Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich möchte Sie ganz herzlich hier in Zimmerwald begrüssen. Zimmerwald ist ein geschichtsträchtiger Ort: Robert Grimm, zu seiner Zeit eine führende Persönlichkeit der Sozialdemokratie in der Schweiz, hat hier 1915 eine internationale Konferenz der linken Bewegungen organisiert um die beiden damaligen linken Hauptströmungen – heute würde man von den Kommunisten und den Sozialdemokraten sprechen – wieder zu einer sozialistischen Internationalen zu vereinen. Auch Wladimir Iljitsch Uljanow – genannt Lenin – , zu jener Zeit im Schweizer Exil, und Leo Trotzki, der spätere Führer der Oktoberrevolution in Russland waren unter den Teilnehmern.

Die Einigung misslang und die sozialistische Internationale hat sich in einen revolutionären und eine sozialdemokratischen Ast gespalten. Der revolutionäre Ast kam mit der Oktoberrevolution in Russland an die Macht. Damit begann ein Experiment, welches mehr als 70 Jahre gedauert hat und welches bekanntlich kläglich gescheitert ist…

Linke und rechte Ideologien haben immer wieder versucht, die Jugend für sich zu vereinnahmen, zu instrumentalisieren. In der Tat bieten sie zu oft einfache Rezepte für komplexe Probleme, was bei Jugendlichen oft Anklang findet. Totalitäre Regimes haben die Ideologien in die Praxis umgesetzt – wie wir wissen mit vernichtenden Ergebnissen.

Ich möchte heute über die Kinder- und Jugendpolitik sprechen, darüber, was sie in einem liberalen Verständnis heissen könnte, wie sie sich in der Schweiz weiterentwickeln kann und welche Massnahmen der Bundesrat dazu vorgesehen hat. Lassen Sie mich aber zunächst etwas über das Verhältnis von Jugend, Gesellschaft und Staat sagen – und es mit einigen Bildern illustrieren.

Das ambivalente Verhältnis von Jugend, Staat und Gesellschaft

Das Verhältnis von Jugendlichen und Erwachsenen, zwischen „der“ Jugend, Staat und Gesellschaft ist seit jeher ambivalent. Die Jugend wird dabei gleichzeitig als Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft, als Bedrohung für die Gesellschaft, aber auch als Ideal gesehen.

Wie bereits eingangs erwähnt haben gerade extreme politische Strömungen und Regimes die Jugend als Motor für die gesellschaftliche Veränderung in ihrem Sinne angesehen. „Wer die Jugend hat, hat die Zukunft“. Dieses Sprichwort wurde von totalitären Regimes ernst genommen und politisch umgesetzt.

Die Jugend wurde und wird hier für politische Zwecke eingespannt und missbraucht.

Die Jugend hat aber auch immer wieder von sich Reden gemacht, indem sie die herrschende Ordnung in Frage gestellt und neue Werte propagiert hat. Die Wandervogelbewegung hat dies zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland getan, Jugendliche haben 1956 die kommunistischen Machthaber in Ungarn und 1968 während des Prager Frühlings herausgefordert. Dieses Jahr wurde in den Medien die Protestbewegung von 1968 in den westlichen Ländern thematisiert, welche durchaus unterschiedliche Strömungen umfasste.

Auch die Jugendbewegung von 1980 ist noch in Erinnerung. Und heute sind es die Scharmützel des Schwarzen Blocks, welche den Weg in die Medien finden und auch beunruhigen.

Jugend ist aber auch ein Ideal. Wer will nicht jung oder jung geblieben sein? Zelebriert wird dieses Ideal in den Miss-Wahlen und in der Werbung.

Die Aufgaben einer Kinder- und Jugendpolitik im Rahmen einer liberalen Gesellschaftspolitik

Dieser kurze Rückblick in die Geschichte zeigt, dass sich eine Kinder- und Jugendpolitik in einem Spannungsfeld bewegt. Zwar sind die allgemeinen Ziele einer Kinder- und Jugendpolitik relativ unbestritten: Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Einflüssen, welche die Entfaltung ihrer Persönlichkeit gefährden können, Begleitung der Kinder- und Jugendlichen bei ihrem schrittweisen Erwachsen-Werden, Förderung der Innovationskraft, Selbständigkeit und Teilhabe der Jugendlichen sowie Anerkennung der Jugendlichen als eigenständige Persönlichkeiten.

