Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrter Herr Verwaltungsratspräsident,
Sehr geehrter Herr Regierungsrat,
Sehr geehrte Referenten,
sehr geehrte Gäste aus dem Ausland,
meine Damen und Herren!

Schneesicherheit ist in der Schweiz Trumpf - besonders auch hier, im Berner Oberland.

Was aber, wenn die Temperaturen ansteigen - um 1, 2 oder 4 Grad?
Was, wenn die Schneefallgrenze künftig höher liegt - um 100 bis 600 Meter?
Was, wenn die Zahl der schneesicheren Skigebiete in der gesamten Schweiz schrumpft - von heute über 160 Gebiete auf unter 80; im Kanton Bern von über zwei Dutzend auf noch drei?

Das sind keine hypothetischen Spielereien; im Gegenteil:

Fakt ist, die Schneehöhe - beispielsweise in Mürren - ist in den letzten 50 Jahren im Schnitt um rund 20 Zentimeter pro Jahr zurückgegangen.
Fakt ist, der Steingletscher auf dem Susten hat sich in den letzten 16 Jahren um 273 Meter zurückgezogen.
Fakt ist, der weltweite CO2-Ausstoss ist in den letzten 50 Jahren von rund 5 auf 30 Billionen Tonnen angestiegen.

Meine Damen und Herren, es ist niemandem gedient wenn wir schwarz malen oder in unstrukturierten Aktivismus verfallen, ebenso wenig aber wenn wir Fakten ignorieren und uns in Wahrscheinlichkeitsdiskussionen verlieren. Wir müssen handeln! Der Klimawandel ist ein Faktum, er verändert die Welt und es ist unsere Pflicht in Verantwortung vorausschauend darauf zu reagieren. Nur so können wir direkte und indirekte volkswirtschaftliche Auswirkungen mindern oder gar verhindern. Allein im Berner Oberland, so hat das Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus der Universität Bern errechnet, würden eine Erwärmung um rund 2 Grad wirtschaftliche Einbussen von jährlich rund 120 Millionen Franken zur Folge haben. Bei einer durchschnittlichen Erwärmung um 3 Grad dürften sich die Klimakosten pro Jahr auf rund 1 Milliarde Franken belaufen.

Noch viel mehr als die Kosten im Inland müssen uns die Folgen des Klimawandels weltweit beschäftigen. Was geschieht, wenn

die Gletscher im Himalaya verschwinden und dadurch gemäss dem UN Umweltprogramm UNEP die Wasser- und die Nahrungsmittelversorgung von beinahe einer Milliarde Menschen in Südasien gefährdet wird?
der Anstieg des Meeresspiegels viele Wirtschaftsmetropolen in Küstengebieten auf allen Kontinenten bedroht?
extreme Ereignisse wie Hurricans vermehrt und stärker auftreten? Gemäss Schätzungen von Swiss Re hat allein der Hurrican Ike Mitte September versicherte Schäden von 7 - 14 Mrd. Dollar verursacht.

Sir Nicolas Stern hat bereits 2006 aufgezeigt, dass es mit Hilfe ökonomischer Instrumente weit billiger ist das Klima zu schützen, als durch Abwarten die Folgen des Klimawandels zu tragen. Nichts-Tun fällt dabei nicht nur volkswirtschaftlich ins Gewicht. Nichts-Tun kann zu einer Destabilisierung ganzer Regionen und Gesellschaften führen. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon führt den Darfur-Konflikt - neben sozialen und politischen Gründen - auf die ökologische Krise und damit auf den Klimawandel zurück.

Das Intergovernmental Panel on Climat Change weist in seinem Bericht 2007 darauf hin, dass die Ökosysteme in diesem Jahrhundert wohl überstrapaziert werden. Auch „Umweltkonflikte" haben also einen engen Konnex zur Klimasituation. Denken wir auch an menschliche Tragödien. Kein Wasser in Darfur oder zuviel Wasser nach Überschwemmungen in Haiti - es fehlt infolgedessen die Grundlage zur Produktion von Nahrungsmitteln. Das führt zu Migration - zuerst in der betroffenen Region, bald aber stehen diese Menschen vor unserer Tür.

Eine effiziente und wirksame Klimapolitik ist daher weit mehr als Umweltpolitik. Es geht ebenso um Wirtschaftspolitik, Innovationspolitik, Entwicklungs- und Landwirtschaftspolitik. Gemäss OECD wären die Kosten zur Reduktion der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 auf etwa 2,5 % des Bruttoinlandprodukts zu beziffern. Das ist nicht wenig, aber es ist machbar.

