Alle Menschen sind klug; die einen vorher, die anderen nachher.

Sehr geehrter Herr Regierungsrat,
sehr geehrter Herr Gemeindepräsident,
sehr geehrte Vertreter aus Politik,
Wirtschaft und Organisationskomitee,
sehr verehrte Damen und Herren.

Wir in der Schweiz sind vorher klug! Wir streben eine vorausschauende Politik an, damit wir nicht nachher für Fehler und Unterlassungen teuer bezahlen müssen. Gerade in der Energiepolitik können wir es uns nicht leisten, die Zeit ungenutzt verstreichen zu lassen. Energie wird knapper und teurer. Energie ist der Motor unserer Wirtschaft und Garant für Wohlstand. Ohne Energie steht unsere Welt still.

Die Nutzung der meisten heutigen Energiequellen hat aber auch Nebeneffekte; etwa punkto CO2, Abfall oder auch kriegerischer Auseinandersetzungen. Leider können wir nicht autonom über ewig sprudelnde Energiereserven verfügen. Wir decken rund 80 % unseres Energiebedarfs im Ausland ab; 60% davon mit fossilen Energieträgern.

An diesem Energiemix wird sich nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) vorläufig kaum etwas ändern. Biomasse, Sonnen- und Windenergie können und müssen wir zwar fördern und mehr nutzen, sie werden den weltweiten Energiehunger aber auch mittelfristig kaum stillen können. Die in der Schweiz produzierten 26 Gigawattstunden Solarstrom decken derzeit lediglich 0,03% unseres gesamten Verbrauchs. Steigende Nachfrage, verknappende Ressourcen und - zumindest im grossen Stil - mangelnde Alternativen fordern uns heraus:

Wir müssen den weltweiten Energieverbrauch und dessen Auswirkungen auf das Klima eindämmen.
Wir müssen die Bevölkerung und die Wirtschaft mit ausreichend Energie versorgen und das zu möglichst konkurrenzfähigen Preisen.
Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen in der Schweiz - auch im Toggenburg - ihren Beitrag an eine sparsame, effiziente und Klima schonende Energiepolitik leisten können.

Der weltweite Energiehunger ist enorm. Wachstum bedeutet in der Regel auch mehr Energiekonsum. Diese Entwicklung können wir nicht gross beeinflussen. Die Prognostiker sprechen eine klare Sprache:

Die OECD rechnet mit einer Zunahme des Pro-Kopf-Energieverbrauchs bei ihren Mitglieder um 20% bis 2030, und das ohne die BRIC-Staaten!
Die IEA geht weltweit von einer steigenden Energienachfrage bis zum Jahr 2030 um mehr als 50% aus.

Und eine Veränderung ist nicht absehbar. Bis 2030 werden 10 Milliarden Menschen die Erde bevölkern - heute sind es 6,7 Milliarden. Die Schwellen- und Entwicklungsländer - allen voran China und Indien - wollen das Wohlstandsniveau ihrer Bevölkerung verbessern; sie wachsen enorm. Sie verbrennen heute fossile Rohstoffe so wie wir dies Ende des 19. und bis weit in das 20. Jahrhundert hinein gemacht haben. Minergie-Häuser, Abgaskontrollen, Partikelfilter oder das 1-Liter-Auto sind in diesen aufstrebenden Staaten kaum ein Thema; ganz im Gegensatz zum Kauf eines Kühlschranks, eine Fernsehgerätes oder eines Autos.

Dies ist auch der Grund, weshalb die IEA ihr Energieszenarium als „schmutzig, unsicher und teuer" einstuft.

„Schmutzig", weil dieser globale Energieverbrauch vor allem mehr Nutzung von Öl, Kohle und Gas bedeutet und damit Auswirkungen auf das Klima hat. Wenn die globalen CO2-Emissionen bis 2030 wie prognostiziert um 55% ansteigen, wäre das für das Klima kaum mehr zu verkraften.
„Unsicher", weil wir nicht genau wissen, wie lange wir von den fossilen Energievorräten zehren können.
„Teuer", weil die steigende Nachfrage zu einer Verknappung und damit zu höheren Preisen führt. Die heutigen hohen Preise auf dem Rohölmarkt dürften nur ein Vorgeschmack sein. Die Preise werden hoch bleiben.

