Die berühmten Bieler Pfahlbauersiedlungen sind wenige Meter vom hiesigen Kongresshaus entfernt im Museum Schwab ausgestellt. Auf einem alten Pfahl entdeckten Historiker Runen, die folgende Geschichte erzählen, welche sich die Pfahlbauer von Generation zu Generation weiter gegeben haben:

Es war einmal ein Pfahlbauer, der hatte eine Pfahlbäuerin und viele herzige Pfahlbauernkinder, die er täglich mit Fischen ernährte. Die angelte er sich mit einem Bärenknochen, den er an einen Schilfhalm band. Es kam aber eine schreckliche Krise über den Bielersee, weil Pfahlbauer vom Neuenburgersee und vom Murtensee den Bielersee beinahe leer fischten und abzockten, so dass kein einziger Fisch mehr an die Angel des Bieler Pfahlbauers, nennen wir ihn Pfahli, biss. Seine Kinder hatten nichts mehr zu essen, seinen Beruf konnte er nicht mehr ausüben und der See war leer gefischt. Verzweifelt erhob er sich nachts in Richtung Petersinsel: „Helft mir, Götter! Es geht um meine Familie, es geht um meinen Beruf, es geht um den See! Helft mir!". Da ging mitten in der Nacht plötzlich die Sonne auf, ein sunrise vollzog sich, und der Himmel färbte sich ganz orange und aus den Fluten stieg ein grauenerregendes und unansehnliches Ungetüm: Das Logo der swisscom. Wie jeder, der dieses Unding sieht, erbleichte auch Pfahli und war zu keinem Wort fähig. Da erklang ein göttlicher Dreiklang: „Wir geben dir ein Netz, damit kannst du viel besser Fische fangen als mit deiner handgelismeten Angel." Also warf er das Netz aus und siehe da, zehn prächtige Bielerseeforellen zappelten dem Verzehr am Familientisch Pfahli entgegen. Frau Pfahli - Höhli (sie war eine geborene Höhlenbewohnerin) und alle Kinder konnten genug zu Mittag essen und besuchten zufrieden und wohl genährt anschliessend die Nachmittagsveranstaltung des örtlichen Pfahlbauervereins über das Thema: Wie viele Netze braucht der Mensch? Eingeladen zu diesem etwas eigenartigen Titel war ein Mitglied des siebenköpfigen Oberpfahlbauerrates. Es war zuständig für die Pfählung der Roste, die Süsswasserversorgung und die Alarmsysteme, kurz für die Infrastrukturen. Er begann den Vortrag vor den wohlgenährten Pfahlbauern mit folgenden Worten:

I.

„Die Frage „Wie viele Netze braucht der Mensch?" spielt offensichtlich mit Tolstois Frage: „Wie viel Erde braucht der Mensch?". (Sie kennen die Geschichte: Ein Bauer rennt dermassen um mehr Landbesitz, dass er am Schluss an Erschöpfung stirbt und nur noch sein Grab braucht.) Doch Tolstois Antwort mag eschatologisch einleuchten, logisch ist sie nicht unbedingt, denn ein toter Mensch und ein lebender weisen doch gewisse Unterschiede auf. Der lebende Mensch ist im Gegensatz zum toten ein soziales Wesen, ein zoon politikon. Wir Menschen organisieren uns

durch soziale Auffangnetze, wenn jemand durch die Maschen fällt,
durch Beziehungsnetze, die unsere private und berufliche Entwicklung sichern,
und durch Infrastrukturnetze, dank denen wir uns bewegen, ernähren und informieren.

In der totalen Einsamkeit können wir uns nicht entwickeln. Wir brauchen und suchen Kommunikation. Kommunikation heisst Gemeinsamkeit. Diese Gemeinsamkeit verschaffen und erhalten wir uns durch Netze: Je entwickelter oder mächtiger eine Gesellschaft ist, desto vernetzter ist sie (Inkas, Perser, Römer).

Der Drang nach Vernetzung ist ebenso ungestüm und unendlich wie der Drang nach Mobilität. Wer weniger vernetzt ist als andere Menschen, drängt auf Anschluss, auf Gleichheit, betreffe das nun das Postnetz, das Netz des öffentlichen Verkehrs oder das Internet.

