regeln müssen überall eingehalten und Verantwortung muss jederzeit übernommen werden, damit Unternehmen und Financiers das bleiben, was sie sind: Anerkannte, respektierte und gefragte Akteure in einem liberalen Wirtschaftssystem und nicht die Guten oder die Bösen. So bleiben Banker Dienstleister und werden nicht zu Profiteuren. So werden Eigentumsrechte gestärkt. Das ist für Sie besonders wichtig, denn diese Rechte bilden erst die Geschäftsbasis der Schweizer Banken.

Sie und ich wissen, dass die liberale Wirtschaftsordnung ein überlegenes System ist.

Privateigentum und globale Arbeitsteilung haben einen nie da gewesenen Wohlstand erlaubt.
Innovation und Effizienz hat eine viel bessere Chance sich durchzusetzen als in dirigistischen Systemen.
Die Umwelt wird besser geschützt als in dirigistischen Systemen.
Wirtschaftsordnungen, die auf Zwang beruhten, führten zu Mangel, Stagnation und Krise.

Der „reale Kapitalismus", wo alle Eigentümer gleich sind und manche Eigentümer etwas gleicher, darf nicht real werden. Sonst dürfen wir uns über dirigistische Initiativen nicht wundern.

Daher muss Regeltreue und Verantwortungsbewusstsein für die breite Bevölkerung sichtbar sein. Gute und gewissenhaft durchgesetzte Regeln stellen sicher, dass es Käufer, Verkäufer und Banken gibt anstatt Gute, Böse und Profiteure.

Es gilt das gesprochene Wort !

Die Guten, die Bösen und die Banken