Um den CO2-Ausstoss nachhaltig zu reduzieren und die Versorgungssicherheit in der Schweiz dennoch sicherstellen zu können, müssen Massnahmen im Inland und im Ausland ergriffen werden. Wir müssen uns in der Schweiz anstrengen. Aber den grösseren Effekt erreichen wir nur mit Verbesserungen im Ausland. Eine Klimaveränderung hat Auswirkungen auf Tourismus, Landwirtschaft, Wasser sowie auf die Infrastrukturanlagen. Die Schneegrenze beispielsweise würde sich verschieben, die klassischen Skigebiete würden von heute 164 auf gerade noch 15 zusammenschrumpfen.

Soll ein Wintersportort auf 1000 m Höhe angesichts dieser Veränderungen auf Sommertourismus umstellen? Viele Fragen stellen sich: Was kann der Bund, was die Kantone, was die Gemeinden und was jeder Einzelne beitragen?

Die Zuständigkeiten sind in der Verfassung klar geregelt. Gemeinsam setzen sich Bund und Kantone für eine ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung sowie für einen sparsamen und rationellen Energieverbrauch ein.

Der Bund legt Grundsätze fest über die Nutzung einheimischer und erneuerbarer Energien und über den sparsamen und rationellen Energieverbrauch. Er erlässt Vorschriften auch über den Energieverbrauch von Anlagen, Fahrzeugen und Geräten und fördert die Entwicklung von Energietechniken. Daneben sorgt der Bund für eine Energieaussenpolitik und damit für eine ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung.

Die Kantone sind im Gebäudebereich für eine sparsame und rationelle Energienutzung in Neubauten und bestehenden Gebäuden zuständig. Dass hier etwas geht, zeigt die Mustervorschrift der kantonalen Energiedirektoren vom April 2008. Sie ist die Grundlage für eine deutliche Verschärfung der Gebäudevorschriften und für eine interkantonale Harmonisierung. Hier werden neue Grenzwerte und ein Höchstanteil an nicht erneuerbaren Energien vorgeschrieben. Das führt zu einer merklichen Reduktion des Energiebedarfs in Gebäuden.

So weit so gut. Wichtig ist auch, dass wir versuchen, den Energieverbrauch zu drosseln. Dabei geht es weder darum, das Autofahren zu verbieten noch die Menschen in ein Korsett zu zwängen. Wir wollen nicht mit prohibitiven neuen Steuern oder mit restriktiven Vorschriften den Wirtschaftsmotor abwürgen, sondern mit der Umwelt ebenso wirtschaftlich umgehen wie mit allem anderen, was uns wertvoll ist.

Unsere Strategie ist folgende: Wir wollen die uns zur Verfügung stehende Energie sparsam und effizient nutzen, damit wir wirtschaftlich profitieren. Ein Musterbeispiel dafür ist die jüngst in Trübach eröffnete Pilotanlage von Oerlikon Solar. Sie zeigt den Weg zur Reduktion unsere Erdölabhängigkeit, nutzt eine erneuerbare Energie und schafft erst noch qualifizierte Arbeitsplätze. Aufgrund dieser Erkenntnis und unter Berücksichtigung der nationalen und internationalen Rahmenbedingungen hat der Bundesrat 2007 eine Energiestrategie beschlossen. Insbesondere wurden Aktionspläne zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energien verabschiedet.

Wir wollen die Kantone bei der Einführung eines gesamtschweizerischen Gebäude-Energieausweises unterstützen.
Wir sind der Ansicht, dass es dringend Mindestanforderungen an Elektrogeräte wie zum Beispiel Kühlschränke, Tumbler, Haushaltlampen braucht.
Wir fördern die Aus- und Weiterbildung sowie die Forschung in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energie.
Wir haben in den letzten Jahren Anreize zur Förderung von erneuerbarer Energie im Gebäudebereich sowie eine Einspeisevergütung für erneuerbare Energie in Nah- und Fernwärmesystemen geschaffen.

Die meisten dieser Aktionspläne werden derzeit erarbeitet und sollten bis Ende Jahr vorliegen.

Weil eine nachhaltige Energiepolitik matchentscheidend ist für die wirtschaftliche Zukunft der Schweiz, engagiert sich auch mein Departement in dieser Diskussion. Dabei geht es uns vor allem darum Anreize zum Sparen zu schaffen, rechtliche Hemmnisse zu beseitigen und richtige Preissignale für klugen Konsum zu setzen. Bei Massnahmen mit hohem Subventionscharakter bin ich skeptisch. Es besteht die Gefahr, dass einmal eingeführte Zahlungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können Viel wichtiger aber erscheint mir die Beseitigung von Investitionshemmnissen, die von Bund, Kantonen oder Gemeinden selbst geschaffen wurden.