Auf die Frage, wie viele Netze braucht der Mensch, geben die Menschen seit Jahrtausenden nur eine Antwort: „unendlich viele Netze". Unendlich viele Netze sind aber aus verschiedenen Gründen gar nicht zu erstellen. Die Civitas hat zu entscheiden.

Nach welchen Kriterien tut sie das? Die Aufgabe der Politik

Der Staat muss sicherstellen, dass Netze vorhanden sind und dass sie funktionieren.

Er kann das selber tun oder dafür sorgen, dass die Netze durch Private erstellt werden:

1.1. Staatsmonopol

Der grösste Teil der Infrastrukturen wurde durch den Staat erstellt. Aus verschiedenen Gründen sind Monopole bei Netzen nicht zu vermeiden:

Ab einer bestimmten wirtschaftlichen Grösse kommt nur der Staat als Investor in Frage (auch heute: NEAT).
Vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen wurde das Bahnnetz nationalisiert: Die zahlreichen Schienenetze wurden für die Eisenbahngesellschaften zum wirtschaftlichen Problem. Dazu kamen Argumente der Raumplanung und Koordination (Verstaatlichung der Schweizer Eisenbahnen 1898).

1.2.  Netze im Wettbewerb

Bsp. Mobilfunknetze: Das Parlament war für Infrastrukturwettbewerb: „mehrere Netze erhöhen Innovation und Qualität". Der Wettbewerb führte schweizweit zu einer ausgezeichneten Abdeckung durch Mobilfunk.
Jedoch führte dies auch zu heftigen politischen Auseinandersetzungen wegen NIS - Strahlung, obwohl Strahlung nicht netzabhängig, sondern verkehrsabhängig ist. Ein bestimmtes Verkehrsvolumen auf 3 Netzen verursacht nicht mehr Strahlung als das gleiche Volumen auf 2 Netzen.
Es kam zu raumplanerischen Auseinandersetzungen, da mehrere Netze zu mehr Standorten führen. Allerdings: Die Standorte werden heute zunehmend gemeinsam genutzt, teilweise aufgrund von Konzessionsauflagen.
Bsp. Glasfasernetze: Mehrere Glasfasernetze nebeneinander in den Städten? Offensive der Elektrizitätswerke führte zu Gegenoffensive der Swisscom. Auch hier die Frage: Liegt ein natürliches Monopol vor, d.h., kann ein Anbieter die Nachfrage günstiger befriedigen als mehrere Anbieter im Wettbewerb? Das geplante Investitionsvolumen ist enorm, somit auch die Risiken für die Akteure. Diese sind nun im Gespräch und suchen nach gemeinsamen Lösungen. Werden sie sich nicht einig, stellt sich die Frage, ob der Staat regelnd eingreifen muss.

2.       Der Staat muss Interoperabilität und Interkonnektion gewährleisten

Eisenbahn: Hauptgrund der Schwierigkeit im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr sind die verschiedenen Strom- und Zugsicherungssysteme, teilweise auch die unterschiedlichen Spurweiten.
Roaming (Schweiz spielte bei Entwicklung Pionierrolle): Roaming ermöglicht es z.B., ein schweizerisches Mobiltelefon auch im Ausland zu gebrauchen.

3.       Grundversorgung als soziales Element eines Netzes

Versorgungsgleichheit: z.B. Breitband. Swisscom hat von sich aus einen grossen Teil des Landes erschlossen und ist heute im Rahmen der Grundversorgung verpflichtet, diese Dienstleistung landesweit anzubieten. Die EU ist hier nicht gleich weit.

Versorgungsgerechtigkeit: Auch diesen Aspekt deckt die Grundversorgung ab (z.B. durch spezielle, gebührenfreie Dienste für Behinderte).

Bisherige Infrastrukturen (v.a. Kupfer als Grundlage für Telefonie und ADSL) wurden grösstenteils unter Monopolbedingungen flächendeckend erstellt. Neue Investitionen für Glas entstehen unter Marktbedingungen und werden v.a. in den Agglomerationen erfolgen (Renditeüberlegungen). Irgendwann kommt die Frage, ob Glas auch in die Randregionen hinausgetragen werden muss. Das ist aber teuer und politisch brisant.