Es wird machbar sein, wenn die Politik heute die richtigen Massnahmen ergreift. Dabei sind nach meiner Meinung fünf Grundsätze zu befolgen:

CO2 muss einen Preis erhalten. Dann wird jeder Verursacher früher oder später versuchen CO2-Emissionen zu senken oder ganz zu vermeiden.
In allen Ländern weltweit müssen Emissionsreduktion geschaffen werden; damit keine veralteten Anlagen aufgebaut werden; damit neuste, schadstoffarme, effiziente Technologien zum Einsatz kommen und sparsame Produktionsmechanismen eingeführt werden.
Die Klimapolitik muss kosteneffizient und nachhaltig sein. Dies lässt sich am besten mit preislichen Anreizmechanismen realisieren. Damit schaffen wir ein Bewusstsein der Menschen und die Grundlage für eine Veränderung des Verhaltens.
Reichere Länder müssen die ärmeren unterstützen.
Die Anstrengungen in Forschung und Technologieentwicklung müssen verstärkt werden.

Es ist zwingend, dass die Welt in der Klimapolitik eng zusammenarbeitet und wir uns gemeinsame Ziele setzen. Es muss uns gelingen im nächsten Jahr in Kopenhagen ein weltweites Klimaregime zu beschliessen, das alle wichtigen Emissionsländer einbezieht.

Eine rein schweizerische Klimapolitik ist zwar wichtig und unentbehrlich. Das führt aber nicht zum Ziel. Erstens ist der globale Emissionsanteil der Schweiz sehr gering. Tausend Franken eingesetzt in China haben daher die weit grössere Klima-Wirkung als bei uns. Zweitens werden die Schweizerinnen und Schweizer drastische Massnahmen im Alleingang kaum akzeptieren. Man kann weder das Autofahren verbieten noch lässt sich der Mensch in ein Null-Toleranz-Korsett zwängen, wenn es um seine Lebensqualität geht. Drittens macht es wenig Sinn mit neuen prohibitiven Steuern den Wirtschaftsmotor abzuwürgen.

Für eine sinnvolle, nachhaltige Klimapolitik schlage ich daher eine Klimastrategie mit folgenden Stossrichtungen vor:

Klimaforscher sollen ihre Erkenntnisse so formulieren und präsentieren, dass sie von Politik und Wirtschaft nachvollzogen werden können. Klimakurven mit einem möglichen peak in 20 Jahren locken keine Politiker aus der Reserve. Ich will heute wissen, welche konkreten Massnahmen zu ergreifen sind, um diesen peak zu vermeiden.
Die Schweiz muss dazu beitragen, dass die UNO-Klimakonvention durch den verbindlichen Beitritt aller Staaten gestärkt wird. Gemeinsam müssen wir uns zu einer globalen Klimastrategie bekennen und diese mit einer multilateralen Zusammenarbeit umsetzen. Keiner meiner Ministerkollegen wird eine alleinige Belastung seiner Wirtschaft akzeptieren. Daher sollten sich alle Staaten dem globalen EU-Ziel anschliessen, den Temperaturanstieg auf zusätzlich 2 Grad zu beschränken.
Die Schweiz muss bei der nächsten Kyoto-Verpflichtungsperiode ab 2012 mit allen Staaten einen ehrgeizigen Reduktionsbeitrag anstreben. Als Land mit geringer CO2-Intensität, aber einem hohen Anteil „grauer Emissionen" erreichen wir am meisten, wenn wir inländische Richtwerte anstreben, daneben aber unseren Beitrag massgeblich im Ausland leisten.
Die Schweiz muss im Rahmen ihrer Entwicklungszusammenarbeit die Entwicklungsländer unterstützen. Sie sollen sich ins globale Klimaregime integrieren und eine möglichst klimafreundliche Entwicklung einschlagen.
Die Schweiz muss mit inländischen Massnahmen dafür sorgen, dass alle ihre inländischen Potentiale zur Reduktion der Emissionen optimal genutzt werden.