Das EVD ist derzeit daran, zusammen mit den kantonalen Baudirektoren und den Energiedirektoren die Verfahren im Gebäudebereich zu vereinfachen und rechtliche Hindernisse beim Einsatz erneuerbarer Energien, Wärme-Kraft-Kopplung und Energieeffizienz zu beseitigen. Wir stellen fest, dass Energieeffizienz bei Neubauten sehr gross geschrieben wird. Gleichzeitig besteht aber eine grosse Zurückhaltung bei der Renovation von älteren Gebäuden. Langfristig könnte der Energiebedarf aller Wohn- und Geschäftsgebäude in der Schweiz um rund 50 bis 70% reduziert werden, sofern sie eben klug renoviert werden. Zurzeit werden erst etwa 13% der Neubauten und 2 % der Sanierungen nach Minergie zertifiziert, obschon der Energieverbrauch damit um die Hälfte gegenüber einem herkömmlichen Neubau reduziert werden kann. Hier besteht ein grosser Informationsbedarf; hier gilt es Überzeugungsarbeit zu leisten.

Die Instrumente zur Förderung alternativer Energien des Bundes sind dabei reichhaltig. Derzeit will das EVD am Beispiel der Region Toggenburg ganz allgemein die vorhandenen Bundesinstrumente in allen Bereichen sichtbar machen und aufzeigen, wo diese abzurufen und wie sie einzusetzen sind. Dazu gehören auch die Instrumente im Energiesektor. Dabei stellen wir nicht Geld zur Verfügung, sondern unser Know-how und unser Netzwerk.

Das Landwirtschaftsgesetz sieht beispielsweise Fördermöglichkeiten für die nachhaltige Energieproduktion vor. Diese bestehen hauptsächlich in der Unterstützung von Biogas- und Wärmeverbundanlagen. Im Rahmen der Diversifizierung können zudem Photovoltaik-, Wasserkraft- und Windkraftanlagen gefördert werden. Die Unterstützung erfolgt in Form von zinslosen Darlehen, die innerhalb einer gewissen Frist zurückbezahlt werden müssen. Im laufenden Jahr sind bereits rund 100 Gesuche für Unterstützung mit einer Investitionssumme von gut 11 Millionen Franken bewilligt worden. Solcher Strom aus erneuerbaren Energien dürfte zusätzlich dank der Einspeisevergütung einen wesentlichen Aufschwung erleben. Fördergelder für energiesparendes Bauen werden auch von meinem Bundesamt für Wohnungswesen bereitgestellt. Dies unter der Bedingung, dass der Neubau nach Minergie-Standards erstellt wird und einem gemeinnützigen Zweck dient.

Meine Damen und Herren, angesichts der doch eher düsteren Zeichen am Erdöl-Horizont begrüsse ich die Aktivitäten im Energietal Toggenburg. Wir können das IEA-Szenario „schmutzig, unsicher, teuer" nur dann vermeiden, wenn nicht nur die „in Bern oben" verordnen, sondern die „im Land draussen" aktiv, innovativ und kreativ umsetzen.

Ich erwarte von der Wirtschaft innovatives und kreatives Handeln sowie Durchstehvermögen und nicht nur den Drang zum schnellen Gewinn.
Ich erwarte von der Wissenschaft, dass sie sich nicht im Elfenbeinturm verschanzt und den Wissens- und Technologietransfer vom Labor in die Produktionshallen und von dort auf den Marktplatz aktiv unterstützt.
Ich erwarte insbesondere von jedem Einzelnen, von jeder Gemeinde und von jedem Kanton, dass Energie gespart und effizienter eingesetzt wird.

Als kleines Land werden wir die Welt zwar nicht im Alleingang retten können.Aber unser Beitrag ist wichtig, weil wir frühzeitig klug handeln. Das verschafft uns einen Vorteil gegenüber jenen die zögern und zu warten. Wir haben etwas zu bieten, weil wir ein hohes Bildungsniveau, technische Fertigkeit und Unternehmer haben, die gewillt sind, mit Mut und Risikobereitschaft neue Wege einzuschlagen. Auch ohne Öl, Gas oder andere natürliche Ressourcen kann sich unsere Schweiz damit exzellent positionieren.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Es gilt das gesprochene Wort !

Mit Energie in die Zukunft - für eine saubere und intelligente Politik