4.       Der Staat muss die Sicherheit der Netze gewährleisten.

Diese Schutzfunktion erstreckt sich auf alle Netze (Sicherheitsauflagen). Zudem muss der Staat die Nutzung von Netzen einschränken, wenn diese unsere elementaren Bedürfnisse bedrohen (z.B. Rationierung von Wasser oder Strom bei Knappheit).

Wenn neue Netze entstehen, entstehen immer auch neue Gefahren, so auch bei den neuen Kommunikationstechnologien:

Das zeigt sich im Kleinen: in London wurde neulich ein Pilotprojekt mit gepolsterten Strassenlampen gestartet. Die Polsterungen sollen SMS tippende Fussgänger vor Kollisionen mit Eisenstangen schützen.
Das zeigt sich aber auch im Grossen: Hackerangriffe und Cyberkriminalität bedrohen Staaten, Unternehmen, aber auch einzelne Menschen (Datenklau, Pädophilie). Der Staat muss diesen Gefahren entgegentreten, indem er Internetkriminalität bekämpft und die Bevölkerung für die neuen Gefahren sensibilisiert (z.B. mit der „Strategie für eine Informationsgesellschaft Schweiz").

II.

Das Netz als das Mass aller Dinge?

Aus all diesen Überlegungen geht auch hervor: Wir müssen die Netze beherrschen und sollen uns nicht von ihnen beherrschen lassen. Müssen die Menschen in ihrem Umgang mit Netzen also vor sich selber geschützt werden? Nehmen wir das Internet als Beispiel:

Immer wieder hören wir,

das Internet würde alle anderen Netze verdrängen,
die Kommunikation radikal revolutionieren,
unsere kommunikativen Bedürfnisse von Grund auf verändern und
den Menschen überhaupt zu einem völlig anderen Wesen machen.

Stimmt das alles? Verändern die neuen Kommunikationstechnologien den Menschen wirklich?

Unbestritten ist: Das Internet verändert unser Verhalten. Ganz einfach weil es uns ein Meer an neuen und zum Teil fantastischen Möglichkeiten bietet:

Möglichkeiten

private Beziehungen

Private Beziehungen konnten wir natürlich schon vor dem Internet knüpfen und Netze haben dabei schon früher eine entscheidende Rolle gespielt: Denken wir z.B. an die Netzstrümpfe. Sie decken ja nicht etwas das elementare Bedürfnis nach wärmender Kleidung ab. Sie sind vielmehr eine eigentliche Umgarnungslist: Der Begehrte soll der Netzstrumpfträgerin ins Netz gehen, sobald ihre Strümpfe auf seine Netzhaut fallen. Aber das sind Verführungsmaschen von gestern.

Heute ist das alles nicht mehr nötig, denn das Internet verleiht neue Dimensionen:

Das Internet verleiht Singles und anderen Kontaktfreudigen Flügel. Ein Drittel aller erfolgreichen Umgarnungen beginnen heute im Internet. Wir chatten uns ins Liebesglück, suchen unsere Partner auf Parship und anderen Kontaktpages. Das geht soweit, dass herkömmliche Liebesgeschichten bereits als 3D-Relationships oder Offline-Beziehungen bezeichnet werden.

Politik

Das Internet verheisst aber auch ausserhalb des privaten Glücks neue Möglichkeiten. Als Netz der Demokratisierung, das Informationen viel breiter zugänglich macht, teilweise sogar in Diktaturen. Und als Netz, das der freien Meinungsäusserung neue Dimensionen verleiht: jeder und jede kann als Blogger die eigene Meinung der ganzen Welt kundtun. Es wird behauptet, Barack Obamas Kampagne sei auch deshalb erfolgreicher als die von Hillary Clinton und John McCain, weil Obama das Internet besser nutze.