In diesen Anforderungen sind aber Spannungsfelder angelegt: Wie weit soll der Schutz gehen, ohne zu bevormunden? Wie sollen Kinder- und Jugendliche begleitet werden, ohne dass sie beispielsweise für politische Zwecke vereinnahmt oder missbraucht werden? Wo findet die Selbständigkeit der Jugendliche ihre Grenzen, welche eine Gesellschaft ziehen soll und muss?

Diese Spannungsfelder sind seit jeher ein Thema in der Wissenschaft. Pädagogen, Psychologen und Soziologen haben sie zum Thema gemacht. Die Überlegungen zur Funktion der Gleichaltrigen, zur Nähe und Distanz zwischen Jugendlichen und den Erwachsenen, zur Rolle der Jugend als Motor sozialer Entwicklung sind dabei unterschiedlich ausgefallen und widerspiegeln damit die Ambivalenz, welche notwendigerweise in der Beziehung der Erwachsenen zu Kindern und Jugendlichen beinhaltet.

Eine liberale Gesellschaftspolitik zeichnet sich durch einige grundlegende Merkmale aus: Sie geht grundsätzlich von der Eigenverantwortung ihrer Mitglieder aus, sorgt für einen möglichst grossen Handlungsspielraum für alle, respektiert unterschiedliche Lebensentwürfe und Lebensstile und setzt auf Solidarität mit den Schwachen, zunächst im privaten Rahmen und – wo dies nicht ausreicht – im Rahmen staatlicher Sicherungssysteme. Sie zeugen vom grossen Respekt der Persönlichkeit jedes Individuums in der Gesellschaft.

Was bedeutet dies für eine Kinder- und Jugendpolitik? Bei der Beantwortung dieser Frage ist davon auszugehen, dass Kinder und Jugendliche in der Entwicklung stehen und schrittweise ihren Platz in der Gesellschaft einüben und finden. Der Respekt vor der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen äussert sich deshalb nicht darin, dass alles akzeptiert werden soll, was sie tun und lassen. Der Respekt vor der Persönlichkeit äussert sich vielmehr darin, dass allen die Möglichkeit geboten wird, dass sie im Verlauf ihrer Entwicklung ihre Persönlichkeit frei entfalten können. Es stehen also nicht die kurzfristigen Meinungen und Wünsche der Kinder und Jugendlichen im Vordergrund, sondern ihre langfristige Entwicklung hin zu freien Menschen.

Eine liberale Kinder- und Jugendpolitik umfasst deshalb den Schutz von Kindern und Jugendlichen – wo nötig auch entsprechende Verbote – nämlich dort, wo die Entwicklung junger Menschen vor Einflüssen geschützt werden müssen, die ihre Entwicklung beeinträchtigen. Sie umfasst weiter die Förderung junger Menschen. Zum einen in der Bildungspolitik – schon seit langem ein Schwerpunkt liberaler Politik –, zum andern als Möglichkeit, die Übernahme sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung einzuüben, und entsprechende angepasste Lernfelder anzubieten.

Zu einer liberalen Kinder- und Jugendpolitik gehört aber schliesslich auch das Grenzen setzen – nämlich dort, wo Kinder und Jugendliche durch ihr Verhalten ihre eigene längerfristige Entwicklung oder diejenige anderer gefährden. Der Respekt vor der Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen verlangt auch, dass sie ernst genommen werden. Dies bedeutet, dass der Dialog wichtig ist und gepflegt werden muss – auch wenn den Wünschen und Forderungen der Kinder und Jugendlichen nicht oder nur teilweise entsprochen werden kann.

Eine liberale Kinder- und Jugendpolitik weiss aber um ihre Grenzen und erlegt sich solche auch auf. Kinder und Jugendliche wachsen in einem bestimmten Umfeld auf – Familie, Nachbarschaft, Schule, Gleichaltrige – welche ihren mehr oder weniger grossen Einfluss auf sie ausüben. Das Wesen einer liberalen Staatsauffassung ist dabei gerade, dass der Staat sich bei Eingriffen in diese Sphären eine grosse Zurückhaltung auferlegt.

Kinder- und Jugendpolitik darf also nicht dazu dienen, in all diese Bereiche übermässig einzugreifen. Dies tun totalitäre Staaten – mit desaströsen Folgen für die Bürger und insbesondere die Kinder und Jugendlichen, welche hier für politische Zwecke instrumentalisiert werden.

Ebensowenig darf die Illusion entstehen, die Kinder- und Jugendpolitik könne die Verantwortung für alle Entwicklungen und Probleme übernehmen. Hingegen kann und soll der Staat dort Unterstützung bieten, wo Erziehungspersonen – Eltern, Lehrpersonen, Schulleiter usw. – um Unterstützung zur Lösung konkreter Probleme nachsuchen.