Beginnen wir mit der nationalen Ebene. Wir wollen die Energie und Elektrizität bei uns sparsam und effizient nutzen. Dann profitieren wir auch wirtschaftlich.Ein Musterbeispiel dafür ist die jüngst in Trübbach eröffnete Pilotanlage von Oerlikon Solar. Sie zeigt den Weg zur Reduktion unserer Erdölabhängigkeit, nutzt eine erneuerbare Energie und schafft erst noch qualifizierte Arbeitsplätze.

Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen hat der Bundesrat Anfang 2008 eine Energiestrategie beschlossen. Insbesondere wurden Aktionspläne zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energien verabschiedet. Im Bereich der Gebäude etwa wollen wir die Kantone bei der Einführung eines gesamtschweizerischen Gebäude-Energieausweises unterstützen. Wir haben Anreize zur Förderung von erneuerbarer Energie im Gebäudebereich sowie eine Einspeisevergütung für erneuerbare Energien in Nah- und Fernwärmesystemen geschaffen. Seit dem 1.1.2008 offeriert die neue Mietrechtsverordnung, dass Investitionen in Energieeffizienz als wertvermehrend gelten. Das Parlament hat zudem soeben beschlossen, die sogenannte Dumont-Praxis aufzuheben womit Sanierungen von Alt-Liegenschaften steuerlich begünstigt werden. Wichtig ist die Beseitigung von Investitionshemmnissen, die von Bund, Kantonen oder Gemeinden selbst geschaffen wurden. Das EVD ist derzeit daran, zusammen mit den kantonalen Bau- und Energiedirektoren die Verfahren im Gebäudebereich zu vereinfachen und rechtliche Hindernisse beim Einsatz erneuerbarer Energien, Wärme-Kraft-Kopplung und Energieeffizienz zu beseitigen.

Wir stellen fest, dass Energieeffizienz bei Neubauten sehr gross geschrieben wird. Gleichzeitig besteht aber eine grosse Zurückhaltung bei der Renovation von älteren Gebäuden. Langfristig könnte der Energiebedarf aller Wohn- und Geschäftsgebäude in der Schweiz um rund 50 bis 70% reduziert werden, sofern sie klug renoviert werden. Zurzeit werden nur etwa 13% der Neubauten und 2% der Sanierungen nach Minergie zertifiziert. Dabei kann der Energieverbrauch damit um die Hälfte gegenüber einem herkömmlichen Neubau reduziert werden.

Die Sicherstellung der Versorgung von Gesellschaft und Wirtschaft mit Energie und dies möglichst preisgünstig und eben klimafreundlich wird matchentscheidend für die wirtschaftliche Zukunft der Schweiz. Und das nicht erst seit der Diskussion um die höheren Strompreise. Als Wirtschaftsministerin habe ich ein grosses Interesse daran, aber auch weil ich sehe, dass die Schweiz wirtschaftlich mit neuen Technologien im Klima-, Energie- und Umweltbereich profitieren kann. Wenn es uns gelingt hier neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten eröffnet sich uns ein globaler Markt, interessante Geschäftsfelder der Zukunft, qualifizierte, sinnstiftende Arbeitsplätze. Auch diese Chancen sollte man bei Klimapolitik erkennen.

Kommen wir zum globalen Ansatz. Ein wirkungsvolles Post-Kyoto-Regime braucht einen ehrgeizigen Beitrag aller Länder zur Eindämmung des Klimawandels. Was können wir tun? Auch wenn wir uns v.a. im Gebäude- und Verkehrsbereich mit nationalen Massnahmen verbessern können, fällt unser Beitrag im globalen Vergleich bescheiden aus. Die Schweiz hat eine der weltweit geringsten CO2-Intensitäten , weil wir wenige energieintensive Wirtschaftsbranchen im Inland haben und den Strom nahezu CO2-frei erzeugen. Das heisst nicht, dass wir nichts tun müssen. Unsere Pro-Kopf-Emissionen sind immer noch zu hoch. Unser Reduktionspotential im Inland ist verglichen mit den anderen Industrieländern aber klein und teuer. Den optimalsten Erfolg erzielen wir dann, wenn wir in nationale und in globale Reduktionen investieren. Wir müssen dazu beitragen, dass weltweit Anreize für neue Technologien und sparsamen Umgang mit fossilen Energien entstehen. So diskutieren wir derzeit etwa im Rahmen der WTO reduzierte Zölle für umweltfreundliche Technologien. Das würde diese verbilligen und deren Einsatz beschleunigen. Im Rahmen der Weltbank unterstützen wir Projekte gegen die Abholzung der Wälder.