Wissen ist Macht

In unserem Handy stecken die Schätze von Tausenden von Bibliotheken und die aktuellsten Informationen von unzähligen Medien. Unser Bedürfnis zu wissen und informiert zu sein können wir heute in Sekundenbruchteilen in einem Ausmass stillen, das noch vor kurzem völlig unvorstellbar schien. Die neuen Kommunikationsnetze machen unser Leben einfacher, schneller und bequemer.

das tägliche Leben
- Früher warfen Pfahlbauern am Bielersee mühsam Netze aus - heute fangen wir den Fisch mit der Maus. Ein paar Mausklicke und die Nahrung steht vor der Tür.
- Vor den Ferien bleibt uns der Gang zum Bankschalter erspart. Die Finanzinstitute sind so vernetzt, dass unsere Bankomatkarten weltweit funktionieren, manchmal sogar in Italien.
- Vorbei auch die Zeiten, in denen wir vor einer Telefonkabine anstehen mussten, bis der Telefonierende sein völlig unerhebliches Gespräch endlich beendet hatte. Heute telefonieren wir, wann wir wollen, und sind erreichbar, stets und immer.

Arbeitswelt

Die neuen Kommunikationsnetze haben die Globalisierung enorm beschleunigt und eine Branche ganz besonders dynamisiert, den Finanzmarkt. Je schneller und grenzenloser das Geld und die börsenrelevanten Informationen flossen, desto wundersamer vermehrten sich die Gewinne und mit ihnen die Boni.

Das weist auch schon auf die Risiken hin, die mit jeder Chance einer neuen Technologie verbunden sind:

Kehrseiten

Das Internet bringt neue Möglichkeiten, Herrlichkeiten und Verheissungen. Diese haben ihre Kehrseiten.

Manche befürchten, das Internet mache uns gar nicht schneller, sondern bremse uns:

In der Arbeitswelt mehren sich die Sorgen, dass das unablässige Surfen und die Bearbeitung der E-Mail-Fluten die Produktivität ernsthaft beeinträchtigt.
Die Finanzkrise zeigt, dass ein hoher Vernetzungsgrad die wirtschaftliche Prosperität nicht nur beschleunigt, sondern ernsthaft bedroht: Die Banken sind derart vernetzt, dass das Scheitern einzelner grosser Institute einen Dominoeffekt auslösen kann, dessen Folgen wir derzeit erleben.

Manche Skeptiker sind gar überzeugt, das Internet mit seinem Überangebot an Informationen mache uns nicht klüger, sondern immer noch dümmer, weil wir das Denken ersetzt hätten durch Copy-Paste.

Gewisse dieser Befürchtungen sind bestimmt nicht völlig unberechtigt, und einige Entwicklungen sind in der Tat wenig erfreulich. Dass die neuen Kommunikationsmöglichkeiten die Trennung zwischen Privatem und Öffentlichem gefährden, hat eine politische Dimension, um die wir uns tatsächlich kümmern müssen.

1.       Es gibt einerseits die ernsthafte Befürchtung, dass die Internet-Kontaktbörsen den ohnehin grossen sozialen Druck unter Jugendlichen drastisch verstärken. Auf Facebook ist man „gläsern", da alle sehen können, mit wem man Webkontakte pflegt. Zudem verstärkt sich im Internet der Druck, sehr schnell Intimes von sich preiszugeben, denn Beziehungen gründen auf Intimität. (Parallele Entwicklungen: Casting-Shows, Talkshows, in denen man alles Private sofort zeigt etc.)

2.       Es gibt zudem Thesen, dass die zunehmende Kommerzialisierung der Medien zu einer Vermischung des Öffentlichen und Privaten führt. D.h. ein Bundesrat wird immer stärker über seinen „privaten" Charakter wahrgenommen, immer weniger über seine „öffentliche" Politik. Oder seine Politik wird immer gespiegelt an seinem Charakter.

3.       Die Frage ist aber weniger, ob diese Entwicklung eine durch die Medien oder durch die Technologie bedingte ist, sondern, ob qualitativ eine neue Dimension menschlicher Verhaltensweisen begründet würde. Das eben glaube ich persönlich nicht so recht. Voyeurismus und Exhibitionismus hat es immer gegeben, Lynchjustiz und Pranger ebenfalls.