Entwicklung und Stand der Kinder- und Jugendpolitik in der Schweiz

Wenn von Kinder- und Jugendpolitik die Rede ist, so muss immer mitbedacht werden, dass die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen durch vielfältige Faktoren geprägt werden. Entsprechend zahlreich sind die Politikbereiche, die hier eine Rolle spielen. Dies bedeutet, dass die Kinder- und Jugendpolitik eine typische Querschnittspolitik darstellt, welche dafür zu sorgen hat, dass die besonderen Schutz- und Förderbedürfnisse von jungen Menschen in den verschiedenen Bereichen in angemessener Weise Berücksichtigung finden.

Was die Entwicklung der Kinder- und Jugendpolitik in der Schweiz in einem engeren Sinn betrifft, so widerspiegelt sie die gesellschaftliche Entwicklung und das damit einhergehende sich wandelnde Verständnis von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft.

Ab Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt sich in den Kantonen und grösseren Städten eine Kinder und Jugendpolitik, welche den Schutz vor Alkohol, Drogen, vor sexuellen Übergriffen und den Jugendmedienschutz und die Unterstützung gefährdeter Kinder und Jugendlicher ins Zentrum stellte. Auch Pro Juventute wird 1912 mit Unterstützung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft mit dem Ziel gegründet, die Tuberkolose bei Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen.

Nach und nach weitet die Stiftung ihre Tätigkeit auf weitere Bereiche aus. Unter anderem gründet sie 1926 auf Anregung des Bundes das Hilfswerk „Kinder der Landstrasse“, welcher es auch subventioniert. Das Hilfswerk wird 1973 nach massiver Kritik in den Medien aufgelöst wird. In der Tat hat die Tätigkeit des Hilfswerks grösstes Leid über die Betroffenen – vor allem Jenische – gebracht.

Ich erwähne die Tätigkeit des Hilfswerks dieser Stelle, weil sie Teil der schweizerischen Kinder- und Jugendpolitik ist. Obwohl schmerzhaft, sollten wir sie nicht verdrängen sondern versuchen, daraus zu lernen.

Die Gründung des Hilfswerks fällt in eine Zeit, in welcher in weiten Teilen Europas Vorstellungen über Eugenik, also die Anwendung der Vererbungslehre im Hinblick auf eine Verbesserung der Erbanlagen im „Volkskörper“, an Bedeutung gewinnt. Lebensweisen, welche von der vorherrschenden unterscheiden, werden diskreditiert und oft als „erblich veranlagt“ interpretiert.

Ich ziehe drei Lehren aus dieser unheilvollen Geschichte: Wir haben eine besondere Verantwortung, wenn wir für oder über andere entscheiden. Je einschneidender die Konsequenzen unserer Entscheidungen sind, desto besser müssen unsere Entscheidungen begründet und abgestützt sein, desto sicherer müssen wir sein, dass wir keinem Vorurteil aufsitzen. Zweitens müssen wir respektvoll mit Minderheiten und abweichenden Meinungen umgehen. Das bedeutet, den Dialog suchen, gerade und insbesondere mit jenen, welche vermeintlich nicht so sind wie wir oder andere Ansichten vertreten. Schliesslich müssen wir selbstkritisch sein und bleiben. Wir sind nicht unfehlbar. Müssen wir auf Entscheide zurückkommen, weil sie sich angesichts neuer Erkenntnisse als falsch herausgestellt haben? Oder anders gesagt: Gefragt sind Vorsicht, Dialog und Respekt, ganz im Sinne der liberalen Kinder- und Jugendpolitik. Und übrigens nicht nur dort…

Nach dem ersten Weltkrieg setzt die Entwicklung der Förderung der ausserschulischen Jugendarbeit ein, dem anderen Ast der Kinder- und Jugendpolitik. Sie wird zunächst als Massnahme für eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung verstanden. Die weitere Entwicklung wird dann in der Schweiz wesentlich durch die Jugendlichen und die Jugendorganisationen selbst geprägt. Anders als in anderen Ländern Europas setzt sich der Faschismus mit seinen staatlich gelenkten Jugendmassenorganisationen hierzulande nicht durch. Hingegen schliessen sich die privaten Jugendorganisationen 1933 zu einer landesweiten Arbeitsgemeinschaft unter dem Motto „Einheit in der Vielfalt“ zusammen, welche 1939 mit dem „Schweizer Jugendhaus“ an der Landi von 1939 präsent ist. In den Kriegs- und Nachkriegsjahren ist es dann eher ruhig um die Kinder- und Jugendpolitik.