Wir unterstützen die Entwicklungs- und Schwellenländer in ihrem Industrialisierungsprozess. Derzeit versuchen wir etwa die Zusammenarbeit mit China und Indien im Bereich Umwelt, Energie zu verstärken. Mit unserem Know-how, Erkenntnissen können wir sie unterstützen und dabei erst noch die besten Technologien verkaufen. So fördern wir mit Technologietransfer umweltfreundliche Produktionsabläufe. Es darf nicht sein, dass die Entwicklungsländer heute Emissionen so produzieren, wie wir dies vor 40, 50 Jahren taten. Wenn Co2 einen Preis hat, dann wird es auch international am ehesten gelingen Emissionen zu vermeiden. Dann lohnt es sich plötzlich in neue Fahrzeugantriebe, in Wärmedämmung etc. zu investieren. Dann können Co2-Zertifikate den Technologietransfer beschleunigen. Es gibt bereits Kohlenstoffmärkte, sie funktionieren noch nicht optimal. Sie müssen im Rahmen des Kopenhagen Prozesses gestärkt werden. So prüft der Bundesrat auch einen Beitritt zum ETS- dem europäischen Zertifikatemarkt. Diese von uns dort erbrachten Reduktionen würden uns am inländischen Ziel angerechnet.

Die Schweiz darf durchaus mit ehrgeizigen Zielen auftreten. Ich schlage vor, dass wir ein langfristiges Reduktionsziel von 100% anstreben und uns bis 2030 ein ehrgeiziges Ziel von 50% als Zwischenschritt vornehmen. Das erreichen wir durch Massnahmen im Inland und mehrheitlich durch Reduktionen im Ausland.

Damit würde die Schweiz eine Pionierrolle wahrnehmen und zusammen mit Norwegen mit dem Ziel einer Klimaneutralität vorangehen. Wenn wir den globalen CO2-Ausstoss nachhaltig reduzieren wollen, müssen wir Co2 einen Preis geben und diese internationalen Emissionshandelsmechanismen stärken. Sie enthalten einen doppelten Anreiz;

Anreiz für den Investor, der sich die durch den Technologietransfer erzielten Reduktionen anrechnen kann,
Anreiz für das Gastland, das damit saubere Technologie erhält.

Mit solchen Anreizen kann der ehrgeizige Prozess zur globalen CO2-Reduktion massiv beschleunigt werden und das ohne dass wir Wachstum, Entwicklung beeinträchtigen. Im Gegenteil schaffen wir auf lange Dauer Lebensqualität und können Schäden vermeiden.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass die Schweiz eine Vorreiterrolle bei der Lösung des Klimaproblems übernehmen kann. Wir verfügen über grosses technisches Know-how, exzellente Hochschulen, gut positionierte Unternehmen und wir haben in der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit einen guten Ruf. Wir können glaubwürdig als ein Kompetenzzentrum in Sachen Klimaschutz und Umwelt-Technologien auftreten.

Allerdings kommen wir kaum ans Ziel, wenn wir heute mit harten Vorschriften die Trendwende erzwingen wollen. Den Klimagipfel können wir nur dann erfolgreich erklimmen, wenn wir uns an der pace des Bergsteigers orientieren. Nicht Gipfel stürmend, sondern den Gipfel vor Augen, Schritt für Schritt, jede Passage neu absichernd - wenn nötig im Parlament und beim Volk. Mit einer Gesamtkonzeption ein fernes Ziel anvisieren; das hat uns schon in der Vergangenheit kaum weiter gebracht. Wir kommen mit zielgerichteten Massnahmen weiter, die in einem übersichtlichen Legislaturrhytmus koordiniert präsentiert, beschlossen und umgesetzt werden.

Dem Klimawandel können wir nur wirksam begegnen, wenn wir eine Politik verfolgen, die verdaubar und verkraftbar ist; eine Politik, die von den Stimmbürgern und der Wirtschaft mitgetragen wird. Denn Klimawandel lässt sich nicht von oben herab aus den Schaltzentralen der Politik stoppen.

Es braucht die Einsicht in Gesellschaft und Wirtschaft.

Ich danke Ihnen für Ihr Engagement zugunsten eines guten Klimas.

Es gilt das gesprochene Wort !

Klimapolitik – mit kleinen Schritten zu einer sauberen Umwelt