Die menschlichen Grundbedürfnisse haben sich seit den Pfahlbauern nicht wesentlich verändert, auch die kommunikativen nicht. Natürlich haben sich die Möglichkeiten potenziert, globalisiert und beschleunigt, doch stellen sie damit auch unsere Kommunikationsverhalten auf den Kopf?

Wie bedrohlich sind neue Netze also wirklich?

Vergessen wir zunächst nicht: Jedes neue Medium wurde zunächst als bedrohlich wahrgenommen.

Das gilt sogar für die Schrift als solche. Sokrates verstand überhaupt nicht, weshalb Philosophie auch noch aufgeschrieben werden sollte. Der Dialog hatte sich als Mittel der Erkenntnisgewinnung doch bestens bewährt.
Selbst die Einführung der harmlosen Postkarte löste Ängste aus, die Brief- und Schreibkultur gehe unter und mit ihr bald die ganze abendländische Kultur.

Der Mensch erfindet immer wieder Netze. Und jedes Mal muss er lernen, mit ihnen richtig umzugehen. Ein Netz ist aber nur ein Gefäss, eine Möglichkeit, eine Verbindung. Definiert wird es erst über seine Inhalte und über die Art und Weise, wie wir es nutzen.

Neue Netze erweitern unsere Möglichkeiten. Diese neuen Möglichkeiten müssen wir in Einklang bringen mit unseren grundlegenden Bedürfnissen. Das gelingt nicht immer. Müssen deshalb Schranken aufgestellt werden? Und wer soll dafür zuständig sein?

Staatliche Schranken?

In welchem Ausmass soll der Staat den Menschen vor sich selber schützen? Da schwingt das politische Pendel über die Jahrzehnte hin und her.

Vor fünfzig Jahren wurde verboten, die Eigernordwand zu durchsteigen. Das Gurtenobligatorium wird mit den Kosten der Sozialversicherung begründet, das Rauchverbot mit dem Schutz unbeteiligter Dritter.

Aufklärung durch Staat

Momentan steht dieses Pendel wohl mehr oder weniger auf dem Überzeugungsstand, wir müssten einen emanzipierten Umgang mit neuen Technologien lernen und fördern, aber keine Zensur anwenden.

Genauso wenig, wie der Staat Vorschriften über den täglichen Fernsehkonsum erlässt, kann er Menschen davon abhalten, von früh bis spät up- und downzuloaden, zu messagen, surfen, simsen und gamen. Und doch bahnen sich hier Einschränkungen an:

So wie der Staat Kampagnen zu gesundem Essen oder drogenfreiem Leben unterstützt, soll er auch in Schule oder öffentlichen Mahnungen einen aufgeklärten Umgang mit und im Netz propagieren.

Aufklärung durch Private, z.B. von Unternehmen

Bereits haben erste Unternehmen Massnahmen eingeleitet, um die Informationsflut einzudämmen. So wurden in einem führenden Unternehmen der Kommunikationsindustrie versuchsweise die Kommunikationsnetze einen halben Tag pro Woche stillgelegt. Vier Stunden kein Mail, keine Homepage, auch kein Telefon. Nicht einmal Sitzungen wurden durchgeführt: einen halben Tag Zeit, um ruhig zu arbeiten, um ungestört nachzudenken. Drei Viertel der Mitarbeitenden waren von dieser Massnahme derart begeistert, dass sie fest eingeführt wurde.

Diese Mitarbeitenden gaben damit ebenfalls eine Antwort auf die Frage, wie viele Netze der Mensch braucht: Mit dem Verzicht, die Kommunikationsnetze ständig zu nutzen, holen wir etwas zurück, was durch diese bedroht wird, nämlich Ruhe. Wer seinem Bedürfnis nach Ruhe Rechnung trägt, muss nicht vor sich selbst geschützt werden, er tut es nämlich selber: mit dem Mittel der Selbstbeschränkung.

Selbstbeschränkung oder: das Bedürfnis nach Ruhe

Auch mit den neuen Kommunikationstechnologien können wir gut oder schlecht umgehen. Es steht jedem Menschen frei, ob er auf jedes SMS und jede E-Mail sofort reagiert, ob er auch in seiner Freizeit stets erreichbar sein will, ob er im Internet gezielt nach Informationen sucht oder sich im endlosen Datenstrom verliert.