Wesentlich für die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendpolitik sind die Jugendunruhen von 68 und von 80.
Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände ist gezwungen, sich neu zu positionieren und legt einen Forderungskatalog zuhanden des Bundesrates vor. Der Forderung einer Unterstützung der Jugendverbände kommt der Bund ab 1972 nach. Der Bundesrat lässt einen Bericht zu einer schweizerischen Jugendpolitik erarbeiten und setzt – gestützt auf die Empfehlungen des Berichtes – eine eidgenössische Jugendkommission ein. 1987 folgt die Botschaft zum Bundesgesetz zur Förderung der ausserschulischen Jugendarbeit, welches 1991 in Kraft tritt.

Schliesslich hat die Schweiz 1989 die UNO-Kinderrechtskonvention ratifiziert und in der Bundesverfassung von 2000 das Recht von Kindern und Jugendlichen auf einen besonderen Schutz und eine besondere Förderung verankert sowie eine ausdrückliche Verfassungsgrundlage für das Jugendförderungsgesetz geschaffen.

Am Anfang der Entwicklung steht also zunächst der Schutzgedanke, während die Förderung in einem zweiten Schritt dazu kommt und sich weiter entwickelt. Die Verankerung der Rechte von Kindern und Jugendlichen als eigene Rechtspersönlichkeiten schliesst diese Entwicklung vorläufig ab. Interessant sind dabei zwei Dinge: Zum einen zeigt sich, dass die Jugendlichen selbst einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Kinder- und Jugendpolitik hatten. Das ist gut so und bedeutet Partizipation im besten Sinne des Wortes. Zum andern wird sichtbar, dass der Bund nie eine bestimmende Rolle gespielt hat und dies zur Recht:

Staatliche Eingriffe in die Erziehung von Kindern und Jugendlichen sollen nur dort erfolgen, wo dies wirklich notwendig ist. Weiter entspricht es dem föderalistischen Staatsaufbau der Schweiz, dass dem Bund nur eine subsidiäre Rolle zukommt. Und schliesslich findet Kinder- und Jugendpolitik in erster Line vor Ort, nämlich im unmittelbaren Lebensumfeld der Kinder und Jugendlichen statt. Kantone und Gemeinden sind deshalb wesentlich besser in der Lage zu beurteilen, welche Massnahmen in der konkreten Situation vor Ort notwendig und angemessen sind.

Massnahmen zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendpolitik in der Schweiz

Mit dem Bericht zu einer Strategie für eine schweizerische Kinder- und Jugendpolitik antwortet der Bundesrat auf die Postulate von Nationalrat [jetzt Ständerat] Claude Janiak und Nationalrätin Ursula Wyss. Er hat sich dabei auch mit Forderungen von Akteuren in diesem Bereich auseinandergesetzt.

Der Bundesrat hat sich bei seiner Beurteilung von den Grundsätzen einer liberalen Kinder und Jugendpolitik leiten lassen, welche ich hier nicht wiederholen möchte. Er kommt auch zum Schluss, dass der Bund im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik eine Verantwortung hat, welche er wahrnehmen will. Im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik bedeutet Verantwortung: Die Orientierung der Politik am Wohle der Kinder und Jugendlichen und der Entfaltung ihrer freien Persönlichkeit, der Respekt vor der Zuständigkeit und Verantwortung anderer, seien dies die Eltern oder andere staatliche Ebenen sowie das Bewusstsein, dass die Generationen voneinander abhängig sind. Damit ist nicht nur die vielfältige Abhängigkeit der Kinder und Jugendlichen von ihren Eltern und anderen Erwachsenen gemeint, sondern auch die Lern- und Entwicklungspotentiale für die Erwachsenen und die Gesellschaft, welche die Beziehung zu und Auseinandersetzung mit Kindern und Jugendlichen für die Erwachsenen beinhaltet. Dem Bund kommt dabei in erster Linie die Rolle zu, andere bei ihren Aufgaben im Rahmen der Kinder- und Jugendpolitik zu unterstützen.

