Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Köchinnen und Köche.

Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem wunderschönen Beruf. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Phantasie, zu Innovation und zum Mut, immer wieder über die eigenen Kochtöpfe hinauszuschauen. Ich freue mich an diesem Finale der Besten, an der Wahl des Goldenen Kochs 2008, persönlich teilnehmen zu dürfen.

Köche und Politiker haben vieles gemeinsam. Wer als Koch, ob in der Gastronomie oder in der Politik, punkten will, der muss ein gutes Team hinter sich scharen. Und wer als Bocuse Erfolg feiern will, darf seine Zutaten nicht bis zur Ungeniessbarkeit weich kochen. Leider können wir Politiker aus profanem Gemüse kein exquisites lit de légumes zaubern. Bei uns wird die mise en place oftmals schon in Ämterkonsultationen und - wenn man Pech hat - dann noch mit Mitberichten im Bundesrat kräftig durcheinander gebracht.

Dabei ist eine gute Vorbereitung für alle wichtig, die in einem Wettbewerb stehen. nd so wie Sie heute im Wettbewerb stehen, so steht die Schweiz als Standort für Wirtschaft, Tourismus, Wissenschaft im Wettbewerb mit der ganzen Welt. Sie wollen mit Ihrem Menü den Kunden zufrieden stellen und zwar so, dass er schwärmt und wieder kommt. Das wollen wir auch. Deshalb muss der Staat mit den richtigen Rahmenbedingungen unser Land für Investoren, Unternehmer, Forscher und Gäste attraktiv halten, damit wir Arbeitsplätze und Lebensqualität anbieten können.

Das zu erreichen, das kann ich Ihnen versichern, ist in der Schweiz nicht einfach. Bei uns im Bundesrat haben wir einen Chefkoch - den Bundespräsidenten. Ihm zugewiesen sind die sechs Chefs de Partie. Glauben Sie mir, wir sind eine gute Küchenmannschaft, ein eingespieltes Team. Trotz Gerüchteküche und Indiskretionendampf schaffen wir es immer wieder, uns auf einen Speiseplan zu einigen. Trotz hartem Spar-Regime regiert bei uns nicht Schmalhans. Und wenn wir den Gürtel auch enger schnallen müssen, schaffen wir es, dass die Schweiz - nach Gault Millau - heute die Idealnote erhält. Dass wir bereits zum zweiten Mal hintereinander vom „Global Travel and Tourism competitivness Report 2008" auf dem ersten Platz stehen, hat mit dem Verkehrsnetz, den Sicherheitsstandards und dem Umweltschutz zu tun - sicher aber auch mit Ihrer hervorragenden Kunst.

Diesen Standard zu halten erfordert jedoch ständige Anstrengungen; beispielsweise in der Bildung, aber auch dort, wo die Behördenadministration überbordet oder der Fiskus unersättlich ist. Der „Swiss Finish" muss überall angestrebt werden, und Effizienz statt Verkrustung muss oberstes Ziel sein.

Den Brei verderben denn auch nicht die vielen Köche in der Landesregierung. Es sind vielmehr die vielen „...isten" - die Lobbyisten, Journalisten und Polit-Aktivisten. Mit ihnen ergeht es uns wie den Köchen mit einer gewissen Gruppe von Gästen. Jeder, der isst, meint, er könne auch gut kochen und habe dabei noch die gesamte nouvelle cuisine im EF-EF studiert. Und jeder aktive oder ehemalige Politiker, der heute kräftig das Feuer anbläst, will selten selber kochen, sondern andere zum Kochen bringen.

Wenn wir uns aber so gegenseitig die Suppe immer wieder versalzen, schaden wir uns nur selber. Das ständige Gerede von Opposition, Streik oder Widerstand macht aus unserem 5-Sterne-Logement schnell eine unattraktive Absteige. Oder kehren Sie gerne in einem Restaurant ein, in dem der Koch nicht kocht, der Kellner nicht kellnert und der Wirt nicht wirtet? Den Wirtschafts-Standort Schweiz - in doppeltem Sinn des Wortes - können wir für unsere Gäste, Investoren, Forscher, Unternehmer und Mitarbeitende nur dann interessant, anziehend und abwechslungsreich gestalten, wenn wir alle, wie in einer gut organisierten Küche, auf unseren Posten das Beste geben; ohne Leistung, ohne Einsatz geht das nicht. Genau so, wie Sie als Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesem hoch stehenden Kochwettbewerb.

Dabei wünsche ich mir, dass wir auch heute wieder vermehrt über den eigenen Tellerrand hinaus schauen. Das ist, angesichts der grossen Herausforderungen, auch in der Politik sehr wichtig. Denn wenn jeder und jede den Kochlöffel nur im eigenen Suppentopf schwingt, können wir die Energieprobleme, den Klimawandel oder die weltweite Migration kaum bewältigen. Neben einer guten Organisation und einer effizienten Arbeitsweise brauchen Köche und Politiker Einfallsreichtum, Gestaltungskraft und Geistesblitz, um ihre Gäste von ihren Menüvorschlägen nicht nur zu überzeugen, sondern zu begeistern.

Wenn ich die Höchstleistungen der Teilnehmer am Kochwettbewerb zum Goldenen Koch und den Einsatz des Nachwuchses in der Gastronomie betrachte, dann bin ich überzeugt, dass uns dies gelingt. Ich gratuliere dem „Goldenen Koch 2008" und allen, die sich dem Wettbewerb gestellt haben, schon im Voraus und wünsche Ihnen allen eine kreative Mahlzeit.

Es gilt das gesprochene Wort !

Von Bocuse bis Bundesrat mit Fantasie und den richtigen Ingredienzien