Vergessen wir nicht: Die Formen der Kommunikation sind die Formen der Gemeinsamkeit, sie entsprechen den Formen der zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Selbstfindung ist in diesem Sinne eine Grundvoraussetzung für Kommunikation. Auch die Einsamkeit, die Kommunikation mit den eigenen Gedanken oder mit der Natur definieren das Individuum und ermöglichen ihm eine qualifizierte Kommunikation mit anderen. Das Bedürfnis nach Ruhe zählt zu den menschlichen Grundbedürfnissen wie jenes nach Verbundenheit mit anderen Menschen, wie jenes nach Nahrung, wie jenes nach Liebe.

Auch die neuen Kommunikationsnetze werden diese Bedürfnisse nicht wesentlich verändern. So hat sich z.B. der Kreis der Bekannten, mit denen wir enge Beziehungen führen, nicht verändert durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten. Wir haben durchschnittlich sieben sehr enge Kontakte. Deshalb beträgt die Zahl der Mitglieder des Bundesrats ja sieben. Und wir haben durchschnittlich 13 „nahe" Kontakte. Interessanterweise gelten diese Zahlen weltweit für fast alle Gesellschaften.

Und doch konfrontieren uns neue Kommunikationsnetze mit neuen Fragen. Netze werfen Fragen auf. Antworten auf Fragen finden wir oft nur, wenn wir in Ruhe nachdenken können. Dazu brauchen wir Freiräume und Denkinseln. Und natürlich die Comdays, an denen Jahr für Jahr Antworten auf neue Fragen gesucht werden. Fragen wie: Wie viele Netze braucht der Mensch? Oder Fragen wie:

Wie viele Netze braucht Pfahli?

Wir erinnern uns: Pfahli hatte von den drei Göttern orange, sunrise und swisscom das erste Netz erhalten. War er zufrieden mit dem Netz? Wurde er glücklich damit? Was sagen die Runen auf dem Pfahl im Museum Schwab?

Die drei Götter, so stellte Familie Pfahli bald einmal fest, bestachen auch noch andere mit ihrer Netzidee. Im Bielersee wurde wie wild gefischt, ja, der Bielersee wurde bald einmal überfischt. Eigentlich hätte es genug Fische für alle gegeben, doch die anderen Pfahlbauer zogen hemmungslos an Land, was sie nur konnten. „Das ist unser Marktwert", sagten sie, oder: „Wir haben ein Anrecht auf mindestens den zehnten Teil aller Fische, die an uns vorbeischwimmen." Auch Familie Pfahli wollte mehr und so klagte Pfahli am nächsten Tag zu den drei Göttern. „Aber ich habe nur zehn Fische gefangen; für meine Familie hätte ich doch gern ein grösseres Netz." - „Wie gross soll es denn sein?" fragten die drei Götter, „du darfst dir alles wünschen." (Die drei Götter teilten sich nämlich pro gefangenen Fisch eine kleine Beute, aber das wusste der einfache Pfahli natürlich nicht.) „So gross wie der ganze Bielersee", antwortete Pfahli. Da erscholl ein Donnerschlag so gewaltig wie der Gong der Börse an der Mauerstrasse (die Pfahlis aus dem Westen sagten ihr Wallstreet) und ein riesiges Netz sank auf Pfahli herab. Pfahli versuchte, es wie ein Lasso in die Luft zu wirbeln, doch er verstrickte sich hoffnungslos. „Hilfe", rief er den Göttern, „rettet mich!". Doch die Götter waren schon privatisiert und lachten: Da musst du den Staat fragen; der ist in solchen Situationen zuständig.

Just an dieser Stelle ist der Pfahl im Museum Schwab gebrochen und die Runen enden dort. Niemand weiss also, wie es mit Pfahli weiter gegangen ist. Es gibt eine Volksweisheit, die lautet: Wenn er nicht gestorben ist, so lebt er auch noch heute.

Nach allerneuesten Forschungen allerdings gilt diese Erkenntnis vor allem für die Götter.

Wie viel Netze braucht der Mensch?