Allerdings hat sich in den vergangenen Jahren ein zunehmend negativ geprägtes Bild der Jugendlichen in unserem Land verfestigt: Wiederholt sind Berichte über Gewalt von und unter den Jugendlichen in den Medien erschienen, welche teilweise auf eine tatsächlich eine erschreckende Gewaltbereitschaft hindeuten. Der Bundesrat nimmt diesen Umstand sehr ernst. Ein Bericht zu den Möglichkeiten und Grenzen präventiver Massnahmen sowie der möglichen Aufgaben des Bundes in diesem Bereich ist in Bearbeitung und wird im ersten Quartal 2009 vorliegen. Allerdings gilt es auch, die Proportionen zu wahren: Der ganz überwiegende Teil unserer Jugend gibt zu keinerlei Klagen Anlass (Referat Buchmann).

Deshalb kommt der Bundesrat zum Schluss, dass in der Kinder- und Jugendpolitik kein Notprogramm nötig ist, vielmehr eine sanfte Renovation, welche bereits Vorhandenes und Erprobtes besser abstützt und dort Ergänzungen anbringt, wo diese aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre angebracht sind. Er hält also an der grundsätzliche Ausrichtung der Kinder- und Jugendpolitik fest. Sie umfasst damit den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefährdungen ihrer Entwicklung durch negative Einflüsse, die Förderung von Kindern und Jugendlichen in ihrer Entwicklung und Autonomie und die Förderung der Mitsprache und Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen.

Im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes hält der Bundesrat an der primären Zuständigkeit der Kantone (und Gemeinden) fest. Dem Bund übernimmt dabei schon heute subsidiär Aufgaben im Bereich der Prävention gegen die Kindsmisshandlung und zur Information und Sensibilisierung bezüglich der Kinderrechte. An diesen möchte der Bundesrat festhalten, dazu aber eine explizite gesetzliche Grundlage in Form einer Verordnung (gestützt auf Art. 386 StGB) schaffen.

Im Bereich der Förderung der Kinder und Jugendlichen möchte der Bundesrat das Engagement des Bundes moderat ausbauen, ohne aber in den Zuständigkeitsbereich der Kantone einzugreifen. Die Förderung der ausserschulischen Jugendarbeit durch den Bund soll in zweierlei Hinsicht ausgebaut werden: Zum einen hat sich die offene Jugendarbeit neben der verbandlichen Jugendarbeit zu einem tragenden Pfeiler entwickelt. Auch hier sollte der Bund entsprechende Projekte und Aktivitäten unterstützen können, umso mehr, als sich die beiden Bereiche immer weniger klar auseinanderhalten lassen. Zum andern soll es dem Bund möglich sein, die Kantone bei der Weiterentwicklung ihrer Kinder- und Jugendarbeit zu unterstützen sowie den entsprechenden Informations- und Erfahrungsaustausch zu fördern. Aber auch im Bereich der Unterstützung der Verbandsjugendarbeit sind Anpassungen notwendig. Das EDI erarbeitet deshalb einen Bericht zu einer Totalrevision des Jugendförderungsgesetzes, welchen es dem Bundesrat im ersten Quartal 2009 unterbreiten wird.

Bezüglich der Mitsprache und Mitbestimmung der Kinder und Jugendlichen auf Bundesebene anerkennt der Bundesrat die Bedeutung der Jugendsession. Allerdings muss auch festgehalten werden, dass die Teilnehmenden nicht gewählt werden und damit auch nicht repräsentativ zusammengesetzt sind. Er schlägt deshalb die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die bereits heute gewährte finanzielle Unterstützung für die Jugendsession vor, lehnt aber ein formelles Antragsrecht aus staatspolitischen und verfassungsrechtlichen Gründen ab.

Die Kinder- und Jugendpolitik ist eine typische Querschnittspolitik. Das bedeutet, dass sie vor allem darin besteht, die kinder- und jugendpolitischen Aspekte bei Sachgeschäften anderer Sektoralpolitik einzubringen. Hier möchte der Bundesrat die diesbezügliche bundesinterne Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verwaltungseinheiten des Bundes verstärken – auch im Sinne einer Dienstleistung zugunsten der Kantone, Gemeinden und der Jugendverbände.

Der Bundesrat hat das Eidgenössische Departement des Innern beauftragt, dem Bundesrat bis im ersten Quartal 2009 die Berichte zur Totalrevision des Jugendförderungsgesetzes und zu einer Verordnung für die Prävention gegen Kindsmisshandlung und die Information über die Kinderrechte vorzulegen.

 Wieweit die Gewaltprävention im Rahmen dieser Kinder- und Jugendpolitik verstärkt werden kann und soll, wird – wie erwähnt – gegenwärtig geprüft. Der Bundesrat wird sich dazu im ersten Quartal 2009 äussern.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Jugend 2008